Fettnäpfchenführer Irland. Petra Dubilski
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Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Irland - Petra Dubilski страница 4
Ein großes grünes Schild mit kryptischen Pfeilen tauchte vor uns auf.
»Immer auf der N25 bleiben«, sagte ich nach einem Blick auf die Karte.
Michas Stimme klang angespannt: »Da sind zwei Pfeile in Richtung N25. Welcher jetzt?«
»Die erste links, glaube ich jedenfalls. Wir hätten uns doch ein Navi anschaffen sollen.«
Micha verdrehte die Augen und setzte an, links in den Kreisverkehr einzubiegen. Und legte eine Vollbremsung hin. Von rechts raste ein Auto heran. »Der hat doch nach links geblinkt, der Idiot! Und das Handy am Ohr, ich glaub’s nicht!«
Ich atmete tief durch. Die Landschaft wurde allmählich abwechslungsreicher. Hin und wieder tauchten Silhouetten von sanften Bergen in der Ferne auf, die Sonne blinzelte hier und da durch die schweren Regenwolken und ließ einzelne Flecken grün aufleuchten. An einem Hang sah ich die ersten wollig-knuffigen Schafe herumtrödeln. »Schön hier«, seufzte ich.
»Ach ja, toll«, brummelte Micha. »Ich meine: toll bridge, Mautstelle. Hast du Kleingeld parat?«
Ich kramte in meiner Handtasche.
»Los, Jo, hinter uns bildet sich schon eine Schlange.«
Ich warf die Münzen (eins neunzig – ganz schön happig!) in den Geldkorb, und wir konnten durch die geöffnete Schranke fahren. Ich fragte mich, was wohl Autofahrer mit Linkslenker ohne Beifahrer machen. Die müssen vermutlich aussteigen und ums Auto herumlaufen.
TOLL BRIDGE AHEAD – GET IN LANE: MAUTGEBÜHREN FÜR AUTOFAHRER
Autobahnen gibt es nur wenige in Irland, die meisten führen von Dublin sternförmig zu anderen größeren Städten oder um Dublin herum, wie die berüchtigte, weil für Außenstehende unübersichtliche und stets verkehrsreiche Ringautobahn M50. Die Mautstellen sind große Anlagen, die an Grenzübergänge erinnern und in der Regel toll bridge heißen – Mautbrücke. Regelmäßige Fahrer können einen Mautpass erwerben, um das lästige Anhalten, um Geld in den Zahlkorb zu werfen, zu vermeiden.
Die Mautpreise liegen in der Regel für einen Pkw bei 2,10 Euro. Sie gelten übrigens nicht nur für die mit blauem Schild gekennzeichneten M-Straßen (M für motorway – Autobahn), sondern zuweilen auch für die grün ausgeschilderten N-Straßen (national road – Schnellstraße).
Ich warf einen Blick auf die Wegbeschreibung aus dem Internet. »Hier steht, dass wir in Limerick durch den Tunnel unter dem Shannon hindurchfahren müssen. Kostet auch wieder Maut. Meinst du, wir sollten lieber den Weg durch die Stadt nehmen?«
Micha war nicht begeistert, weder von einer Fahrt durch die Stadt noch von einer weiteren Mautgebühr. Er war übermüdet von der langen Reise, aber beim Fahren ablösen lassen wollte er sich nicht. »Vielleicht sollten wir uns lieber eine Landstraße suchen. Ist weniger anstrengend.«
Wieder nahm ich die Karte zur Hand und suchte nach einem passenden Abzweig. »Das wäre ein Riesenumweg. Auf durch Limerick. Außerdem habe ich Hunger. Du nicht? Also immer dem Schild in Richtung city centre folgen.«
Gesagt, getan, zumal wir uns durch die vielen Kreisverkehre mittlerweile wie die alten Hasen bewegten. Bis keine »City Centre«-Schilder mehr zu sehen und wir tatsächlich in der City waren.
»Und jetzt, wohin?«, fragte Micha.
»Also, irgendwie müssen wir eine Brücke über den Shannon finden und dann in Richtung Ennis auf die M18. Laut Karte müssten wir dort vorne rechts.«
»Geht nicht, Einbahnstraße.«
»Dann halt dich prinzipiell gen Westen, wo die Sonne untergeht.« Ohne Stadtplan, nur mit einer Landkarte von Irland, konnte ich auch nur ungefähr sagen, wo es langging.
»Alles klar, Schatzi, wir fahren in den Sonnenuntergang«, trällerte Micha sarkastisch.
Limerick war ein Alptraum, wenn man übermüdet, hungrig und völlig überfordert von Einbahnstraßen und miserabler Ausschilderung ist – und hässlich mit all den verschandelten Straßenzügen, langweiligen Läden und den Menschen, die genauso grau wirkten wie das einsetzende Schmuddelwetter. Gefühlte Stunden später, einige Nerven ärmer und noch immer hungrig überquerten wir endlich den Shannon und waren wieder auf einer Autobahn, die nach Ennis und Galway ausgeschildert war.
Wir hatten für die erste Zeit ein B&B in Lahinch an der Westküste im County Clare gebucht. So weit, so gut. Doch als wir schließlich in dem kleinen Ort ankamen, standen wir dort erst einmal wie die Ochsen vorm Berge. Wo war denn nun das Seaview B&B? Eine richtige Adresse gab es nicht, und die Wegbeschreibung, die uns die Vermieterin gemailt hatte, war etwas, nun ja, unkonkret: »An den Ferienhäusern vorbei bis zum Golfplatz und über die Brücke, danach rechts und immer geradeaus, dann sieht man es schon«. Na prima.
Der Golfplatz war noch klar, aber dann kurvte die Straße mit etlichen Linksabzweigungen nur so durch die Gegend, dass wir uns irgendwann mitten in der Pampa wiederfanden. Micha schaltete den Motor aus, legte den Kopf aufs Lenkrad und stöhnte. Zum Glück marschierte just in diesem Augenblick eine Gruppe Frauen im farbenfrohen Powerwalking-Outfit vorbei. Alle sechs Damen strahlten, als ich sie fragte, ob sie wüssten, wo das Seaview B&B sei.
»Ist das nicht Mary oben aus dem gelben Haus?«
»Nee, die macht kein B&B mehr.«
»Könnte es nicht Liz sein?«
»Die wollte doch B&B anbieten, als ihr Mann arbeitslos wurde. Arme Frau, die Situation ist nicht einfach, und dann mit den Kindern.«
»Ach, ich weiß! Das ist bestimmt Maura oben am Hang. Die Straße runter, an der Ruine vorbei, und nach etwa einer Meile seid ihr an dem weißen Bungalow. Und wo kommt ihr her? Wollt ihr lange bleiben?«
Ich hatte kaum eine Chance, das Wort zu ergreifen, Micha trommelte schon nervös aufs Lenkrad, und mir taten die Wangen weh vom Zwangslächeln. Schließlich konnten wir uns loseisen, die Frauen stiefelten fröhlich weiter und unterhielten sich angeregt.
Die Ruine, eher ein paar undefinierbare Mauerreste, fanden wir schließlich, dann fuhren wir nach Tacho eine Meile (1,6 Kilometer, um genau zu sein), aber kein Bungalow in Sicht. Der tauchte erst nach etwa drei Kilometern vor uns auf, und, ja, es war besagte Maura, die uns freudestrahlend und mit Tee und Keksen begrüßte. Aber wir waren so müde, dass wir uns erst einmal aufs Bett hauten und daher auch nicht merkten, dass das Seaview B&B gar keinen Meerblick hat.
HINTER DEM HÜGEL DAS ZWEITE HAUS RECHTS IN BALLYGOBACKWARDS
Irland hat postalisch endlich aufgeholt: Seit 2015 gibt es hier tatsächlich Postleitzahlen. Ganz einfach war die Einführung jedoch nicht. Die merkwürdige Mischung aus Buchstaben und Zahlen schien für viele Iren keinen Sinn zu ergeben, da sie nicht eindeutig einem Dorf, einer Straße oder einem Stadtteil zuzuordnen sind. Stattdessen erhielt jedes einzelne Haus eine ganz individuelle Kombination, die allerdings mangels eindeutiger Adressen gelegentlich völlig falsch verteilt wurde. Hinzu kam die Weigerung oder Unfähigkeit vieler Online-Dienste, die neuen Postleitzahlen anzuwenden, nicht zu reden von der irischen Post selbst, die noch immer ganz prima ohne Postleizahlen zurechtkommt.
Kurzum, die Sache mit den Postleitzahlen wird wohl noch ein paar Jahre – oder vielleicht