Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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in der Telephonmuschel, während die drei andern wie betäubt von dem auf sie herandringenden, für die Umgebung im übrigen unhörbaren Lärm die Köpfe auf das Papier sinken ließen, das zu beschreiben ihre Aufgabe war. Wieder stand auch hier neben jedem der drei Sprecher ein Junge zur Hilfeleistung; diese drei Jungen taten nichts anderes als abwechselnd den Kopf horchend zu ihrem Herrn strecken und dann eilig als würden sie gestochen in riesigen gelben Büchern – die umschlagenden Blättermassen überrauschten bei weitem jedes Geräusch der Telephone – die Telephonnummern herauszusuchen.

      Karl konnte sich tatsächlich nicht enthalten, alles das genau zu verfolgen, trotzdem der Oberportier, der sich gesetzt hatte, ihn in einer Art Umklammerung vor sich hinhielt. „Es ist meine Pflicht“, sagte der Oberportier und schüttelte Karl, als wolle er nur erreichen, daß dieser ihm sein Gesicht zuwende, „das was der Oberkellner aus welchen Gründen immer versäumt hat, im Namen der Hoteldirektion wenigstens ein wenig nachzuholen. So tritt hier immer jeder für den andern ein. Ohne das wäre ein so großer Betrieb undenkbar. Du willst vielleicht sagen, daß ich nicht Dein unmittelbarer Vorgesetzter bin, nun desto schöner ist es von mir, daß ich mich dieser sonst verlassenen Sache annehme. Im übrigen bin ich in gewissem Sinne als Oberportier über alle gesetzt, denn mir unterstehn doch alle Tore des Hotels, also dieses Haupttor, die drei Mittel- und die zehn Nebentore, von den unzähligen Türchen und türlosen Ausgängen gar nicht zu reden. Natürlich haben mir alle in Betracht kommenden Bedienungsmannschaften unbedingt zu gehorchen. Gegenüber diesen großen Ehren habe ich natürlich anderseits vor der Hoteldirektion die Verpflichtung niemanden herauszulassen, der nur im geringsten verdächtig ist. Gerade Du aber kommst mir, weil es mir so beliebt sogar stark verdächtig vor.“ Und vor Freude darüber hob er die Hände und ließ sie wieder stark zurückschlagen, daß es klatschte und wehtat. „Es ist möglich“, fügte er hinzu und unterhielt sich dabei königlich, „daß Du bei einem andern Ausgang unbemerkt herausgekommen wärest, denn Du standst mir natürlich nicht dafür, besondere Anweisungen Deinetwegen ergehen zu lassen. Aber da Du nun einmal hier bist, will ich Dich genießen. Im übrigen habe ich nicht daran gezweifelt, daß Du das Rendezvous, das wir uns beim Haupttor gegeben hatten auch einhalten wirst, denn das ist eine Regel, daß der Freche und Unfolgsame gerade dort und dann mit seinen Lastern aufhört, wo es ihm schadet. Du wirst das an Dir selbst gewiß noch oft beobachten können.“

      „Glauben Sie nicht“, sagte Karl und atmete den eigentümlich dumpfen Geruch ein, der vom Oberportier ausgieng und den er erst hier, wo er so lange in seiner nächsten Nähe stand, bemerkte, „glauben Sie nicht“, sagte er, „daß ich vollständig in Ihrer Gewalt bin, ich kann ja schreien.“ „Und ich kann Dir den Mund stopfen“, sagte der Oberportier ebenso ruhig und schnell, wie er es wohl nötigenfalls auszuführen gedachte. „Und meinst Du denn wirklich, wenn man Deinetwegen hereinkommen sollte, es würde sich jemand finden der Dir Recht geben würde, mir dem Oberportier gegenüber. Du siehst also wohl den Unsinn Deiner Hoffnungen ein. Weißt Du, wie Du noch in der Uniform warst, da hast Du ja tatsächlich noch etwas beachtenswert ausgesehn, aber in diesem Anzug, der tatsächlich nur in Europa möglich ist.“ Und er zerrte an den verschiedensten Stellen des Anzugs, der jetzt allerdings, trotzdem er vor fünf Monaten noch fast neu gewesen war, abgenützt, faltig, vor allem aber fleckig war, was hauptsächlich auf die Rücksichtslosigkeit der Liftjungen zurückzuführen war, die jeden Tag, um den Saalboden dem allgemeinen Befehl gemäß, glatt und staubfrei zu erhalten, aus Faulheit keine eigentliche Reinigung vornahmen, sondern mit irgendeinem Öl den Boden sprengten und damit gleichzeitig alle Kleider auf den Kleiderständern schändlich bespritzten. Nun konnte man seine Kleider aufheben, wo man wollte, immer fand sich einer, der gerade seine Kleider nicht bei der Hand hatte, dagegen die versteckten fremden Kleider mit Leichtigkeit fand und sich ausborgte. Und womöglich war dieser eine gerade derjenige, der an diesem Tage die Saalreinigung vorzunehmen hatte und der dann die Kleider nicht nur mit dem Öl bespritzte, sondern vollständig von oben bis unten begoß. Nur Renell hatte seine kostbaren Kleider an irgendeinem geheimen Orte versteckt, von wo sie kaum jemals einer hervorgezogen hatte, zumal ja auch niemand vielleicht aus Bosheit oder Geiz fremde Kleider sich ausborgte, sondern aus bloßer Eile und Nachlässigkeit dort nahm, wo er sie fand. Aber selbst auf Renells Kleid war mitten auf dem Rücken ein kreisrunder rötlicher Ölfleck und in der Stadt hätte ein Kenner an diesem Fleck selbst in diesem eleganten jungen Mann den Liftjungen feststellen können.

      Und Karl sagte sich bei diesen Erinnerungen daß er auch als Liftjunge genug gelitten hatte und daß doch alles vergebens gewesen war, denn nun war dieser Liftjungendienst nicht wie er gehofft hatte, eine Vorstufe zu besserer Anstellung gewesen, vielmehr war er jetzt noch tiefer herabgedrückt worden und sogar sehr nahe an das Gefängnis geraten. Überdies wurde er jetzt noch vom Oberportier festgehalten der wohl darüber nachdachte, wie er Karl noch weiter beschämen könne. Und völlig daran vergessend, daß der Oberportier durchaus nicht der Mann war, der sich vielleicht überzeugen ließ, rief Karl, während er sich mit der gerade freien Hand mehrmals gegen die Stirn schlug: „Und wenn ich Sie wirklich nicht gegrüßt haben sollte, wie kann denn ein erwachsener Mensch wegen eines unterlassenen Grußes so rachsüchtig werden!“

      „Ich bin nicht rachsüchtig“, sagte der Oberportier, „ich will nur Deine Taschen durchsuchen. Ich bin zwar überzeugt daß ich nichts finden werde, denn Du wirst wohl so vorsichtig gewesen sein und Deinen Freund alles allmählich, jeden Tag etwas, haben wegschleppen lassen. Aber durchsucht worden mußt Du sein.“ Und schon griff er in eine von Karls Rocktaschen mit solcher Gewalt, daß die seitlichen Nähte platzten. „Da ist also schon nichts“, sagte er und überklaubte in seiner Hand den Inhalt dieser Tasche, einen Reklamkalender des Hotels, ein Blatt mit einer Aufgabe aus kaufmännischer Korrespondenz, einige Rock- und Hosenknöpfe, die Visitkarte der Oberköchin, einen Polierstift für die Nägel, den ihm einmal ein Gast beim Kofferpacken zugeworfen hatte, einen alten Taschenspiegel, den ihm Rennel zum Dank für vielleicht zehn Vertretungen im Dienste geschenkt hatte und noch paar Kleinigkeiten. „Das ist also nichts“, wiederholte der Oberportier und warf alles unter die Bank, als sei es selbstverständlich, daß das Eigentum Karls, soweit es nicht gestohlen war, unter die Bank gehöre. „Jetzt ist aber genug“, sagte sich Karl – sein Gesicht mußte glühend rot sein – und als der Oberportier durch die Gier unvorsichtig gemacht, in Karls zweiter Tasche herumgrub, fuhr Karl mit einem Ruck aus den Ärmeln heraus, stieß im ersten noch unbeherrschten Sprung einen Unterportier ziemlich stark gegen seinen Apparat, lief durch die schwüle Luft eigentlich langsamer als er beabsichtigt hatte zur Tür, war aber glücklich draußen, ehe der Oberportier in seinem schweren Mantel sich auch nur hatte erheben können. Die Organisation des Wachdienstes mußte doch nicht so mustergültig sein, es läutete zwar auf einigen Seiten, aber Gott weiß zu welchen Zwecken, Hotelangestellte giengen zwar im Torgang in solcher Anzahl kreuz und quer, daß man fast daran denken konnte, sie wollten in unauffälliger Weise den Ausgang unmöglich machen, denn viel sonstigen Sinn konnte man in diesem Hin- und Hergehn nicht erkennen – jedenfalls kam Karl bald ins Freie, mußte aber noch das Hoteltrottoir entlang gehn, denn zur Straße konnte man nicht gelangen, da eine ununterbrochene Reihe von Automobilen stockend sich am Haupttor vorbeibewegte. Diese Automobile waren, um nur so bald als möglich zu ihrer Herrschaft zu kommen, geradezu ineinandergefahren, jedes wurde vom nachfolgenden vorwärtsgeschoben. Fußgänger, die es besonders eilig hatten auf die Straße zu gelangen, stiegen zwar hie und da durch die einzelnen Automobile hindurch, als sei dort ein öffentlicher Durchgang und es war ihnen ganz gleichgültig, ob im Automobil nur der Chauffeur und die Dienerschaft saß oder auch die vornehmsten Leute. Ein solches Benehmen schien aber Karl doch übertrieben und man mußte sich wohl in den Verhältnissen schon auskennen, um das zu wagen, wie leicht konnte er an ein Automobil geraten, dessen Insassen das übelnahmen, ihn hinunterwarfen und einen Skandal veranlaßten und nichts hatte er als ein entlaufener, verdächtiger Hotelangestellter in Hemdärmeln mehr zu fürchten. Schließlich konnte ja die Reihe der Automobile nicht in Ewigkeit so fortgehn und er war auch, solange er sich ans Hotel hielt, eigentlich am unverdächtigsten. Tatsächlich gelangte Karl endlich an eine Stelle wo die Automobilreihe zwar nicht aufhörte, aber zur Straße hin abbog und lockerer wurde. Gerade wollte er in den Verkehr der Straße schlüpfen, in dem wohl noch viel verdächtiger aussehende Leute als er war, frei herumliefen, da hörte er in der Nähe seinen Namen rufen. Er wandte sich um und sah wie

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