Fettnäpfchenführer Südafrika. Elena Beis
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Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Südafrika - Elena Beis страница 8
Na ja, jedenfalls lokalisiert der Taxifahrer recht schnell das richtige Gebäude und lässt die beiden vor einem gelben zweistöckigen Altbau mit einem schönen großen gusseisernen Balkon heraus.
Silvie atmet tief durch. Die erste Hürde ist gemeistert: Sie haben heil und lebend ihr Ziel erreicht.
Ein junger schwarzer Südafrikaner mit einem breiten Lächeln heißt Silvie und Simon am Eingang willkommen und führt die beiden zur Rezeption. Silvie fragt dreisterweise direkt, ob die beiden das Zimmer mit dem Balkon haben können, und der überrumpelte Rezeptionist sagt sogar »Yebo«.
(Apropos: ›Yebo‹ bedeutet ›Ja‹ auf Zulu und gehört zum südafrikanischen Alltags-Slang.)
Wunderbar! Das Zimmer mit dem schönen Balkon ist frei! Bestimmt ein gutes Omen für den restlichen Urlaub.
Allerdings scheint der junge Afrikaner ein bisschen verwirrt angesichts der missorganisierten Schlüsselsituation auf seinem Schreibtisch und verschwindet in den Hinterraum, wohl um das richtige Schlüsselset zu suchen ...
»Silvie? Hello there!« Oh, da kommt eine gepflegte alte Dame die Treppe zum Empfangsbereich herunter. Das könnte die Hausherrin sein.
Silvie muss sich noch daran gewöhnen, dass sie von wildfremden Menschen mit Vornamen angesprochen wird– und auch daran, dass es hier so viele Weiße gibt. Laut Reiseführer sind nur neun Prozent der Bevölkerung weiß, aber dem ersten Eindruck nach zu urteilen liegt die Quote eher bei 70 Prozent.
(Apropos: In Südafrika spricht man sich immer mit Vornamen an und stellt sich immer mit Vornamen vor, auch wenn man sich nicht kennt, auch über das Telefon, auch wenn man mit jemand Älteres spricht, und auch im Business. Und laut der letzten statistischen Erfassung von 2011 sind 8,9 Prozent aller Südafrikaner weiß. Die meisten der circa 4,6 Millionen weißen Südafrikaner leben allerdings in den wenigen Großstädten. Kapstadt hat um die 20 Prozent Weiße, die Afrikaner-Hochburg Pretoria um die 24 Prozent, Johannesburg um die 16 Prozent und Durban um die 9 Prozent. Bei diesen statistischen Erhebungen sind sämtliche Vororte und schwarze Townships, die um die Städte liegen und genau genommen nicht zu den Städten gehören, mit eingerechnet – das heißt, das tatsächliche Verhältnis zwischen weiß und schwarz in den Städten liegt also noch höher als 25 Prozent.)
Die alte Dame nimmt einen Schlüssel aus einem Fach und will die beiden hochführen.
Oh nein, denkt Silvie – die will uns jetzt bestimmt mit einem schlechteren Zimmer abspeisen! So ein Mist. Dass sie auch gerade jetzt hier aufkreuzen muss ...
»Keine Sorge! Ein Gentleman kümmert sich bereits um uns.«
»Ein Gentleman? Meint ihr Siyabonga?«
»Ein junger Mann. Der bringt uns auf unser Zimmer.«
»Ah, ich verstehe! Matt. Ma-a-a-t!«
Die Dame macht auf der Treppe kehrt und sucht das Haus nach Matt ab. Nach zwei Minuten kommt dieser genau aus der Tür heraus, in die der dunkelhäutige Typ verschwunden ist. Matt ist kreidebleich, rothaarig, so jung wie die alte Hausdame und somit nicht der richtige Mann.
»Das Paar hier wartet auf dich!«
Matt schaut die beiden überrascht an.
»Nein, nein! Es war ein anderer Gentleman.«
Silvie überlegt, wie sie den Mann von vorher beschreiben kann. Sie will jetzt nicht ›der Schwarze‹ sagen, das klingt hier in Südafrika irgendwie unangebracht.
»Er hatte ein blaues T-Shirt an. Er stand eben genau hier, am Eingang.«
»Oh, war es dann vielleicht doch Siyabonga, unser Gärtner?«
Der Gärtner? Nee, bestimmt nicht.
»Ein junger, freundlicher Mann. Ein ... ein dunklerer Typ«, Silvie tastet sich ganz vorsichtig in das heikle Rassenterrain vor ...
»Ah! Darling, du meinst den schwarzen Mann?«
Die ist ja krass! Dass die sich traut, das so zu sagen ...
»Ja, genau, den farbigen Mann.«
»Farbig? Ein farbiger Mann? Wer war denn das?«
(Apropos: Das wird in Südafrika Missverständnisse geben. In Deutschland sagt man zu Schwarzen auch ›farbig‹, in Südafrika wird dagegen zwischen den beiden unterschieden. Haupt-Unterscheidungsfaktor ist die Muttersprache und der kulturelle Kreis, dem man entstammt. Farbige Südafrikaner sprechen in der Regel Afrikaans und haben einen ganz anderen kulturellen Hintergrund als etwa ein schwarzafrikanischer Xhosa. Wenn man zum Beispiel einen Zulu und einen Farbigen mit stark asiatischem Einschlag gegenübersteht, sieht man den Unterschied auch sofort. Manchmal mag die Unterscheidung zwischen ›schwarz‹ und ›farbig‹ für einen Europäer allerdings etwas absurd erscheinen – es gibt ›Farbige‹, die für einen Europäer rein äußerlich wie Schwarzafrikaner aussehen und es gibt wiederum auch ›Farbige‹, die – rein äußerlich – auch Südeuropäer oder Asiaten sein könnten, siehe Das südafrikanische Multikulti.)
Die Hausherrin und Matt gucken ganz verwirrt und diskutieren, wer sich denn gerade im Gasthaus aufhalte und wer das gewesen sein könnte ... Dann, quasi um sich noch einmal zu vergewissern, fragt die Hausherrin Silvie: »Coloured oder black?«
O Mann! Das ist ja eine tolle Konversation, in die das Einchecken abgedriftet ist.
Simon versteht im Übrigen überhaupt nicht, warum Silvie so versessen darauf ist, mit dem schwarzen Gärtner zu sprechen, der wahrscheinlich hier eh nichts zu sagen hat.
Und Silvie findet es ehrlich gesagt unmöglich von der alten Frau, dass die ihre Angestellten als »der Schwarze« und »der farbige Mann« etikettiert. Irgendwie ist das doch total rassistisch.
RASSENZUGEHÖRIGKEIT IM HEUTIGEN SÜDAFRIKANISCHEN ALLTAG
Das Rassenbewusstsein ist in der südafrikanischen Gesellschaft tief verwurzelt (Groteske Fakten aus der Vergangenheit). Den meisten Südafrika-Besuchern fällt dies relativ schnell auf, nicht zuletzt deswegen, weil man ja meistens zumindest eine vage Ahnung von der politischen Vergangenheit des Landes hat.
Jemanden anhand seiner Hautfarbe zu beschreiben oder Menschen aufgrund von Hautfarbe einzuteilen ist nicht notgedrungen rassistisch. Als Europäer realisiert man oftmals nicht, dass die Hautfarbe in Südafrika nicht nur Auskunft über das Aussehen, sondern auch über den Herkunftsort, die Sprache, die Religion und die Tradition der Menschen gibt – und somit dabei hilft, den kulturellen Background des Gegenübers einzukreisen. Pauschaleinordnungen kennen wir auch, nur teilen wir daheim nicht in Black, Jewish, Cape Coloured oder Afrikaans, sondern in andere gesellschaftliche Gruppen ein: ein Ausländer, ein Ossi, ein Hanseate, usw.
Südafrikaner haben zudem mit den Worten schwarz, weiß und farbig, im Gegensatz zu uns Europäern, keine Berührungsängste. Schwarze haben kein Problem zu sagen, dass sie schwarz sind, und man ist stolz darauf, ein Zulu, ein Cape Coloured