Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel Muller

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Fettnäpfchenführer Thailand - Daniel  Muller Fettnäpfchenführer

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Deutsch führen, auf das die Angesprochene mit rhythmischem Händeschlagen und vergnügten Quietschlauten reagiert.

      »Very na rak (Sehr niedlich)«, bestätigt Susanne.

      Patchari leuchtet vor Mutterstolz. »Einige Nachbarinnen und ich treffen uns immer Donnerstagnachmittag bei mir zu Hause. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie auch vorbeikommen.«

      »Ja, gern. Wann soll ich denn da sein? Und kann ich etwas mitbringen?«, erkundigt sich Susanne pflichtbewusst.

      »Nein, nein. Vielen Dank, das ist nicht nötig«. Patchari schüttelt den Kopf. »15:30 Uhr wäre prima.«

      »Tòk long (Einverstanden).«

      Wenig später in der Wohnung berichtet Susanne ihrem Angetrauten angetan von ihrer Einladung: »Sie ist richtig nett. Ich muss ihr auf jeden Fall etwas mitbringen. Was meinst du, passt bei einer solchen Einladung?«

      »Na, was Frauen allgemein so brauchen: Zeitschriften und Schokolade«, antwortet Martin und blättert in Unterlagen seiner Firma.

      »Du bist wieder einmal eine Riesenhilfe.«

      In einem unerwarteten Anflug von Ernsthaftigkeit korrigiert Martin seinen Ratschlag: »Das ist schwer zu sagen. Firmengeschenke sind ja etwas anderes. Vielleicht kaufst du was für euer Nachmittagstreffen? Kuchen?«

      »Nein, das ist mir zu unpersönlich. Ich möchte, dass sie sich wirklich freut. Und außerdem will ich doch bei den anderen einen guten Eindruck hinterlassen.«

      Nach einem zweieinhalbstündigen Shoppingmarathon wird Susanne schließlich fündig: Ein edler rosafarbener Schal aus Thai-Seide soll es sein. Und weil er ihr so gut gefällt, kauft Susanne noch einen weiteren Schal in Lila für sich selbst.

      Donnerstagnachmittag. Susanne klingelt an Patcharis Tür.

      »Sawadee kha.« Patchari öffnet freudestrahlend die Wohnungstür. »Kommen Sie herein!«

      Im Hintergrund hört Susanne bereits ein Stimmenwirrwarr und fröhliches Lachen. Sie streift sich ihre Schuhe von den Füßen und lässt sie am Eingang stehen, denn dort sind schon mindestens weitere fünf Paar Frauenschuhe deponiert. Manche Leute sind ja etwas empfindlich, was Straßenschuhe in den eigenen vier Wänden anbelangt, da geht sie lieber auf Nummer sicher. Susanne betritt die Wohnung und überreicht geradewegs ihr Geschenk mit beiden Händen. »Ein kleines Dankeschön für Ihre nette Einladung.«

      »Oh, was für eine schöne Überraschung. Kop khun kha (Danke).« Patchari nimmt das aufwändig verpackte Geschenk lächelnd in Empfang und legt es eher achtlos auf einem Holztischchen ab.

      Susanne steht etwas hüftsteif da und schaut ihre Gastgeberin erwartungsvoll an.

      »Folgen Sie mir ins Wohnzimmer!«

      Susanne jedoch bleibt unschlüssig in der Eingangstür stehen und kann nicht umhin, immer wieder demonstrativ auf ihr Geschenk zu schauen. Sie ist doch so gespannt, wie Patchari der Schal gefällt.

      Aber Patchari zeigt erneut in Richtung Wohnzimmer. »Die ersten Gäste sind auch schon da. Kommen Sie bitte!«

      Susanne wirft einen letzten wehmütigen Blick auf ihr Geschenk. Wie undankbar, denkt sie, bis sie von Patchari sanft am Unterarm gefasst und in Richtung Wohnzimmer gelotst wird.

       Was ist da schiefgelaufen?

      Was hier gerade geschehen ist, lässt sich als ein typischer Fall von kulturbedingt auseinanderlaufenden Erwartungen verstehen. Während sich Susanne eine unmittelbare emotionale Reaktion erhofft hat, ging es Patchari darum, die Situation nicht durch das Zeigen überbordender Gefühle zu überladen. Bei solchen Konstellationen kann es leicht zu irreführenden Interpretationen kommen. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat sich Patchari allein darüber, dass Susanne an sie gedacht und ihr eine Aufmerksamkeit mitgebracht hat, mächtig gefreut.

      Allerdings werden Geschenke in Thailand nicht wie im Westen üblich mit einer mehr oder weniger echten Begeisterung entgegengenommen, sondern ungeöffnet beiseitegelegt. Damit wird zwar die (ziemlich kuriose) westliche Konvention, dass auch der Schenkende direkt etwas von seiner Gabe haben soll, nämlich die klar vernehmliche Dankbarkeit des Beschenkten und ein Teilhaben an dessen neuer Besitzerfreude, verletzt. Dieses Vorgehen entbindet den Geschenkempfänger jedoch davon, dem Schenkenden womöglich eine unauthentische Zufriedenheit signalisieren zu müssen. Damit umgeht man elegant potenziell peinliche Situationen, bei denen sich – man kennt es von den alljährlichen Weihnachtsprozeduren – gut gemeinte Absichten öffentlich als unvorteilhafte Fehlannahmen über die Wünsche und Bedürfnisse des zu Beschenkenden entpuppen können. Hieran können die extrem harmoniebedürftigen Thais keinerlei Interesse haben. Also hebt man sich den Moment der Geschenköffnung für einen späteren Zeitpunkt auf. Dann kann man sich ungestört über eine gelungene Zuwendung freuen oder ein Präsent, das in erster Linie die persönlichen Vorlieben des Schenkenden offenbart, achselzuckend zur Kenntnis nehmen und gegebenenfalls entsprechend entsorgen.

      Hinzu kommt, dass die Thais als große Liebhaber einer verspielten und etwas plakativen Ästhetik es als einen mittelgroßen Frevel betrachten würden, ein hübsch eingepacktes und mit Schleifchen versehenes Geschenk durch sofortiges Aufreißen unwiederbringlich zu verunstalten. Mitunter ist in Thailand die Verpackung wichtiger als der Inhalt.

       THAI-ÄSTHETIK – HAUPTSACHE NIEDLICH!

      Dass man in Thailand die Dinge nicht immer ganz so bierernst nimmt, ist bekannt, genauso wie der Umstand, dass hier jedermann versucht, eine gute Zeit zu haben. Was dann aber doch ein wenig überrascht, ist die kunterbunte Verspieltheit, mit der fast alle Alltagsgegenstände »aufgehübscht« werden – als wäre das Land eine Art überdimensioniertes Kinderzimmer. Dabei scheut man auch vor der Verniedlichung von eigentlich ehrwürdigen Figuren wie in Meditation versunkenen Mönchen nicht zurück. Die Welt muss für die Thais offenkundig mit einer großzügigen Portion Puderzucker bestreut werden. Schwermütige Innerlichkeit ist hingegen verpönt. Soziologisch lässt sich diese Einstellung gut damit erklären, dass in Gesellschaften mit einem rigorosen Unterordnungsdruck die Individuen verständlicherweise versuchen, nicht unnötig anzuecken und entsprechend nach möglichst unverfänglichen Ausdrucksmöglichkeiten zu streben. Deshalb wird gemeinhin alles als attraktiv angesehen, was naiv, liebreizend, kantenlos, putzig und überhaupt konsensfähig ist. Der Übergang zu einer sterilen Künstlichkeit ist dabei – wie sich vielfach beobachten lässt – durchaus fließend.

      In zwischenmenschlichen Dingen geben Thais sich nach außen hin oft supercool. Aller äußerlichen Unbeschwertheit zum Trotz legen sie großen Wert auf eine klar abgegrenzte innere Diskretionszone, zu der sie niemandem Zutritt gewähren – oft nicht einmal dem eigenen Partner oder der eigenen Familie. Die Konfrontation mit den emotionalen Bedürfnissen und Problemen ihrer Mitmenschen hat für Thais etwas zutiefst Beängstigendes. Dies ist weniger einer fehlenden Empathie zuzuschreiben als der mangelnden Fähigkeit, sich gemütsverträglich mit unangenehmen Seelenfragen auseinanderzusetzen. Besonders Fremden gegenüber bleiben sie erst einmal deutlich reserviert. Doch selbst wenn sie alte Freunde nach langer Zeit wiedertreffen, ist meist nicht mehr als ein lässiger Schulterklapser drin. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie gefühlsmäßige Eisblöcke sind. Als solche würden sie allein schon wegen der ganzjährigen Wärme so schnell wie eine Portion Kokosnuss-Eiscreme in der Tropensonne dahinschmelzen.

       Wie geht es entspannter?

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