Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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um. „Ich bin doch schon entlassen“, sagte Karl und meinte damit, daß ihm im Hotel niemand mehr etwas zu befehlen habe. „Solange ich Dich halte bist Du nicht entlassen“, sagte der Portier, was allerdings auch richtig war.

      Karl fand schließlich auch keine Ursache, warum er sich gegen den Portier wehren sollte. Was konnte ihm denn auch im Grunde noch geschehn? Überdies bestanden die Wände der Portiersloge ausschließlich aus ungeheueren Glasscheiben, durch die man die Menge der im Vestibul gegeneinanderströmenden Menschen deutlich sah, als wäre man mitten unter ihnen. Ja es schien in der ganzen Portierloge keinen Winkel zu geben, in dem man sich vor den Augen der Leute verbergen konnte. So eilig es dort draußen die Leute zu haben schienen, denn mit ausgestrecktem Arm, mit gesenktem Kopf, mit spähenden Augen, mit hochgehaltenen Gepäckstücken suchten sie ihren Weg, so versäumte doch kaum einer einen Blick in die Portiersloge zu werfen, denn hinter deren Scheiben waren immer Ankündigungen und Nachrichten ausgehängt, die sowohl für die Gäste als für das Hotelpersonal Wichtigkeit hatten. Außerdem aber bestand noch ein unmittelbarer Verkehr der Portiersloge mit dem Vestibul, denn an zwei großen Schiebefenstern saßen zwei Unterportiere und waren unaufhörlich damit beschäftigt Auskünfte in den verschiedensten Angelegenheiten zu erteilen. Das waren geradezu überbürdete Leute und Karl hätte behaupten wollen, daß der Oberportier, wie er ihn kannte, sich in seiner Laufbahn um diese Posten herumgewunden hatte. Diese zwei Auskunftserteiler hatten – von außen konnte man sich das nicht richtig vorstellen – in der Öffnung des Fensters immer zumindest zehn fragende Gesichter vor sich. Unter diesen zehn Fragern die immerfort wechselten war oft ein Durcheinander von Sprachen, als sei jeder einzelne von einem andern Lande abgesendet. Immer fragten einige gleichzeitig, immer redeten außerdem einzelne untereinander. Die meisten wollten etwas aus der Portiersloge holen oder etwas dort abgeben, so sah man immer auch ungeduldig fuchtelnde Hände aus dem Gedränge ragen. Einmal hatte einer ein Begehren wegen irgendeiner Zeitung, die sich unversehens von der Höhe aus entfaltete und für einen Augenblick alle Gesichter verhüllte. Allem diesen mußten nun die zwei Unterportiere standhalten. Bloßes Reden hätte für ihre Aufgabe nicht genügt, sie plapperten, besonders der eine, ein düsterer Mann mit einem das ganze Gesicht umgebenden dunklen Bart, gab die Auskünfte ohne die geringste Unterbrechung. Er sah weder auf die Tischplatte, wo er fortwährend Handreichungen auszuführen hatte, noch auf das Gesicht dieses oder jenes Fragers, sondern ausschließlich starr vor sich, offenbar um seine Kräfte zu sparen und zu sammeln. Übrigens störte wohl sein Bart ein wenig die Verständlichkeit seiner Rede und Karl konnte in dem Weilchen, während dessen er bei ihm stehen blieb, sehr wenig von dem Gesagten auffassen, wenn es auch möglicherweise trotz des englischen Beiklanges gerade fremde Sprachen waren, die er gebrauchen mußte. Außerdem beirrte es daß sich eine Auskunft so knapp an die andere anschloß und in sie übergieng, so daß oft noch ein Frager mit gespanntem Gesicht zuhorchte, da er glaubte, es gehe noch um seine Sache, um erst nach einem Weilchen zu merken, daß er schon erledigt war. Gewöhnen mußte man sich auch daran, daß der Unterportier niemals bat, eine Frage zu wiederholen, selbst wenn sie im Ganzen verständlich und nur ein wenig undeutlich gestellt war, ein kaum merkliches Kopfschütteln verriet dann, daß er nicht die Absicht habe, diese Frage zu beantworten und es war Sache des Fragestellers, seinen eigenen Fehler zu erkennen und die Frage besser zu formulieren. Besonders damit verbrachten manche Leute sehr lange Zeit vor dem Schalter. Zur Unterstützung der Unterportiere war jedem ein Laufbursche beigegeben, der im gestreckten Lauf von einem Bücherregal und aus verschiedenen Kästen alles beizubringen hatte was der Unterportier gerade benötigte. Das waren die bestbezahlten wenn auch anstrengendsten Posten, die es im Hotel für ganz junge Leute gab, in gewissem Sinne waren sie auch noch ärger daran als die Unterportiere, denn diese hatten bloß nachzudenken und zu reden, während diese jungen Leute gleichzeitig nachdenken und laufen mußten. Brachten sie einmal etwas unrichtiges herbei, so konnte sich natürlich der Unterportier in der Eile nicht damit aufhalten, ihnen lange Belehrungen zu geben, er warf vielmehr einfach das, was sie ihm auf den Tisch legten, mit einem Ruck vom Tisch herunter. Sehr interessant war die Ablösung der Unterportiere, die gerade kurz nach dem Eintritt Karls stattfand. Eine solche Ablösung mußte natürlich wenigstens während des Tages öfters stattfinden, denn es gab wohl kaum einen Menschen, der es länger als eine Stunde hinter dem Schalter ausgehalten hätte. Zur Ablösungszeit ertönte nun eine Glocke und gleichzeitig traten aus einer Seitentüre die zwei Unterportiere, die jetzt an die Reihe kommen sollten, jeder von seinem Laufjungen gefolgt. Sie stellten sich vorläufig untätig beim Schalter auf und betrachteten ein Weilchen die Leute draußen, um festzustellen, in welchem Stadium sich gerade die augenblickliche Fragebeantwortung befand. Schien ihnen der Augenblick passend, um einzugreifen, klopften sie dem abzulösenden Unterportier auf die Schulter, der, trotzdem er sich bisher um nichts, was hinter seinem Rücken vorgieng, gekümmert hatte, sofort verstand und seinen Platz freimachte. Das ganze gieng so rasch, daß es oft die Leute draußen überraschte und sie aus Schrecken über das so plötzlich vor ihnen auftauchende neue Gesicht fast zurückwichen. Die abgelösten zwei Männer streckten sich und begossen dann über zwei bereitstehenden Waschbecken ihre heißen Köpfe, die abgelösten Laufjungen durften sich aber noch nicht strecken, sondern hatten noch ein Weilchen damit zu tun, die während ihrer Dienststunden auf den Boden geworfenen Gegenstände aufzuheben und an ihren Platz zu legen.

      Alles dieses hatte Karl mit der angespanntesten Aufmerksamkeit in wenigen Augenblicken in sich aufgenommen und mit leichten Kopfschmerzen folgte er still dem Oberportier der ihn weiterführte. Offenbar hatte auch der Oberportier den großen Eindruck beobachtet, den diese Art der Auskunftserteilung auf Karl gemacht hatte, und er riß plötzlich an Karls Hand und sagte: „Siehst Du, so wird hier gearbeitet.“ Karl hatte ja allerdings hier im Hotel nicht gefaulenzt, aber von solcher Arbeit hatte er doch keine Ahnung gehabt, und fast völlig daran vergessend, daß der Oberportier sein großer Feind war, sah er zu ihm auf und nickte stumm und anerkennend mit dem Kopf. Das schien dem Oberportier aber wieder eine Überschätzung der Unterportiere und vielleicht eine Unhöflichkeit gegenüber seiner Person zu sein, denn, als hätte er Karl zum Narren gehalten, rief er ohne Besorgnis, daß man ihn hören könnte: „Natürlich ist dieses hier die dümmste Arbeit im ganzen Hotel; wenn man eine Stunde zugehört hat, kennt man so ziemlich alle Fragen die gestellt werden und den Rest braucht man ja nicht zu beantworten. Wenn Du nicht frech und ungezogen gewesen wärest, wenn Du nicht gelogen, gelumpt, gesoffen und gestohlen hättest, hätte ich Dich vielleicht bei so einem Fenster anstellen können, denn dazu kann ich ausschließlich nur vernagelte Köpfe brauchen.“ Karl überhörte gänzlich die Beschimpfung soweit sie ihn betraf, so sehr war er darüber empört, daß die ehrliche und schwere Arbeit der Unterportiere, statt anerkannt zu werden, verhöhnt wurde, und überdies verhöhnt von einem Mann, der, wenn er es gewagt hätte sich einmal zu einem solchen Schalter zu setzen, gewiß nach paar Minuten unter dem Gelächter aller Frager hätte abziehn müssen. „Lassen Sie mich“, sagte Karl, seine Neugierde inbetreff der Portierloge war bis zum Übermaß gestillt, „ich will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben.“ „Das genügt nicht, um fortzukommen“, sagte der Oberportier, drückte Karls Arme, daß dieser sie gar nicht rühren konnte und trug ihn förmlich an das andere Ende der Portiersloge. Sahen die Leute draußen diese Gewalttätigkeit des Oberportiers nicht? Oder wenn sie sie sahen, wie faßten sie sie denn auf, daß keiner sich darüber aufhielt, daß niemand wenigstens an die Scheibe klopfte, um dem Oberportier zu zeigen, daß er beobachtet werde und nicht nach seinem Gutdünken mit Karl verfahren dürfe.

      Aber bald hatte Karl auch keine Hoffnung mehr vom Vestibul aus Hilfe zu bekommen, denn der Oberportier griff an eine Schnur und über den Scheiben der halben Portiersloge zogen sich im Fluge bis in die letzte Höhe schwarze Vorhänge zusammen. Auch in diesem Teil der Portierloge waren ja Menschen, aber alle in voller Arbeit und ohne Ohr und Auge für alles, was nicht mit ihrer Arbeit zusammenhieng. Außerdem waren sie ganz vom Oberportier abhängig, und hätten statt Karl zu helfen, lieber geholfen alles zu verbergen, was auch dem Oberportier einfallen sollte zu tun. Da waren z. B. sechs Unterportiere bei sechs Telephonen. Die Anordnung war wie man gleich bemerkte, so getroffen, daß immer einer bloß Gespräche aufnahm, während sein Nachbar, nach den vom ersten empfangenen Notizen die Aufträge telephonisch weiterleitete. Es waren dies jene neuesten Telephone, für die keine Telephonzellen nötig waren, denn das Glockenläuten war nicht lauter als ein Zirpen, man konnte in das Telephon mit Flüstern hineinsprechen

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