Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house страница 108

Автор:
Серия:
Издательство:
Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

Скачать книгу

der Chauffeur hier will noch eine Nachzahlung zum Fahrtgeld, das ich schon bezahlt habe. Und jetzt gehe ich. Guten Tag.“ „Du gehst nicht“, sagte Delamarche. „Ich habe es ihm auch schon gesagt“, meldete sich Robinson aus dem Wagen. „Ich gehe doch“, sagte Karl und machte ein paar Schritte. Aber Delamarche war schon hinter ihm und schob ihn mit Gewalt zurück. „Ich sage, Du bleibst“, rief er. „Aber laßt mich doch“, sagte Karl und machte sich bereit, wenn es nötig sein sollte, mit den Fäusten sich die Freiheit zu verschaffen, so wenig Aussicht auf Erfolg gegenüber einem Mann wie Delamarche auch war. Aber da stand doch der Polizeimann, da war der Chauffeur, hie und da giengen Arbeitergruppen durch die sonst freilich ruhige Straße, würde man es denn dulden daß ihm von Delamarche ein Unrecht geschehe? In einem Zimmer hätte er mit ihm nicht allein sein wollen, aber hier? Delamarche zahlte jetzt ruhig dem Chauffeur, der unter vielen Verbeugungen den unverdient großen Betrag einsteckte und aus Dankbarkeit zu Robinson gieng und mit diesem offenbar darüber sprach, wie er am besten herausbefördert werden könnte. Karl sah sich unbeobachtet, vielleicht duldete Delamarche ein stillschweigendes Fortgehn leichter, wenn Streit vermieden werden konnte, war es natürlich am besten und so gieng Karl einfach in die Fahrbahn hinein um möglichst rasch wegzukommen. Die Kinder strömten zu Delamarche um ihn auf Karls Flucht aufmerksam zu machen, aber er mußte selbst gar nicht eingreifen, denn der Polizeimann sagte mit vorgestrecktem Stabe „halt!“

      „Wie heißt Du“, fragte er, schob den Stab unter den Arm und zog langsam ein Buch hervor. Karl sah ihn jetzt zum ersten Mal genauer an, es war ein kräftiger Mann, hatte aber schon fast ganz weißes Haar. „Karl Roßmann“, sagte er. „Roßmann“, wiederholte der Polizeimann, zweifellos nur, weil er ein ruhiger und gründlicher Mensch war, aber Karl, der hier eigentlich zum ersten Mal mit amerikanischen Behörden zu tun bekam, sah schon in dieser Wiederholung das Aussprechen eines gewissen Verdachtes. Und tatsächlich konnte seine Sache nicht gut stehn, denn selbst Robinson, der doch so sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt war, bat aus dem Wagen heraus mit stummen lebhaften Handbewegungen den Delamarche, er möge Karl doch helfen. Aber Delamarche wehrte ihn mit hastigem Kopfschütteln ab und sah untätig zu, die Hände in seinen übergroßen Taschen. Der Bursche auf dem Türstein erklärte einer Frau, die jetzt erst aus dem Tore trat, den ganzen Sachverhalt von allem Anfang an. Die Kinder standen in einem Halbkreis hinter Karl und sahen still zum Polizeimann hinauf.

      „Zeig Deine Ausweispapiere“, sagte der Polizeimann. Das war wohl nur eine formelle Frage, denn wenn man keinen Rock hat, wird man auch nicht viel Ausweispapiere bei sich haben. Karl schwieg deshalb auch, um lieber auf die nächste Frage ausführlich zu antworten und so den Mangel der Ausweispapiere möglichst zu vertuschen. Aber die nächste Frage war: „Du hast also keine Ausweispapiere?“ und Karl mußte nun antworten „Bei mir nicht.“ „Das ist aber schlimm“, sagte der Polizeimann, sah nachdenklich im Kreise umher und klopfte mit zwei Fingern auf den Deckel seines Buches. „Hast Du irgend einen Verdienst?“ fragte der Polizeimann schließlich. „Ich war Liftjunge“, sagte Karl. „Du warst Liftjunge, bist es also nicht mehr und wovon lebst Du denn jetzt?“ „Jetzt werde ich mir eine neue Arbeit suchen.“ „Ja bist Du denn jetzt entlassen worden?“ „Ja vor einer Stunde.“ „Plötzlich?“ „Ja“, sagte Karl und hob wie zur Entschuldigung die Hand. Die ganze Geschichte konnte er hier nicht erzählen und wenn es auch möglich gewesen wäre, so schien es doch ganz aussichtslos ein drohendes Unrecht durch Erzählung eines erlittenen Unrechtes abzuwehren. Und wenn er sein Recht nicht von der Güte der Oberköchin und von der Einsicht des Oberkellners erhalten hatte, von der Gesellschaft hier auf der Straße hatte er es gewiß nicht zu erwarten.

      „Und ohne Rock bist Du entlassen worden?“ fragte der Polizeimann. „Nun ja“, sagte Karl, also auch in Amerika gehörte es zur Art der Behörden, das was sie sahen noch eigens zu fragen. (Wie hatte sein Vater bei der Beschaffung des Reisepasses über die nutzlose Fragerei der Behörden sich ärgern müssen.) Karl hatte große Lust, wegzulaufen, sich irgendwo zu verstecken und keine Fragen mehr anhören zu müssen. Und nun stellte gar der Polizeimann jene Frage, vor der sich Karl am meisten gefürchtet und in deren unruhiger Voraussicht er sich bisher wahrscheinlich unvorsichtiger benommen hatte, als es sonst geschehen wäre: „In welchem Hotel warst Du denn angestellt?“ Er senkte den Kopf und antwortete nicht, auf diese Frage wollte er unbedingt nicht antworten. Es durfte nicht geschehn, daß er von einem Polizeimann escortiert wieder ins Hotel occidental zurückkäme, daß dort Verhöre stattfanden, zu denen seine Freunde und Feinde beigezogen würden, daß die Oberköchin ihre schon sehr schwach gewordene gute Meinung über Karl gänzlich aufgab, da sie ihn, den sie in der Pension Brenner vermutete, von einem Polizeimann aufgegriffen, in Hemdärmeln, ohne ihre Visitkarte zurückgekehrt fand, während der Oberkellner vielleicht nur voll Verständnis nicken, der Oberportier dagegen von der Hand Gottes sprechen würde, die den Lumpen endlich gefunden habe.

      „Er war im Hotel occidental angestellt“, sagte Delamarche und trat an die Seite des Polizeimanns. „Nein“, rief Karl und stampfte mit dem Fuße auf, „es ist nicht wahr.“ Delamarche sah ihn mit spöttisch zugespitztem Munde an, als könne er noch ganz andere Dinge verraten. Unter die Kinder brachte die unerwartete Aufregung Karls große Bewegung und sie zogen zu Delamarche hin, um lieber von dort aus Karl genau anzusehn. Robinson hatte den Kopf völlig aus dem Wagen gesteckt und verhielt sich vor Spannung ganz ruhig; hie und da ein Augenzwinkern war seine einzige Bewegung. Der Bursche im Tor schlug in die Hände vor Vergnügen, die Frau neben ihm gab ihm einen Stoß mit dem Elbogen, damit er ruhig sei. Die Gepäckträger hatten gerade Frühstückspause und erschienen sämtlich mit großen Töpfen schwarzen Kaffees, in dem sie mit Stangenbroden herumrührten. Einige setzten sich auf den Trottoirrand, alle schlürften den Kaffee sehr laut.

      „Sie kennen wohl den Jungen“, fragte der Polizeimann den Delamarche. „Besser als mir lieb ist“, sagte dieser. „Ich habe ihm zu seiner Zeit viel Gutes getan, er aber hat sich dafür sehr schlecht bedankt, was Sie wohl, selbst nach dem ganz kurzen Verhör das Sie mit ihm angestellt haben, leicht begreifen werden.“ „Ja“, sagte der Polizeimann, „es scheint ein verstockter Junge zu sein.“ „Das ist er“, sagte Delamarche, „aber es ist das noch nicht seine schlechteste Eigenschaft“. „So?“ sagte der Polizeimann. „Ja“, sagte Delamarche, der nun im Reden war und dabei mit den Händen in den Taschen seinen ganzen Mantel in schwingende Bewegung brachte, „das ist ein feiner Hecht. Ich und mein Freund dort im Wagen, wir haben ihn zufällig im Elend aufgegriffen, er hatte damals keine Ahnung von amerikanischen Verhältnissen, er kam gerade aus Europa, wo man ihn auch nicht hatte brauchen können, nun wir schleppten ihn mit uns, ließen ihn mit uns leben, erklärten ihm alles, wollten ihm einen Posten verschaffen, dachten trotz aller Anzeichen, die dagegen sprachen, noch einen brauchbaren Menschen aus ihm zu machen, da verschwand er einmal in der Nacht, war einfach weg und das unter Begleitumständen, die ich lieber verschweigen will. War es so oder nicht?“ fragte Delamarche schließlich und zupfte Karl am Hemdärmel. „Zurück ihr Kinder“, rief der Polizeimann, denn diese hatten sich soweit vorgedrängt, daß Delamarche fast über eines gestolpert wäre. Inzwischen waren auch die Gepäckträger, die bisher die Interessantheit dieses Verhörs unterschätzt hatten, aufmerksam geworden und hatten sich in dichtem Ring hinter Karl versammelt, der nun auch nicht einen Schritt hätte zurücktreten können und überdies unaufhörlich in den Ohren das Durcheinander der Stimmen dieser Gepäckträger hatte, die in einem gänzlich unverständlichen vielleicht mit slavischen Worten untermischten Englisch mehr polterten als redeten.

      „Danke für die Auskunft“, sagte der Polizeimann und salutierte vor Delamarche. „Jedenfalls werde ich ihn mitnehmen und dem Hotel occidental zurückgeben lassen.“ Aber Delamarche sagte: „Dürfte ich die Bitte stellen, mir den Jungen vorläufig zu überlassen, ich hätte einiges mit ihm in Ordnung zu bringen. Ich verpflichte mich, ihn dann selbst ins Hotel zurückzuführen.“ „Das kann ich nicht tun“, sagte der Polizeimann. Delamarche sagte: „Hier ist meine Visitkarte“ und reichte ihm ein Kärtchen. Der Polizeimann sah es anerkennend an, sagte aber verbindlich lächelnd: „Nein es ist vergeblich.“

      So sehr sich Karl bisher vor Delamarche gehütet hatte, jetzt sah er in ihm die einzig mögliche Rettung. Es war zwar verdächtig,

Скачать книгу