Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel Muller
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DAS LÄCHELN DER THAIS
Es gibt wohl kaum eine Bezeichnung, die in Bezug auf Thailand öfter strapaziert wird als »Das Land des Lächelns«. Das ist verständlich, drängt sie sich doch für farbenfrohe Werbezwecke geradezu auf. Und sicher ist da auch eine ganze Menge dran – die Thais sind im Durchschnitt tatsächlich wesentlich frohgemuter als viele andere Nationen. Allerdings ist es von hier nur ein kurzer Schritt bis zum kitschigen Klischee. Denn natürlich leben auch die Thais nicht in einem Garten Eden, in dem ewige Glückseligkeit herrscht. Die gibt es nur in Reiseprospekten. Genau wie alle anderen Erdenbürger haben auch sie mit vielen Problemen und Alltagsnöten zu kämpfen.
Gegen die Annahme allzeit vergnügter Thais spricht schon die Beobachtung, dass sie auch dann lächeln, wenn ihnen etwas Schlechtes widerfährt und ihnen innerlich wohl eher zum Heulen zumute ist. Hieran kann man sehen, dass das Thai-Lächeln – zumindest in manchen Situationen – ein probates Mittel ist, die eigenen Gefühle nicht an die Oberfläche gelangen zu lassen. Dies wiederum ist ungemein hilfreich, wenn es darum geht, das Gesicht zu wahren und Konflikte nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Denn das sind die beiden außergewöhnlichen Stärken des Lächelns: Es wirkt deeskalierend, und es ist hochgradig ansteckend. Es bedarf insgesamt einiger Übung, die einzelnen Varianten des Thai-Lächelns trennscharf erkennen und zutreffend deuten zu können.
Wie geht es entspannter?
Lächeln, cool bleiben und – zur Sicherheit – noch mal lächeln. Am allerbesten ist es, wenn man in Thailand die Mundwinkel grundsätzlich ganz weit nach oben zieht und mit einem eingemeißelten Dauerlächeln durch die Gegend wandelt. Denn eine solche freundliche Gesichtsstellung hat einige nicht zu unterschätzende Vorzüge. So kann man elegant über Missgeschicke – die eigenen und die von anderen – hinweggehen und zudem auch einen wertvollen Beitrag zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens leisten.
Zur harmonischen Stimmungsaufhellung trägt auch ein Verfahren bei, das man »Gesicht geben« (hai naa) nennt. Dahinter verbirgt sich eine Haltung, bei der man penibel darauf achtet, andere Menschen nicht in Situationen zu bringen, in denen ein Gesichtsverlust droht. Dies sollte angesichts der geschilderten Folgewirkungen eine pure Selbstverständlichkeit sein!
Darüber hinaus ist mit »Gesicht geben« gemeint, jemand anderes aktiv in ein besonders positives Licht zu rücken, sodass dessen Prestige gemehrt und folglich seine Stellung im Kollektiv aufgewertet wird. Dies kann geschehen, indem man die Person lobt, ihr Komplimente macht, sie betont mit etwaigen Ehrentiteln anredet und ihr eine Vorzugsbehandlung gewährt. All dies kann zwischenmenschliche Beziehungen ungemein stärken und vertiefen. Jedoch sollte dies nicht zur künstlichen Lobhudelei ausarten, zumal die engen Hierarchiestufen der Thai-Gesellschaft hier ohnehin für relativ enge Grenzen sorgen (mehr dazu in Kapitel 3: »Hände gefaltet, nicht geschüttelt«). Ab einem gewissen Punkt wirken unangemessene Ehrbezeugungen bestenfalls nur noch komisch. Letztlich geht es im Kern darum, den Thais Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen – und dies auch zu zeigen.
Der Aspekt der gegenseitigen Rücksichtnahme spielt in Thailand eine so prominente Rolle, dass dafür eigens eine ausgeklügelte Lehre geschaffen wurde, die einen Ausgleich zwischen dem Recht des Einzelnen auf eine freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (sabai jai) und dem Bedürfnis der Gemeinschaft nach sozialer Harmonie (greng jai) ermöglicht. Letzteres wird vor allem dadurch erreicht, dass man sich mit Forderungen anderen gegenüber zurückhält. Und wenn alle sich ein wenig zurücknehmen, löst dies eine nette Kettenreaktion von Harmonie, Freude und Wohlbefinden aus. Bei einer Kaufhaussituation, wie sie Susanne erlebt hat, bleibt einem vorbildlichen Landesgast nicht viel mehr übrig, als gute Miene zum anstrengenden Spiel zu machen. Außer vielleicht, so lange heftig zu lächeln, bis die Verkäuferin irgendwann die eigentliche Botschaft versteht.
Zu guter Letzt soll an dieser Stelle noch auf die restlos positiven gesundheitlichen Folgen des Lächelns und seines großen Bruders – des Lachens – hingewiesen werden: Probieren Sie es aus! Nähere Auskünfte hierzu erteilen Ihnen gern die Bürger des Königreichs Thailand.
5
HIMMEL OBEN, ERDE UNTEN
ODER CHEF SEIN IST NICHT LEICHT
Morgens halb acht in Bangkok. Martin ist ziemlich aufgeregt, schließlich ist der erste Eindruck, den man am neuen Arbeitsplatz hinterlässt, sehr wichtig. Im Meyerschen Apartment herrscht der normale morgendliche Aufruhr. Madame Sopapun hat der Familie diesmal khaot tom kung lae kai (Reissuppe mit Garnelen und Huhn) zum Frühstück vorgesetzt.
»Aber das kann man doch nicht früh morgens essen!«, protestiert Lisa.
»Das ist doch besser als euer ewiger Toast und gibt außerdem eine gute Basis für den Tag.« Die Haushälterin lässt keinen Widerspruch zu.
Auch Martin und Susanne sind nicht gerade begeistert, bemühen sich aber redlich, der ungewohnten Morgenmahlzeit etwas abzugewinnen, und bedeuten ihrer Tochter, dasselbe zu tun. Da klingelt Martins Mobiltelefon. Dankbar für den Vorwand schiebt Martin seine Suppenschüssel beiseite.
»Sawadee kha Mr. Martin, hier ist Pantisa, Ihre Assistentin. Ich hatte mich Ihnen schon per E-Mail vorgestellt.«
»Sawadee khrap Pantisa. Sabai die mai (Wie geht es Ihnen)?«
HÖFLICHKEITSFORMEN FÜR SIE UND IHN
Höflichkeit ist eine Zier. Oft reichen da ein paar Buchstaben, um eine Sache in einem deutlich angenehmeren Licht erscheinen zu lassen. Im Thailändischen gibt es hierfür zwei zentrale Silben, die eigentlich ein und dasselbe meinen, von denen eine jedoch von Frauen, die andere von Männern gebraucht wird: Eine Frau, die besonders freundlich sein möchte, hängt an einen Satz einfach ein kha an. Demgegenüber fügt ein höflicher Mann stets ein khrap an.
»Sabai die (Mir geht es gut). Schön, dass Sie schon so gut Thai können. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass wir ein Auto mit Fahrer für Sie organisiert haben. Er wird Sie dann nachher abholen, es ist ein schöner BMW.«
»Na ja, ich kann bislang eigentlich nur ein paar Phrasen auf Thai. Und ein Fahrer ist nicht nötig, ich habe mir schon ein Taxi bestellt.«
»Aber Mr. Martin, Sie sind doch der Boss! Da brauchen Sie schon ein vorzeigbares Gefährt!«
Mit dem Hinweis, dass er in Deutschland für gewöhnlich mit der U-Bahn zur Arbeit fährt, lehnt Martin dankend ab. Ich werde doch hier nicht damit anfangen, einen auf neureich zu machen!, denkt er.
Im Hintergrund hat sich Lisa eine Tüte Marshmallows aus dem Schrank gefischt und versenkt einige davon in hohem Bogen in ihrer Reissuppe.
»Aber hier in Thailand kann der Chef nicht mit dem Bus fahren, sonst denken doch alle, wir hätten kein Geld! Und wollen keine Geschäfte mit uns machen«, lässt seine neue Assistentin nicht locker. Nach einigem Hin und Her willigt Martin schließlich ein, sich im Premiumsegment in die Firma chauffieren zu lassen. Mein Gott sind die aber ehrpusselig, überlegt er sich während der Fahrt in der geräumigen Limousine und streckt entspannt seine Beine aus. Wobei, das ist tatsächlich gar nicht so