Fettnäpfchenführer Irland. Petra Dubilski
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Wer sich aber wirklich einlässt, bereit ist, zu lernen und sich von lang gehegten Illusionen zu verabschieden, wird in der Tat »sich selbst finden«, nämlich völlig neue Seiten der eigenen Person entdecken und statt Hürden neue Horizonte erblicken. Vor allem aber wird er in einer vollkommen anderen Umgebung einen unverstellten Blick auf die eigene Herkunft und die eigenen Erwartungen werfen können.
INTRO
DER TRAUM VOM GRÜNEN PARADIES
Das Shamrock in Berlin ist wie jedes Jahr am St. Patrick’s Day proppenvoll. Irische Musik dudelt aus den Lautsprechern, Barkeeper Shane strahlt wie immer und zwinkert vor allem den weiblichen Gästen zu, die mit jedem Getränk weichere Knie bekommen. Und er schafft es nebenher, ein Glas Guinness nach dem anderen zu zapfen, ohne auch nur eine einzige Bestellung zu vergessen.
Auch wenn der Charme Shanes an ihm vorbeigeht, ist Micha in seinem Element. Die Bedienung bringt ein ganzes Tablett mit frischem Nachschub des schwarzen Gebräus an den Tisch der Freunde, die in ihren Irlanderinnerungen schwelgen. Micha und Tom waren vor über fünfzehn Jahren mit dem Rucksack auf der grünen Insel unterwegs, und ihre Geschichten werden, je mehr Guinness sie intus haben, immer bunter und verklärter.
»Weißt du noch, wie wir in dem einsamen Pub in Donegal gelandet sind und so besoffen waren, dass wir das Hostel nicht mehr gefunden haben?«
»Klar, wir haben dann einfach am Strand gepennt, und mitten in der Nacht kam die Flut ...«
Schenkelklopfen.
»Das hätte ich gerne gesehen«, grinst Tina, »euch in nassen Unterhosen!«
»Wenn du den Sonnenaufgang gesehen hättest, den mystischen Nebel, die absolute Stille, nur das Rauschen des Atlantiks, und hinter uns kahle, einsame Berge mit weißen Schafstupfern, dann wären dir nasse Unterhosen egal gewesen.« Micha kriegt wieder den verträumten Irlandblick, der die Blasenentzündung nach dieser Nacht völlig ausblendet.
»Ich freu mich so auf Irland.« Jo schmiegt sich an Micha. »Ich kann kaum erwarten, bis wir da sind.«
Tina verdreht die Augen. Sie hat drei Jahre in Dublin und dann in Limerick gelebt und gearbeitet. Manchmal gehen ihr die Irlandträumereien ihrer Freunde auf die Nerven. »Leute, fahrt hin, Irland ist schön, aber nur als Urlaubsziel. Dort zu leben ist eine ganz andere Sache. Da ist Ende der Romantik, glaubt mir. Schaut es euch doch erst einmal an, bevor ihr umzieht.«
»Dublin ist nicht Irland. Und Limerick schon gar nicht!« Tom kriegt wieder den leicht scharfen Unterton, der sich immer dann einstellt, wenn Tina mit ihrem Realismus allen in die irlandgrüne Parade fährt.
»Ach hört doch auf!« Jo will sich die Stimmung auf keinen Fall verderben lassen. Sie winkt der Bedienung und hält vier Finger hoch – noch eine Runde.
»Ich wollte schon immer in Irland leben«, sagt Micha trotzig. »Ist doch genauso wie Umziehen innerhalb Deutschlands. Alles Europa. Und ich hab die Schnauze voll von Deutschland. Die ganze Bürokratie, alles dreifach abgesichert, Überwachungsstaat, alles Einschnürung und Bevormundung. Da sind die Iren doch viel lockerer.«
Tina blickt ihn spöttisch an. »Logisch sind die Iren viel lockerer mit ihrer Abneigung gegen Reglementierungen. Deswegen sind sie ja auch so chaotisch. Und Jobs – die finden sich hauptsächlich in den Großstädten, nicht in eurer erträumten Landidylle. Und in den Städten könntet ihr euch die Miete gar nicht leisten. Was meint ihr, warum ich nach drei Jahren wieder zurückgekommen bin? Glaubt mir, irgendwann werdet ihr euch verzweifelt nach deutschen Regelungen, Standards und vor allem Sicherheiten sehnen.«
»Niemals!«, lacht Jo. »Ich liebe Chaos, Nonchalance und das irische mañana. Für mich ist Chaos Kreativität, Nonchalance bedeutet, dass alles etwas lockerer gesehen wird, und mañana ist die Freiheit von Druck und Stress. Außerdem arbeite ich als freie Lektorin für deutsche Verlage, bin also unabhängig von Jobs in Irland. Und Micha ist ja IT-Fachmann, da findet sich immer was, oder?«
Shane bringt die nächste Runde höchstpersönlich und grinst. »Sorry, Jo, aber Chaos heißt bei uns, dass nichts klappt, wie es soll, Nonchalance, dass keiner eine Ahnung hat, aber so tut, als ob, und was das mañana angeht: ›Morgen‹ heißt nicht morgen, sondern ›wenn ich es nicht vergesse, dann vielleicht irgendwann demnächst‹ ... Muss wieder zapfen, bis später.«
Tina und Tom lachen, Micha grinst und Jo verdreht die Augen. »Wir schaffen das schon. Es gibt doch nichts Tolleres, als sich auf ein Abenteuer einzulassen. Wer weiß, welche neuen Fähigkeiten wir in uns selbst entdecken.«
»Na dann, viel Glück!«, grinst Tina.
Eine halbe Stunde später verabschieden sich Jo und Micha mit einer herzlichen Umarmung von ihren Freunden. »In ein paar Tagen geht’s los, und es ist noch so viel zu erledigen.«
Shane zwinkert ihnen zu und ruft hinterher: »Und schickt mir eure neue Blog-Adresse! Bin ja gespannt, wie es euch in meiner alten Heimat ergeht.«
1
IRRFAHRT DURCH IRLAND
KRYPTISCHE PFEILE UND BLUMIGE ADRESSEN
Jo schreibt:
Geschafft, wir sind in Irland! Zum Glück hat unser B&B WLAN, auch wenn’s etwas dauert, bis es in die Pötte kommt.
Die erste Etappe ging ziemlich glatt: von Berlin nach Calais, Fähre von Calais nach Dover, Fahrt durch England und Wales, Fähre von Fishguard nach Rosslare. So weit, so gut.
Es war märchenhaft, als Irland in der Morgendämmerung wie eine mythische Erscheinung aus dem Meer auftauchte, die blinkenden Lichter des Fährhafens von Rosslare wie das typisch irische Augenzwinkern. Micha hatte sich schon in die Schlange gestellt, um runter zum Auto zu kommen, aber ich wollte den Moment oben auf der Fähre noch genießen. Auf meinem MP3-Player hatte ich Mary Black laufen: »Song for Ireland«. Unsere neue Heimat!
Es war kalt und regnerisch, als wir mit unserem vollgepackten Kombi endlich aus dem Fährhafen fuhren. Das Schild »Keep Left« an der Ausfahrt zur N25 war unübersehbar.
Micha grinste: »Als Tom und ich damals getrampt sind, standen wir erst an der falschen Straßenseite. Aber es hat trotzdem jemand gehalten. Die Iren sind halt gemütliche Autofahrer.«
Die regennasse Schnellstraße sah irgendwie gar nicht gemütlich aus. Und die Umgebung war überhaupt nicht wild und romantisch, sondern flach und grün und grau. Ich stöpselte mir wieder meine Kopfhörer ein. Die Dubliners mit einer alten Aufnahme. Schon sah die Landschaft irischer aus.
»Idiot!«, schrie Micha plötzlich und trat auf die Bremse. Aus einem Seitenweg war ein Auto auf die Schnellstraße aufgefahren und schlich nun vor uns her. »Puh, das war knapp. Hat der denn keine Augen im Kopf?« Micha schaltete in den zweiten Gang runter.
»Gemütliche Autofahrer, nicht wahr, Sweetie?« Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Micha