Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel Muller

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Fettnäpfchenführer Thailand - Daniel  Muller Fettnäpfchenführer

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Seaboard. Nachdem sie der städtischen Stress- und Stauzone entkommen sind und den Flughafen linker Hand hinter sich gelassen haben, lichtet sich die dichte Bebauung Stück für Stück und es tauchen erste Vorboten des malerischen thailändischen Dorflebens auf: stille Kanäle, umgeben von flachen Holzhäusern, die sich in harmonischer Eintracht mit der üppigen Natur üben. Alles wirkt wie ein riesiger botanischer Garten. Nur ab und zu wird das Bild durch die geometrischen Flächen der Betriebsansiedlungen unterbrochen. In ein solches Areal, das wie mit dem Lineal gezogen wirkt, biegen sie schließlich ein.

      Das Großraumbüro ist in einem schmucklosen Bau untergebracht, vor dem ein uniformierter Wächter postiert ist. Der sieht aus, als wäre er geradewegs von einer Prinzengarde aus dem Rheinland abkommandiert worden. Im strahlenden Weiß steht er da, wobei vor allem seine opulenten Schulterpolster ins Auge stechen. Neben ordentlich Ordenslametta auf der Brust hat er sich eine fast zentimeterdicke Kordelschnur um den rechten Arm gewickelt. Als Kontrast zur nüchternen Umgebung kommt er nicht schlecht. Nur wofür braucht man hier überhaupt einen Wachmann im Fantasiekostüm?

       EIN KÖNIGREICH FÜR EINE UNIFORM

      Wachmänner (jaam) sind speziell in Thailands Städten ein allgegenwärtiger Anblick. Oftmals tragen sie eine kreativ gestaltete Uniform mit einem starken Einschlag ins Militärische. Diese halboffiziellen Outfits tragen dazu bei, dass die Grenzen zwischen staatlichen und privaten Ordnungskräften für den Außenstehenden nicht immer klar ersichtlich sind. Dabei muss aus ihrer Präsenz nicht notwendigerweise geschlossen werden, dass es tatsächlich irgendetwas gäbe, was es wert wäre, beschützt zu werden. Der überwiegende Teil von ihnen wird vielmehr nur deshalb angestellt, um nach außen hin einen demonstrativen Anschein von Wichtigkeit zu erzeugen. In jedem Fall sind die thailändischen Wachmänner wahre Champions in der Disziplin des gepflegten Zeittotschlagens.

      Als Martin sich dem Gebäude nähert, hebt der Wachmann reflexartig die weiß behandschuhte Hand und salutiert, als wäre er Mitglied einer Ehrenkompanie, die ein Staatsoberhaupt willkommen heißt. Stockend bewegt sich Martin auf den Mann zu und will ihm als guter Vorgesetzter die Hand geben. Der blickt ihn verdutzt an und streckt, sehr zögerlich, ebenfalls die Hand aus. Nachdem man sich nun auf die westliche Art begrüßt hat, ist Martin mit seinem Latein am Ende und weiß nicht, wie er weiter vorgehen soll. Glücklicherweise kommt in diesem Moment Pantisa zur Tür hinaus und begrüßt ihren Chef:

      »Hallo Khun Martin!« Pantisa eilt ihm entgegen und erlöst ihn. »Gut, dass Sie schon da sind, wir wollen jetzt gleich eine Besprechung abhalten.« Seine Assistentin führt ihn in sein Büro, das einen diskreten Siebziger-Jahre-Charme versprüht.

      »Perfekt, dann trommeln Sie die Mannschaft zusammen und sorgen Sie bitte für kühle Erfrischungen für alle.«

      Zaghaft treten seine Mitarbeiter nacheinander ein und werden von Pantisa im Einzelnen vorgestellt. Als Herr Tammawong an der Reihe ist, fällt Martin spontan ein, dass er ihn noch von Deutschland aus beauftragt hat, einen geeigneten Einzelteilproduzenten für die Produktion ausfindig zu machen und erste Gespräche zu führen. Aufs Geratewohl fragt Martin ihn, ob er denn schon Vollzug melden könne.

      »Chai (Ja), Boss, eigentlich schon.«

      »Was heißt denn eigentlich«, will Martin wissen. »Haben Sie den Auftrag erledigt oder nicht?«

      »Ich habe da eine Reihe von Kandidaten im Blick, bin mir aber nicht sicher, welcher am besten zu uns passt.«

      »Und warum haben Sie dann keine weitere Rücksprache mit mir gehalten?«

      Unter größter innerer Anspannung ringt sich Herr Tammawong eine Art Entschuldigung ab und verweist darauf, dass er dachte, Martin würde sich selbst darum kümmern wollen.

      »Also, Herr Tammawong, bei allem, was recht ist, ich erwarte von meinen Mitarbeitern schon ein Mindestmaß an Eigeninitiative. Sie können doch nicht einfach untätig bleiben, wenn Sie nicht weiter wissen.«

      Na, das kann ja heiter werden, denkt Martin. Ich kann mich doch nicht um jedes Detail selbst kümmern.

      »Was haben Sie dazu zu sagen?« Martin gibt sich unerbittlich.

      Sichtlich getroffen blickt Herr Tammawong nach unten und bleibt stumm wie ein Fisch. Auch die anderen scheinen körperlich mitzuleiden und starren konzentriert auf den Boden, als suchten sie dort nach geheimen Botschaften, die irgendwie Licht auf die Sache werfen würden. Im Büro herrscht ein betretenes Schweigen wie nach einer misslungenen Theatervorführung.

      Uh, das läuft aber gar nicht gut. Was ist denn bloß mit denen los?

      Da meldet sich Herr Wichai zu Wort: »Mr. Martin, haben Sie schon entschieden, ob Sie mich zur Vorstellung meines Sohnes bei einem möglichen Arbeitgeber begleiten können?«

      Da geht Martin endgültig die Hutschnur hoch: »Aber doch nicht jetzt! Wir haben im Moment Wichtigeres zu besprechen als Ihre Privatangelegenheiten. Außerdem bin ich doch nicht Ihr Kindermädchen!«

      Nun ist die Stimmung endgültig auf den Gefrierpunkt gesunken. Sogar der gewitzten Pantisa hat es vorübergehend die Sprache verschlagen. Seine Mitarbeiter scheinen ja so dermaßen durch den Wind zu sein, da machen weitere Erörterungen einfach keinen Sinn. Martin vertagt die Besprechung. Ratlos sitzt er in seinem Büro und zerbricht sich den Kopf darüber, warum diese erste Runde derart katastrophal gelaufen ist.

       Was ist da schiefgelaufen?

      Kulturelle Eigenheiten schlagen sich in allen Lebensbereichen nieder. Da stellt auch und gerade die Arbeitswelt keinen Sonderfall dar, in der es bekanntlich besonders reglementiert zugeht. Hinzu kommt, dass man sich hier nicht einfach umdrehen und seines Weges gehen kann. Diese Einschätzung ist zwar spontan einleuchtend. Dennoch müssen die entsprechenden Verhaltensweisen in der Praxis erst mühsam erlernt werden. Anfängliche Missverständnisse lassen sich da kaum vermeiden.

      Die größte Herausforderung für eine Führungskraft in Thailand liegt darin, den kniffligen Anforderungen, die sich aus den hierarchischen Beziehungsgeflechten ergeben, gerecht zu werden. Dies gilt sowohl für das Bedürfnis nach glasklaren Ansagen als auch für die Erwartung der Untergebenen nach fürsorglichem Schutz. Mit dieser Doppelerwartung hat Martin, der flache Hierarchien gewohnt ist, seine liebe Not.

      Thais schätzen es gemeinhin, eine Rolle zugewiesen zu bekommen, bei der sie präzise wissen, was sie zu tun und zu lassen haben. Und wenn sie eines garantiert nicht mögen, dann unklare Stellenbeschreibungen. Auch bei der Übernahme von verantwortungsvollen Aufgaben stehen sie – so viel Klischee muss sein – nicht unbedingt Schlange. Diese Haltung lässt sich gut mit der Redewendung »faa suung pen din tam« umschreiben, übersetzt: »Himmel oben, Erde unten«, was sinngemäß bedeutet, dass man die Dinge dort lassen sollte, wo sie hingehören. Dies gilt nicht zuletzt auch für die einzelnen Gesellschaftsschichten. Zugleich wird erwartet, dass die nahezu bedingungslose Unterordnung mit einer umfassenden Protektion von oben vergolten wird. Insofern hat Martin einen klaren Tabubruch begangen, als er Herrn Tammawong vor versammelter Mannschaft offen kritisiert hat.

      Dies kann sich gleich in zweifacher Weise als kontraproduktiv erweisen: Zum einen wird sich nach einem solchen Affront die Arbeitsleistung des Mitarbeiters mit großer Sicherheit nicht verbessern. Zum anderen kann der erlittene Gesichtsverlust den Mitarbeiter derart mitnehmen, dass er seinem Chef langfristig sehr unfreundlich gesonnen ist. Da manche Thais unter der beherrschten Oberfläche ein leicht entzündliches Gemüt haben, sind Kurzschlussreaktionen nicht auszuschließen.

      Auch in puncto Arbeitsmoral ticken

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