Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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Brot herabtropfende Öl auffieng, um von Zeit zu Zeit das noch übrige Brot in diese als Reservoir dienende hohle Hand zu tauchen. „Es ist hier alles strenger geworden. Zuerst war da nur ein dünner Vorhang, man hat zwar nicht durchgesehn, aber am Abend hat man doch die Schatten erkannt. Das war der Brunelda unangenehm und da habe ich einen ihrer Teatermäntel zu einem Vorhang umarbeiten und statt des alten Vorhanges hier aufhängen müssen. Jetzt sieht man gar nichts mehr. Dann habe ich früher immer fragen dürfen, ob ich schon hineingehn darf und man hat mir je nach den Umständen geantwortet ‚ja‘ oder ‚nein‘, aber dann habe ich das wahrscheinlich zu sehr ausgenützt und zu oft gefragt, Brunelda konnte das nicht ertragen – sie ist trotz ihrer Dicke sehr schwach veranlagt, Kopfschmerzen hat sie oft und Gicht in den Beinen fast immer – und so wurde bestimmt, daß ich nicht mehr fragen darf, sondern daß, wenn ich hineingehn kann, auf die Tischglocke gedrückt wird. Das gibt ein solches Läuten, daß es mich selbst aus dem Schlaf weckt – ich habe einmal eine Katze zu meiner Unterhaltung hier gehabt, die ist vor Schrecken über dieses Läuten weggelaufen und nicht mehr zurückgekommen. Also geläutet hat es heute noch nicht – wenn es nämlich läutet dann darf ich nicht nur, sondern muß hineingehn – und wenn es einmal so lange nicht läutet, dann kann es noch sehr lange dauern.“

      „Ja“, sagte Karl, „aber was für Dich gilt, muß doch noch nicht für mich gelten. Überhaupt gilt so etwas nur für den, der es sich gefallen läßt.“

      „Aber“, rief Robinson, „warum sollte denn das nicht auch für Dich gelten? Selbstverständlich gilt es auch für Dich. Warte hier nur ruhig mit mir, bis es läutet. Dann kannst Du ja versuchen, ob Du wegkommst.“

      „Warum gehst Du denn eigentlich nicht fort von hier? Nur deshalb weil Delamarche Dein Freund ist oder besser war? Ist denn das ein Leben? Wäre es da nicht in Butterford besser, wohin Ihr zuerst wolltet? Oder gar in Kalifornien wo Du Freunde hast.“

      „Ja“, sagte Robinson, „das konnte niemand voraussehn.“ Und ehe er weitererzählte, sagte er noch: „auf Dein Wohl, lieber Roßmann“ und nahm einen langen Zug aus der Parfumflasche. „Wir waren ja damals wie Du uns so gemein hast sitzen lassen, sehr schlecht daran. Arbeit konnten wir an den ersten Tagen keine bekommen, Delamarche übrigens wollte keine Arbeit, er hätte sie schon bekommen, sondern schickte nur immer mich auf Suche und ich habe kein Glück. Er hat sich nur so herumgetrieben, aber es war schon fast Abend, da hatte er nur ein Damenportemonnaie mitgebracht, es war zwar sehr schön, aus Perlen, jetzt hat er es der Brunelda geschenkt, aber es war fast nichts darin. Dann sagte er wir sollten in die Wohnungen betteln gehn, bei dieser Gelegenheit kann man natürlich manches Brauchbare finden, wir sind also betteln gegangen und ich habe, damit es besser aussieht, vor den Wohnungstüren gesungen. Und wie schon Delamarche immer Glück hat, sind wir nur vor der zweiten Wohnung gestanden, einer sehr reichen Wohnung im Parterre, und haben an der Tür der Köchin und dem Diener etwas vorgesungen, da kommt die Dame, der diese Wohnung gehört, eben Brunelda die Treppe hinauf. Sie war vielleicht zu stark geschnürt und konnte die paar Stufen gar nicht heraufkommen. Aber wie schön sie ausgesehn hat, Roßmann! Sie hat ein ganz weißes Kleid und einen roten Sonnenschirm gehabt. Zum Ablecken war sie. Zum Austrinken war sie. Ach Gott, ach Gott war sie schön. So ein Frauenzimmer! Nein sag mir nur wie kann es so ein Frauenzimmer geben? Natürlich ist das Mädchen und der Diener gleich ihr entgegengelaufen und haben sie fast hinaufgetragen. Wir sind rechts und links von der Tür gestanden und haben salutiert, das macht man hier so. Sie ist ein wenig stehn geblieben, weil sie noch immer nicht genug Atem hatte und nun weiß ich nicht, wie das eigentlich geschehen ist, ich war durch das Hungern nicht ganz bei Verstand und sie war eben in der Nähe noch schöner und riesig breit und infolge eines besondern Mieders, ich kann es Dir dann im Kasten zeigen, überall so fest – kurz, ich habe sie ein bißchen hinten angerührt, aber ganz leicht weißt Du, nur so angerührt. Natürlich kann man das nicht dulden, daß ein Bettler eine reiche Dame anrührt. Es war ja fast keine Berührung, aber schließlich war es eben doch eine Berührung. Wer weiß, wie schlimm das ausgefallen wäre, wenn mir nicht Delamarche sofort eine Ohrfeige gegeben hätte und zwar eine solche Ohrfeige, daß ich sofort meine beiden Hände für die Wange brauchte.“

      „Was Ihr getrieben habt“, sagte Karl, von der Geschichte ganz gefangen genommen und setzte sich auf den Boden. „Das war also Brunelda?“

      „Nun ja“, sagte Robinson, „das war Brunelda.“

      „Sagtest Du nicht einmal, daß sie eine Sängerin ist?“ fragte Karl.

      „Freilich ist sie eine Sängerin und eine große Sängerin“, antwortete Robinson, der eine große Bonbonmasse auf der Zunge wälzte und hie und da ein Stück, das aus dem Mund gedrängt wurde mit den Fingern wieder zurückdrückte. „Aber das wußten wir natürlich damals noch nicht, wir sahen nur daß es eine reiche und sehr feine Dame war. Sie tat, als wäre nichts geschehn und vielleicht hatte sie auch nichts gespürt, denn ich hatte sie tatsächlich nur mit den Fingerspitzen angetippt. Aber immerfort hat sie den Delamarche angesehn, der ihr wieder – wie er das schon trifft – gerade in die Augen zurückgeschaut hat. Darauf hat sie zu ihm gesagt: ‚Komm mal auf ein Weilchen herein‘ und hat mit dem Sonnenschirm in die Wohnung gezeigt, wohin Delamarche ihr vorangehn sollte. Dann sind sie beide hineingegangen und die Dienerschaft hat hinter ihnen die Türe zugemacht. Mich haben sie draußen vergessen und da habe ich gedacht es wird nicht gar so lange dauern und habe mich auf die Treppe gesetzt, um Delamarche zu erwarten. Aber statt des Delamarche ist der Diener herausgekommen und hat mir eine ganze Schüssel Suppe herausgebracht, ‚eine Aufmerksamkeit des Delamarche!‘ sagte ich mir. Der Diener blieb noch während ich aß ein Weilchen bei mir stehn und erzählte mir Einiges über Brunelda und da habe ich gesehn, was für eine Bedeutung der Besuch bei Brunelda für uns haben konnte. Denn Brunelda war eine geschiedene Frau, hatte ein großes Vermögen und war vollständig selbstständig. Ihr früherer Mann ein Cacaofabrikant liebte sie zwar noch immer, aber sie wollte von ihm nicht das geringste hören. Er kam sehr oft in die Wohnung, immer sehr elegant wie zu einer Hochzeit angezogen – das ist Wort für Wort wahr, ich kenne ihn selbst – aber der Diener wagte trotz der größten Bestechung nicht Brunelda zu fragen, ob sie ihn empfangen wollte, denn er hatte einigemal schon gefragt, und immer hatte ihm Brunelda das was sie gerade bei der Hand hatte ins Gesicht geworfen. Einmal sogar ihre große gefüllte Wärmeflasche und mit der hatte sie ihm einen Vorderzahn ausgeschlagen. Ja, Roßmann da schaust Du!“

      „Woher kennst Du den Mann?“ fragte Karl.

      „Er kommt manchmal auch herauf“, sagte Robinson.

      „Herauf?“ Karl schlug vor Staunen leicht mit der Hand auf den Boden.

      „Du kannst ruhig staunen“, fuhr Robinson fort, „selbst ich habe gestaunt, wie mir das der Diener damals erzählt hat. Denk nur, wenn Brunelda nicht zuhause war, hat sich der Mann von dem Diener in ihre Zimmer führen lassen und immer eine Kleinigkeit als Andenken mitgenommen und immer etwas sehr Teueres und Feines für Brunelda zurückgelassen und dem Diener streng verboten zu sagen von wem es ist. Aber einmal als er etwas – wie der Diener sagte und ich glaub es – geradezu Unbezahlbares aus Porzellan mitgebracht hatte, muß Brunelda es irgendwie erkannt haben, hat es sofort auf den Boden geworfen, ist darauf herumgetreten, hat es angespuckt und noch einiges andere damit gemacht, so daß es der Diener vor Ekel kaum heraustragen konnte.“

      „Was hat ihr denn der Mann getan?“ fragte Karl.

      „Das weiß ich eigentlich nicht“, sagte Robinson. „Ich glaube aber, nichts besonderes, wenigstens weiß er es selbst nicht. Ich habe ja schon manchmal mit ihm darüber gesprochen. Er erwartet mich täglich dort an der Straßenecke, wenn ich komme, so muß ich ihm Neuigkeiten erzählen, kann ich nicht kommen, wartet er eine halbe Stunde und geht dann wieder weg. Es war für mich ein guter Nebenverdienst, denn er bezahlt die Nachrichten sehr vornehm, aber seit Delamarche davon erfahren hat, muß ich ihm alles abliefern und so geh ich seltener hin.“

      „Aber was will

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