Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel Muller

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Fettnäpfchenführer Thailand - Daniel  Muller Fettnäpfchenführer

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mit Pflichten und Vorschriften nicht ganz so haargenau, und eine gewisse Tendenz zum Müßiggang ist den Thais nicht fremd. Zudem suchen sie auch dann schonungslos ihr Vergnügen, wenn sie es sich eigentlich gar nicht leisten können, mit entsprechend verheerenden Konsequenzen für die Haushaltskasse. Die logische Folge: Viele Thais schrammen mit einer traumwandlerischen Sicherheit die Grenze zur Privatinsolvenz. Die enorme Verschuldung der Privathaushalte, die zu den höchsten in ganz Asien gehört, stellt sogar ein ernsthaftes volkswirtschaftliches Problem dar, da immer mehr Thais große Probleme haben, ihre Kredite zu begleichen.

      Zu den stilistischen Lässigkeiten, die sich aus diesem entspannten Daseinskonzept ergeben, gehört auch der spielerische Umgang mit Namen. Es ist allgemein üblich, sich neben seinem normalen Rufauch einen Spitznamen zuzulegen. Abgesehen von sehr förmlichen Anlässen benutzen Thais beim Kontakt untereinander in der Regel ihren tschüü len (Spielnamen). Da die Thais ihre Spielnamen durchaus ernst nehmen, waren Lisas mittelgroßer Lachanfall und Susannes Gymnastiknummer ein nicht eben freundlicher Willkommensgruß. Verständlich, dass »Herr Charlie« not amused war.

      Bei der Wahl der Spielnamen sind, wie es sich für Berufsindividualisten gehört, der Fantasie absolut keine Grenzen gesetzt. Dabei können völlig willkürliche englische Worte wie yes oder no oder Abkürzungen wie Bo (von »Jumbo«) verwendet werden. Oft haben sie aber eine tiefere Bedeutung und verweisen etwa auf als erstrebenswert angesehene Charakterzüge.

      Nachnamen waren in Thailand lange unbekannt. Sie wurden von den Behörden erst 1926 eingeführt, um die Verwaltung zu vereinfachen. Diese fehlende Tradition zeigt sich auch heute noch darin, dass man sich untereinander – und auch Ausländer, die in Thailand unter der Sammelbezeichnung farang laufen – mit dem Vornamen anspricht. Die thailändischen Nachnamen sind übrigens häufig sehr lang, weil sie aus verschiedenen Wörtern kombiniert werden.

       FARANG – ALLE AUSLÄNDER SIND FRANZOSEN

      Thais bezeichnen ausnahmslos alle westlichen Ausländer als farang. Es handelt sich hierbei vermutlich um eine abgewandelte Form des Wortes français. Die Franzosen waren die ersten Europäer, die nach Thailand kamen und in den benachbarten Ländern Indochinas (Vietnam, Kambodscha, Laos) Kolonien errichteten. So war es wohl für die Thais offenbar aus Gründen der Einfachheit naheliegend, alle Fremden unter diesem arg gleichmacherischen Begriff zu bündeln. Mit irgendwelchen Haarspaltereien, etwa damit, dass man doch Deutscher sei und mit den Médoc- und Roquefort-Enthusiasten nicht so wahnsinnig viel gemeinsam habe, braucht man den Thais nicht zu kommen. Man ist nicht von hier, ergo ein Ausländer, und damit hat es sein Bewenden.

      Eine andere Theorie besagt, dass der Begriff von der ursprünglich aus Südamerika stammenden Guavenfrucht abgeleitet wurde, die bei den Thais ebenfalls farang heißt. Aber Theorien sind ja bekanntlich v. a. etwas für Theoretiker. Und außerdem ist die erste Variante irgendwie schöner, oder nicht? Na dann: Santé!

       Wie geht es entspannter?

      Eigentlich ist es nicht sonderlich kompliziert: Es gibt eine Reihe von Eigentümlichkeiten anderer Völkerschaften, über die sollte man schlicht und ergreifend Bescheid wissen. Besonders dann, wenn man für längere Zeit seine Zelte im Ausland aufschlagen will, ist es mehr als vorteilhaft, diesbezügliche Erkundungen einzuholen. Halbwegs sattelfeste Grundlagenkenntnisse über die herausstechendsten Kuriositäten, Stolperfallen und kulturellen Tretminen des Gastlandes helfen eminent dabei, lauernde Fauxpas-Gruben geschickt zu überspringen. Der Sinn der Übung: Es geht darum, sich – und anderen – nicht unnötig das Leben schwer zu machen. Gewusst wie, spart Energie! Ein vergleichsweise harmloses Beispiel hierfür ist die Spitznamen-Marotte der Thais. Als Faustformel kann dabei gelten, dass Namensangaben, die nur aus einer Silbe bestehen, auf einen Spielnamen hindeuten. Häufig wird dabei vom regulären Namen lediglich die erste oder letzte Silbe verwendet.

      Da Thais sich manchmal Spitznamen geben, weil sie mit ihren etwas obskuren, etwa aus dem Reich der wilden Tiere stammenden Originalnamen unzufrieden sind, sollte man hier keinen detektivischen Spürsinn walten lassen und nicht endlos nachbohren. Denn dann würde ja der mühsam erdachte Parallelname seinen Charme verlieren. Vielleicht legt man sich für den Aufenthalt in Thailand ja vorübergehend auch selbst einen inspirierenden Alias-Namen zu. Etwas unübersichtlich kann es jedoch werden, wenn sich am Telefon jemand mit einem in Thailand weithin beliebten Spitznamen wie Jum, Lek, Ken oder Toy meldet und man mehrere gleichnamige Personen kennt. Dann sind gewisse ermittlungstechnische Fähigkeiten unerlässlich.

      3

       HÄNDE GEFALTET, NICHT GESCHÜTTELT

      Die unvorteilhaften Schwingungen der etwas verkorksten Vorstellungsrunde sind genauso schnell verflogen, wie sie gekommen sind. Die Thais scheinen kein nachtragendes Volk zu sein. Heiter und beschwingt geht es zum Parkplatz. Herr Srinath verstaut die Kofferkollektion der Meyers umsichtig im Kofferraum. Auf geht’s, die ersten Impressionen warten! Die Fahrt verläuft auf einer achtspurigen, auf langen Stelzen gebauten Schnellstraße in Richtung City. Beiderseits wird zwischen den haushohen, Billboards genannten Reklametafeln ein dichter Wald aus saftig-grünen Bananenstauden sichtbar. Auf den Plakaten sind attraktive junge Menschen zu sehen, die nachdrücklich auf die Vorzüge ausgewählter Sanitärartikel, Tütensuppen und Smartphones aufmerksam machen.

      »Ich frage mich, warum die Models alle so westlich aussehen, die haben ja eine fast weiße Haut«, denkt Susanne laut nach.

      »Ich glaube gelesen zu haben, dass die Thais nicht so auf Sonnenbaden stehen«, sagt Martin.

      Die in der Ferne aufragenden Wolkenkratzer Bangkoks rücken mit jeder Reifenumdrehung näher. Ratatat, ratatat, ratatat. Nach nicht allzu langer Zeit geht es von der Schnellstraße ab, zuvor ist noch eine Maut zu entrichten. Wie menschliche Roboter nehmen die Kassierer den fälligen Betrag entgegen. Jeder Handgriff sitzt, ist schon tausendmal erprobt. Und ratzfatz befindet man sich mittendrin im quirligen Großstadtdschungel.

      »Hier geht ja richtig die Post ab! Ein einziges Gewusel«, bringt Lisa die Szenerie prägnant auf den Punkt.

      Martialisch gekleidete Polizisten mit weißem OP-Mundschutz dirigieren mit gebieterischen Gesten den Verkehr. Nachtschwarz abgedunkelte und hermetisch von der Außenwelt abgeschottete Toyota-Pick-ups fädeln sich behände wie frisch geschlüpfte Kaulquappen in den Verkehr ein. Motorrad-Taxis nutzen noch die schmalste Gasse, weichen, wenn es sein muss, auf den Bürgersteig aus. Wobei von Bürgersteigen nicht so recht die Rede sein kann, da die meisten Straßen links und rechts von Warenständen, Garküchen und fliegenden Händlern flankiert werden.

       STADT DER (GEFALLENEN) ENGEL

      Bangkok lässt niemanden kalt. Hier hat man Stellung zu beziehen. In Thailands Hauptstadt findet sich so ziemlich alles, was man mag oder verachtet. Die Stadt ist wie eine charmante Mischung aus einer Streicheleinheit und einem Kinnhaken. Schönes vermählt sich mit Unansehnlichem. Die Thais benutzen für Bangkok den hübschen Namen Krung Thep, »Stadt der Engel«. Es fragt sich nur, ob sich die Himmelswächter ausgerechnet hier niederlassen würden. Zumindest würden sie wohl einen großen Bogen um die Rotlichtdistrikte mit ihren dubiosen Gewächsen machen.

      Zwölf Millionen Menschen leben im Großraum Bangkok, wobei nicht ganz klar ist, wo die Metropole eigentlich anfängt und wo sie endet. Gegensätze prägen jede Großstadt. In Bangkok ist jedoch alles eine Spur intensiver: Die Stadt ist zum einen eine gigantische Orgie aus Glas, Stahl und Beton, zum anderen finden sich auch (kleine) Refugien der

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