Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel Muller
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Wie geht es entspannter?
Zunächst sollte sich jeder, der in Thailand geschäftlich aktiv werden will, bewusst machen, dass hier der äußere Eindruck eine sehr maßgebliche Rolle spielt. Thais unterliegen einem hohen sozialen Druck, sich nach außen hin als wohlhabender zu präsentieren, als sie es in Wirklichkeit sind. Understatement gilt mithin nicht als Tugend, sondern führt zu unnötigen Missverständnissen. Für den Ausländer, der das Handicap seines Standes außerhalb der Thai-Gesellschaft wettmachen muss, kann es also nicht schaden, hier ausnahmsweise ein wenig auf den Putz zu hauen. Dies gilt insbesondere im Kontakt mit potenziellen Geschäftspartnern. In einer Luxuskarosse vorzufahren, ist da keine schlechte Idee. Beispielsweise einen Stern auf der Motorhaube zu haben, kommt in Thailand immer gut an.
In Bezug auf seine Mitarbeiter ist es für Martin trotz seines mittleren Alters angeraten, in die Rolle eines strengen, aber treu sorgenden Familienoberhauptes zu schlüpfen. Mit all den daraus folgenden Obliegenheiten. Das bedeutet zum einen, eine klare Distanz gegenüber den Untergebenen zu halten. Für den Wachmann hätte in diesem Sinne ein dezentes Zunicken völlig gereicht. Zum anderen muss der Chef aber zugleich ein offenes Ohr für die Anliegen seiner Untergebenen haben.
Martin hätte also zumindest eine generelle Aufgeschlossenheit für die Probleme seines Mitarbeiters zeigen sollen. Ob er ihm tatsächlich helfen kann, steht auf einem anderen Blatt. Was hier primär zählt, ist der gute Wille. Ein harsches und vor allem öffentliches Maßregeln eines Mitarbeiters ist dagegen nicht nur für den Betroffenen selbst unerträglich. Es ist ein regelrechter Anschlag auf die Gruppenharmonie. Sie erinnern sich? Konsens und Gelassenheit sind die tragenden Säulen der thailändischen Gesellschaft. Gerade als Vorgesetzter ist es das A und O, in absolut jeder Situation die Fassung zu bewahren. Eine vernünftige Reaktion hätte so ausgesehen, dass Martin Herrn Tammawong unter vier Augen und mittels unmissverständlicher Instruktionen die Möglichkeit einräumt, sein Versäumnis nachzuholen. In Thailand ist es manchmal erforderlich, Aufträge mehrmals zu erteilen. Nach einer angemessenen Frist werden diese dann normalerweise in einer ordentlichen Qualität erledigt. Diesen Vorlauf gilt es einzukalkulieren.
Das gesteigerte Harmoniebedürfnis der Thais kann aber auch ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Arbeitsleistung sein. Immer wieder mal ein geschickt platziertes Lob oder eine gut vernehmbare Anerkennung auszusprechen, kann als Motivationshilfe Wunder wirken. Und sollte der farang-Chef in seiner grenzenlosen Unwissenheit dennoch einmal die Harmoniebalance aus den Angeln gehoben haben, so hilft es, einen netten Betriebsausflug oder einen ausgiebigen Restaurantbesuch zu veranstalten. Denn das ist in jedem Fall sanuk und hilft dabei, ein Wir-Gefühl herzustellen, das die Thais über alle Maßen schätzen.
TIGERWIRTSCHAFT – VIEL MEHR ALS REIS UND STRÄNDE
Thailand hat seit den 1970er-Jahren einen imposanten ökonomischen Aufstieg erlebt. Dabei hat sich das Land schrittweise von einem Agrarland zu einem industrialisierten Schwellenland gemausert. Thailands Außenwahrnehmung, die noch stark vom Bild eines attraktiven Ferienziels geprägt ist, hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. So ist die Überraschung meist groß, wenn etwa bekannt wird, dass Thailand 2017 auf Rang 12 der weltweit größten Standorte zur Automobilherstellung stand. Um diese Erfolgsgeschichte fortschreiben zu können, soll künftig die Elektromobilität gezielt gefördert werden. 2018 lag das Jahreseinkommen pro Kopf bei umgerechnet rund 7.200 US-Dollar. Bis 2020 soll es weiter auf 8.500 US-Dollar ansteigen. Damit steht Thailand bei den Einkommen in Südostasien hinter Singapur, Brunei und Malaysia an vierter Stelle.
Anders als die meisten asiatischen Staaten, die sich zumindest grob an den Wirtschaftsmodellen der früheren kolonialen Herrscher orientieren konnten, musste Thailand seinen eigenen Entwicklungsweg finden. Schon in den 1950er-Jahren zeigte sich das Land offen für Investitionen aus dem Ausland, wobei man speziell von Ansiedlungen japanischer Konzerne wie Toyota und Mitsubishi profitierte. Dabei setzte Thailand von Anfang an stark auf Exporte: Wurden zuerst Nahrungsmittel und Rohstoffe ausgeführt, kamen später Textilien, Konsumgüter und Elektronik hinzu. Der Sprung zum Tigerstaat gelang in den 1990er-Jahren noch nicht, weil das wirtschaftspolitische Umfeld mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten hatte und exzessiv ungesicherte Kredite an »Freundesfreunde« vergeben wurden.
1997 war Thailand Ausgangspunkt der Asienkrise, die das Land herb getroffen hat. Ab der Jahrtausendwende konnte dann wieder an alte Erfolge angeknüpft werden. Unter Premier Thaksin Shinawatra spielte der Staat eine aktivere Rolle im Wirtschaftsgeschehen (Thaksinomics), und es wurde ein stärkeres Augenmerk auf den Binnenkonsum und die vernachlässigten ländlichen Gebiete gelegt. Der übergroße Teil der Wirtschaftsleistung wird jedoch wie eh und je im erweiterten Großraum Bangkok und dabei vornehmlich entlang des südöstlich von Bangkok gelegenen Eastern Seaboard erbracht.
Dieser einseitige Fokus wird sich künftig weiter zuspitzen. Denn Thailand steht aktuell vor der Herausforderung, den Sprung auf die nächsten Wertschöpfungsstufen zu vollziehen und den Großkomplex Digitalisierung in Angriff zu nehmen. Dafür hat die Regierung diverse Reformprogramme lanciert und einen umfangreichen Ausbau der Infrastruktur auf den Weg gebracht. Das Kernprojekt ist die Errichtung eines »Östlichen Wirtschaftskorridors« im Eastern Seaboard. Dort sollen in den Provinzen Chon Buri, Rayong und Chachoengsao mit Milliarden-Investitionen »Intelligente Städte« und Produktionsstätten für Zukunftstechnologien entstehen.
Sehr leistungsstark ist weiter der Agrarsektor. Ein prominentes Beispiel ist der Agrar- und Lebensmittelkonzern Charoen Pokphand Foods (CPF), der mit dem unbescheidenen Slogan »Kitchen of the World« wirbt. Die Firma ist einer der weltweit größten Hersteller von Futtermitteln und führt eine gigantische Hühner-, Garnelen- und Schweinewirtschaft. Darüber hinaus versucht CPF den Thais die Vorzüge von Fertiggerichten nahezubringen und führt als Franchisenehmer die im Land sehr populäre Kentucky-Fried-Chicken-Kette mit – Stand Dezember 2018 – inzwischen 700 Filialen.
Eine enorm wichtige Devisenquelle ist ferner der Tourismus. Er steht für rund 10 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes und verzeichnete in den letzten Jahren in Serie neue Besucherrekorde. Das galt auch für 2018, als 38,3 Millionen Personen das Königreich besuchten. Da in Zukunft v. a. noch mehr Chinesen und auch Inder andere Länder erkunden werden, dürfte sich der Stellenwert der thailändischen Ferienindustrie weiter erhöhen. Für 2030 ist die Zahl von dann sage und schreibe 60 Millionen Besuchern im Umlauf. Um den Andrang auffangen zu können, wird auch der südlich von Pattaya gelegene Flughafen U-Tapao ausgebaut.
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Es ist ein herrlicher sonnenüberfluteter Dienstagmorgen. Nach heftigen nächtlichen Regengüssen ist die Luft fast so klar und frisch wie in einem Kurort in den Bergen. Susanne trifft ihre Nachbarin Patchari mit deren dreijähriger Tochter Oraya auf dem Arm im kleinen Vorgarten des Apartmentkomplexes, wo die beiden Bienen bei der Arbeit an einem üppigen rot-violetten Bougainvillea-Strauch beobachten. Zwischen den Büschen lauert geduckt eine schwarz-weiße Katze mit blitzenden Augen und angelegten Ohren. Ameisenkarawanen verrichten