Fettnäpfchenführer Irland. Petra Dubilski
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Eine typische Anschrift im dörflichen Irland lautet in etwa: Mary McMurphy, Hillview Cottage, Carrigfeckin, Ballygobackwards, County Clare, Ireland. Das wäre in etwa so wie: Lieschen Müller, Tannenhof, Hinter den Eichen, Deppenhausen, Landkreis Hintertupfingen. Die Häuser erhalten Fantasienamen, und wenn sie keinen haben, reicht auch die Nennung des Adressaten, den sowieso jeder in Dorf und Umgebung kennt. Dann folgt der Ortsteil bzw. der alte Flurname, der nirgends ausgeschildert ist. Den kennen nur die Einheimischen. Schließlich der Ort und zuletzt das County, die Grafschaft. Klappt übrigens prima, ob mit oder ohne Postleitzahlen.
Kommentar von: Tina
Gratuliere zur Ankunft im irren Irland!
An die (nicht vorhandene) Ausschilderung werdet ihr euch bestimmt schnell gewöhnen, und für den Anfang ist die Benutzung eines Navis vielleicht doch nicht so verkehrt – falls das verquere irische Straßennetz überhaupt gut genug kartografiert ist. Die Sache ist nämlich die: Irland besteht, abgesehen von den Städten, aus lauter kleinen Dörfern und Streusiedlungen, die seit Jahrhunderten über Trampelpfade, Viehwege und dergleichen miteinander verbunden sind. Viele davon haben sich im Lauf der Zeit zu Straßen »entwickelt«, manche wurden für den Autoverkehr asphaltiert, andere blieben Holperpisten, dienen aber immer noch als Verbindungswege zwischen Siedlungen und Höfen. Schaut mal auf einer der OSI-Karten nach, da führen Straßen kreuz und quer und buchstäblich querfeldein durchs Land. Die alle ordentlich auszuschildern, wäre nicht nur eine Heidenarbeit und viel zu teuer, sondern auch total überflüssig. Die Sträßchen werden ja nicht von den Touristen, sondern von den Einheimischen genutzt, und die kennen jeden Feldweg.
Deswegen braucht ihr euch auch nicht zu wundern, wenn die Wegbeschreibungen für Fremde etwas befremdlich erscheinen. Was? Ihr wisst nicht, wo Mary wohnt? Oder wo damals John seine Kuh verloren hat? Too bad. Aber nach einer Weile werdet ihr das schon mitkriegen.
Kommentar von: Shane
Meckert mir bloß nicht über die Autofahrkünste meiner Landsleute! Wir sehen das mit den Verkehrsregeln nicht so eng – das war es doch, was ihr wolltet, oder? Abgesehen davon sind wir richtige Fahrkünstler. Wir brauchen noch nicht einmal einen Blinker. Schließlich fahren wir ja schon seit dem Teenageralter, Daddy oder der große Bruder hat uns das Fahren beigebracht, wozu braucht man da eine Fahrschule. Prüfung gemacht und Lappen erhalten, ohne diesen ganzen Klimbim wie in Deutschland.
Wir halten uns übrigens durchaus an Verkehrsregeln. Also manchmal. Wenn ein Feldweg mit 80 km/h Höchstgeschwindigkeit ausgeschildert ist, dann brettern wir auch mit 80 km/h drüber. Steht doch da. Und wenn wir ganz langsam fahren, dann meist, weil wir gerade aus dem Pub kommen oder weil wir ein wichtiges Gespräch am Handy haben. Darüber, wo wir gerade sind, oder einfach nur, weil wir schon seit zwei Stunden nichts mehr von wem auch immer gehört haben. Die Autofahrer mit einer Hand am Ohr haben also keine Ohrenschmerzen ... Übrigens: Telefonieren beim Autofahren ohne Freisprechanlage ist auch bei uns verboten.
Ihr habt also gleich Bekanntschaft mit der irischen Redefreudigkeit gemacht? Wenn mindestens zwei Irinnen zusammentreffen (sorry, Mädels, nichts für ungut), gibt es immer was zu erzählen, und wenn es eine ganze Gruppe ist, dann wird gequatscht, was das Zeug hält. Kein Wunder, dass wir Mannsvolk gerne im Pub sitzen und mal ganz ungestört in unser Bier starren wollen.
Zwei ahnungslose und hilflose Touristen sind da natürlich ein gefundenes Fressen. Natürlich wollen alle ihnen weiterhelfen. Wirklich! Aber es ist auch eine herrliche Gelegenheit für neuen Gesprächsstoff, ob das die besagten Touristen betrifft oder nicht. Ihr wart nur Anlass. Wahrscheinlich war der Rest des Wegs der Damengruppe davon beseelt, über Liz, Mary oder Maura zu tratschen, den arbeitslosen Ehemann, das Touristengeschäft für B&Bs, die wirtschaftliche Lage schlechthin, der Jammer der irischen Auswanderung, wie schlimm es früher war, über die Große Hungersnot und was es zum Abendessen geben wird.
Also, immer schön weiterlächeln und nicken. Eine gerade Antwort auf eine gerade Frage gibt es nicht. So viel Zeit muss sein, auch wenn ihr zunächst keine Ahnung habt, worum es eigentlich geht. Das macht schließlich das soziale Leben in Irland aus.
2
BIER, MUSIK UND DAS GROSSE SCHWEIGEN
RESPEKT FÜR DEN MUSIKER IST OBERSTES GEBOT
Micha schreibt:
Die ganze Fahrt von Berlin nach Lahinch habe ich mich auf mein erstes echtes Guinness nach Jahren gefreut. Also nicht das, was wir in Irish Pubs in Deutschland serviert bekommen, sondern ein originales, richtig gezapftes Bierchen in einem echten Landpub mit Musik und allem Drum und Dran. Unsere nette Vermieterin Maura und ihr Mann Seamus sagten uns an unserem zweiten Abend, dass es eine session im Pub gebe, irische Livemusik also. Klar mussten wir hin. Gegen 22 Uhr sollte es losgehen. Ziemlich spät, fanden wir. Deswegen machten wir uns gleich nach dem Abendessen auf den Weg.
Der Pub war noch ziemlich leer, aber dafür konnten wir eine schöne Eckbank ergattern, von wo aus wir das ganze Lokal im Blick hatten. Viel war allerdings nicht zu überblicken. Die Kneipe war dunkel und winzig: hinten eine Bar mit maximal fünf Barhockern, drei Tische mit kleinen Hockern und unsere Eckbank mit zwei kleinen runden Tischen davor. An den Holzwänden hingen Fotos von Musikern, alte Bierplakate und irgendwelcher Krimskrams. Hinter der Bar stapelten sich auf den schon etwas altersschwachen Holzregalen diverse Alkoholika zwischen angestaubten Bierflaschen, die äußerst historisch aussahen. Urgemütlich also.
Jo winkte dem ältlichen bebrillten Mann hinter der Bar zu, um zu bestellen. Der nickte nur kurz und widmete sich wieder seinen Zapfhähnen.
»Wieso kommt der nicht, um unsere Bestellung aufzunehmen?«, fragte sie. »Hello!« Sie winkte gleich noch einmal.
Der Mann sah sie erstaunt an.
»Keine Ahnung, vielleicht ist die Tischbedienung gerade auf dem Klo?«
Mir dauerte das zu lange, also bestellte ich an der Theke: »Two glasses of Guinness, please.«
Der Barmann nickte und begann, zwei kleine Gläser zu füllen. Ähm, dachte ich, eigentlich wollte ich doch ein richtiges großes Glas. Na ja, das nächste Mal würde ich eben »Two big glasses of Guinness, please« sagen.
Nach und nach tröpfelten Gäste ein, meist ältere Leute, manche noch in Gummistiefeln, als wären sie frisch vom Feld gekommen, ein paar Dorfjugendliche in ihren besten Jeans und T-Shirts und schließlich ein Truppe Männer, die mit Geigen-, Gitarren- und sonstigen Instrumentenkästen schnurstracks auf uns zu kamen und uns freundlich anlächelten.
Wir lächelten zurück. Als wir begriffen, dass sie sich zu uns setzen wollten, rutschen wir flugs ein Stück auf der Bank zur Seite. Einige nahmen Platz und packten ihre Musikinstrumente aus. Einer der Musiker neigte sich zu uns herab und sagte: »Könnt ihr euch bitte woanders hinsetzen?«
Jo guckte ihn nur groß an. »Wieso denn?«
Ehe wir’s uns versahen, kam der Barmann herüber. »Das ist die Musikerecke«, sagte er freundlich. »Ihr seid neu hier?«
Oh Mann, war mir das peinlich. Schnell nahmen wir unsere Gläser und Jacken und schauten uns um. Der Pub jetzt voll besetzt. Also stellten wir uns an die ohnehin dicht besiedelte Bar.
»Das