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TRAUMHAUS MIT HINDERNISSEN
ERSTKLASSIGE LAGE MIT PLUMPSKLO
Jo schreibt:
Jetzt wurde es langsam Zeit. Wir konnten ja nicht ewig im B&B hausen. Also machten wir uns auf die Suche nach einem Traumhäuschen im Grünen mit allem modernen Komfort für möglichst wenig Geld ...
Wir hatten uns auf den hiesigen Immobilienwebsites nach Häusern zum Mieten umgeschaut und das eine oder andere Objekt gesichtet, das unseren Erwartungen entsprach. Besonders ein Cottage hatte es uns angetan: Es war zwar klein, aber absolut reizend, hatte einen großen Garten – und Meerblick. Telefonisch vereinbarten wir einen Termin mit dem Makler, der einen Treffpunkt in Lahinch vorschlug, da das Haus schwer zu finden sei.
Am vereinbarten Standort hätten wir ihn beinahe übersehen: ein schmales Kerlchen in Jeans und kariertem Hemd, mit grauschwarzem Bart, sehr hoher Stirn und roter Nase – nicht gerade der typische Makler mit Schlips und Kragen.
»Ah, ihr seid die Deutschen!«, rief er uns freudestrahlend zu. »Ich bin Jim. Da habt ihr euch wirklich eine herrliche Immobilie ausgesucht. Romantisch, erstklassige Lage, ruhig.« Jetzt klang er schon mehr nach Makler. »Ein Traum für Menschen, die sich ihr eigenes Nest bauen wollen. Folgt meinem Auto!«
Bauen? Micha schaute mich perplex an. Daran hatten wir eigentlich nicht gedacht. Na, vielleicht meinte er das metaphorisch.
Nach einigen Kurven und rumpeligen Feldwegen hielten wir vor einem kleinen Häuschen.
»Ist das schön«, sagte ich zu Micha und ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen. »Guck mal, das Meer! Und gleich ein Strand da hinten. Und da vorne grasen Kühe.«
»Hm«, meinte Micha. »Guck mal die Fenster. Die sind ja halb verrottet.«
Jim winkte uns fröhlich mit dem Schlüsselbund zur Haustür. Von Nahem sah das Haus tatsächlich etwas, na ja, reparaturbedürftig aus. Aber die Lage!
Kaum hatte ich einen Fuß über die Türschwelle gesetzt, fiel mir die Kinnlade herunter. Wände, von denen der Putz blätterte, eine Küche ohne Spüle mit nur einem uralten Herd, Stromleitungen über Putz. Die reinste Bruchbude. Micha zog die Augenbraue hoch.
Doch Jim verlor nichts von seinem Enthusiasmus. »Ein bisschen Farbe, und das Haus sieht aus wie neu«, strahlte er. »Und schaut mal aus dem Panoramafenster, man kann fast die Cliffs of Moher sehen!«
Panoramafenster? Das war ein größeres Badezimmerfenster, wohlwollend bezeichnet.
»Und wo ist das Bad?«, fragte Micha nun schon etwas verkniffen. »Ah, das Bad!« Jim wuselte weiter. »Das ist ganz traditionell, typisch irisch, wie zu alten Zeiten. Herrlich romantisch für ein junges deutsches Paar, wie ihr es seid.«
»Traditionell«, meinte Micha nur trocken angesichts der winzigen Nasszelle aus Plastik mit reichlich Schimmel an den Abdichtungen – und ohne Toilette.
Mir blieb die Spucke weg. »Und das Klo?«, fragte ich. »Auch traditionell auf einem Balken hinten im Hof?«
»Aber die Lage!«, rief Jim und ignorierte meine Frage. »Der Blick! Und der Preis ist unschlagbar.«
»Sorry«, sagte Micha schließlich. »Romantik ist ja gut und schön, aber wir wollen nicht den ganzen Tag am Fenster stehen und die Aussicht genießen. Aber danke für die Mühe, Jim.«
»Wartet! Ich habe noch ein anderes Objekt mit Meerblick. Etwas teurer zwar, aber auch mit deutlich mehr Komfort. Nicht ganz so privat gelegen, aber auch nicht viele Nachbarn. Schön ruhig. Folgt mir!« Schwungvoll sprang er hinters Steuer.
»Deutlich mehr Komfort«, murmelte Micha. »Wenn deutlich mehr Komfort heißt, dass der Donnerbalken gepolstert ist oder dass es überhaupt einen gibt, dann kann ich gut verzichten.«
»Ach, komm«, meinte ich. »Vielleicht hat er ja wirklich noch was Schönes in der Hinterhand. Fahr los.«
Nach einigen gewundenen Straßen südwärts die Küste entlang und dann wieder ein ganzes Stück landeinwärts kam eine Siedlung mit immer gleichen modernen Häusern in Sicht. In so einer Siedlung wollten wir eigentlich nicht leben, aber Gucken kostet ja nichts. Es war in der Tat sehr ruhig, kaum ein Mensch zu sehen, und einige Häuser waren auch noch nicht fertig gebaut. Hier und da lagen Rohre herum, und die Gärten waren allesamt Brachland. Das roch geradezu nach zukünftigem Baulärm.
Jim lotste uns bis zum Ende der Siedlung, sprang aus dem Wagen und lief voraus zu einem der Einheitshäuser. »Alles feinste Materialien«, schwärmte er, »moderne Einbauküche, drei Schlafzimmer, zwei luxuriöse Bäder, Ölzentralheizung und voll eingerichtet.«
Voll eingerichtet? Vor uns standen ein paar lumpige Möbelstücke, als hätte sie jemand beim überstürzten Auszug vergessen. Und wo war der Meerblick? Jim führte uns in die obere Etage, wo uns blitzende Edelstahlarmaturen in beige gefliesten Bädern erwarteten.
In einem der kleineren Schlafzimmer wies er aus dem Fenster. »Da hinten schimmert es meerblau. Schaut!«
Der kleine Poet, dachte ich und verrenkte mir den Hals. Ja, ganz hinten war so etwas wie ein grauer Streifen zu erahnen, den man mit viel gutem Willen für Meer halten könnte. Vielleicht war es aber auch nur ein Stück Nebel.
»Wird hier eigentlich noch viel gebaut?«, fragte ich schließlich.
»Irgendwann vielleicht«, meinte Jim und klang verlegen. »Der Bauherr ging damals nach der Finanzkrise pleite, das ganze Projekt wurde gestoppt. Die fertigen Häuser fanden keine Käufer, aber werden jetzt wenigstens vermietet. Deswegen ist das Haus auch erschwinglich. Ist es nicht schön?« Er wirbelte herum, als würde er uns ein Märchenschloss vorführen.
»Das heißt, die Halbruinen bleiben so stehen?«, fragte Micha. »Das ist ja wie Leben in einer Abbruchsiedlung!«
»Aber dafür ist es schön ruhig, kaum Nachbarn. Genau das, was ihr sucht«, lächelte Jim.
»Wie, kaum Nachbarn?«, fragte ich ihn fassungslos. »Soll das heißen, dass wir hier wie in einem Geisterdorf leben würden? Wie viele Leute wohnen denn hier überhaupt?«
»Hm, soviel ich weiß, lebt da hinten noch ein junges Paar. Bestimmt nette Leute.«
»In einer halbfertigen Siedlung von etwa 20 Häusern lebt nur ein einziges Paar?« Ich war schockiert.
»Na, mit euch wären es dann zwei Paare. Und wenn die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden, wird es hier auch wieder recht lebendig.«
Mir war das zu unheimlich. »Nee, danke, Jim. Wirklich, sehr nett. Aber so will ich nicht leben. Wir suchen weiter. Komm, Micha.«
»Dann folgt mir noch mal!« Jim blieb unerschütterlich. »Ich habe da ein echtes Traumhaus für euch.«
Micha verdrehte die Augen. Mir war es egal. Wir konnten uns genauso gut noch ein Haus anschauen. Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Diesmal hatte Jim recht. Das Haus war tatsächlich