Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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umschlingen. Karl, dem der Anblick peinlich war, lehnte sich wieder zurück und versenkte sich in die Vorhänge zur Fortsetzung des Schlafes. Daß er hier auch nicht zwei Tage aushalten würde, schien ihm klar zu sein, desto nötiger aber war es sich zuerst gründlich auszuschlafen, um sich dann bei völligem Verstande schnell und richtig entschließen zu können.

      Aber Brunelda hatte schon Karls vor Müdigkeit groß aufgerissene Augen, die sie schon einmal erschreckt hatten, bemerkt und rief: „Delamarche, ich halte es vor Hitze nicht aus, ich brenne, ich muß mich ausziehn, ich muß baden, schick die zwei aus dem Zimmer, wohin Du willst, auf den Gang, auf den Balkon, nur daß ich sie nicht mehr sehe. Man ist in seiner eigenen Wohnung und immerfort gestört. Wenn ich mit Dir allein wäre, Delamarche. Ach Gott, sie sind noch immer da! Wie dieser unverschämte Robinson sich da in Gegenwart einer Dame in seiner Unterkleidung streckt. Und wie dieser fremde Junge, der mich vor einem Augenblick ganz wild angeschaut hat, sich wieder gelegt hat um mich zu täuschen. Nur weg mit ihnen, Delamarche, sie sind mir eine Last, sie liegen mir auf der Brust, wenn ich jetzt umkomme, ist es ihretwegen.“

      „Sofort sind sie draußen, zieh Dich nur schon aus“, sagte Delamarche, gieng zu Robinson hin und schüttelte ihn mit dem Fuß, den er ihm auf die Brust setzte. Gleichzeitig rief er Karl zu: „Roßmann, aufstehn! Ihr müßt beide auf den Balkon! Und wehe Euch wenn Ihr früher hereinkommt, ehe man Euch ruft! Und jetzt flink, Robinson“ – dabei schüttelte er Robinson stärker – „und Du Roßmann, gib Acht, daß ich nicht auch über Dich komme“ – dabei klatschte er laut zweimal in die Hände. „Wie lang das dauert!“ rief Brunelda auf dem Kanapee, sie hatte beim Sitzen die Beine weit auseinandergestellt, um ihrem übermäßig dicken Körper mehr Raum zu verschaffen, nur mit größter Anstrengung, unter vielem Schnaufen und häufigem Ausruhn, konnte sie sich soweit bücken um ihre Strümpfe am obersten Ende zu fassen und ein wenig herunterzuziehn, gänzlich ausziehn konnte sie sie nicht, das mußte Delamarche besorgen auf den sie nun ungeduldig wartete.

      Ganz stumpf vor Müdigkeit war Karl von dem Haufen heruntergekrochen und gieng langsam zur Balkontüre, ein Stück Vorhangstoffes hatte sich ihm um den Fuß gewickelt und er schleppte es gleichgültig mit. In seiner Zerstreutheit sagte er sogar, als er an Brunelda vorübergieng: „Ich wünsche gute Nacht“ und wanderte dann an Delamarche vorbei, der den Vorhang der Balkontüre ein wenig beiseite zog auf den Balkon hinaus. Gleich hinter Karl kam Robinson wohl nicht minder schläfrig, denn er summte vor sich hin: „Immerfort maltraitiert man einen! Wenn Brunelda nicht mitkommt, gehe ich nicht auf den Balkon.“ Aber trotz dieser Versicherung gieng er ohne jeden Widerstand heraus, wo er sich, da Karl schon in den Lehnstuhl gesunken war, sofort auf den Steinboden legte.

      Als Karl erwachte war es schon Abend, die Sterne standen schon am Himmel, hinter den hohen Häusern der gegenüberliegenden Straßenseite stieg der Schein des Mondes empor. Erst nach einigem Umherschauen in der unbekannten Gegend, einigem Aufatmen in der kühlen erfrischenden Luft wurde sich Karl dessen bewußt wo er war. Wie unvorsichtig war er gewesen, alle Ratschläge der Oberköchin, alle Warnungen Thereses, alle eigenen Befürchtungen hatte er vernachlässigt, saß hier ruhig auf dem Balkon des Delamarche und hatte hier gar den halben Tag verschlafen, als sei nicht hier hinter dem Vorhang Delamarche, sein großer Feind. Auf dem Boden wand sich der faule Robinson und zog Karl am Fuße, er schien ihn auch auf diese Weise geweckt zu haben, denn er sagte: „Du hast einen Schlaf Roßmann! Das ist die sorglose Jugend. Wie lange willst Du denn noch schlafen. Ich hätte Dich ja noch schlafen lassen, aber erstens ist es mir da auf dem Boden zu langweilig und zweitens habe ich einen großen Hunger. Ich bitte Dich steh ein wenig auf, ich habe da unten im Sessel drin etwas zum Essen aufgehoben, ich möchte es gern herausziehn. Du bekommst dann auch etwas.“ Und Karl, der aufstand, sah nun zu, wie Robinson, ohne aufzustehn, sich auf den Bauch herüberwälzte und mit ausgestreckten Händen unter dem Sessel eine versilberte Schale hervorzog, wie sie etwa zum Aufbewahren von Visitkarten dient. Auf dieser Schale lag aber eine halbe ganz schwarze Wurst, einige dünne Cigaretten, eine geöffnete aber noch gut gefüllte und von Öl überfließende Sardinenbüchse und eine Menge meist zerdrückter und zu einem Ballen gewordener Bonbons. Dann erschien noch ein großes Stück Brot und eine Art Parfümflasche, die aber etwas anderes als Parfum zu enthalten schien, denn Robinson zeigte mit besonderer Genugtuung auf sie und schnalzte zu Karl hinauf. „Siehst Du Roßmann“, sagte Robinson, während er Sardine nach Sardine herunterschlang und hie und da die Hände vom Öl an einem Wolltuch reinigte, das offenbar Brunelda auf dem Balkon vergessen hatte. „Siehst Du Roßmann, so muß man sich sein Essen aufheben, wenn man nicht verhungern will. Du, ich bin ganz bei Seite geschoben. Und wenn man immerfort als Hund behandelt wird denkt man schließlich man ists wirklich. Gut, daß Du da bist, Roßmann, ich kann wenigstens mit jemandem reden. Im Haus spricht ja niemand mit mir. Wir sind verhaßt. Und alles wegen der Brunelda. Sie ist ja natürlich ein prächtiges Weib. Du –“ und er winkte Karl zu sich herab um ihm zuzuflüstern – „ich habe sie einmal nackt gesehn. Oh!“ – und in der Erinnerung an diese Freude fieng er an, Karls Beine zu drücken und zu schlagen, bis Karl ausrief: „Robinson Du bist ja verrückt“, seine Hände packte und zurückstieß.

      „Du bist eben noch ein Kind, Roßmann“, sagte Robinson, zog einen Dolch, den er an einer Halsschnur trug, unter dem Hemd hervor, nahm die Dolchkappe ab und zerschnitt die harte Wurst. „Du mußt noch viel zulernen. Bist aber bei uns an der richtigen Quelle. Setz Dich doch. Willst Du nicht auch etwas essen. Nun vielleicht bekommst Du Appetit, wenn Du mir zuschaust. Trinken willst Du auch nicht? Du willst aber rein gar nichts. Und gesprächig bist Du gerade auch nicht besonders. Aber es ist ganz gleichgültig, mit wem man auf dem Balkon ist, wenn nur überhaupt jemand da ist. Ich bin nämlich sehr oft auf dem Balkon. Das macht der Brunelda solchen Spaß. Es muß ihr nur etwas einfallen, einmal ist ihr kalt, einmal heiß, einmal will sie schlafen, einmal will sie sich kämmen, einmal will sie das Mieder öffnen, einmal will sie es anziehn und da werde ich immer auf den Balkon geschickt. Manchmal tut sie wirklich das was sie sagt, aber meistens liegt sie nur so wie früher auf dem Kanapee und rührt sich nicht. Früher habe ich öfters den Vorhang so ein wenig weggezogen und durchgeschaut, aber seitdem einmal Delamarche bei einer solchen Gelegenheit – ich weiß genau daß er es nicht wollte, sondern es nur auf Bruneldas Bitte tat – mir mit der Peitsche einige Male ins Gesicht geschlagen hat – siehst Du den Striemen? – wage ich nicht mehr durchzuschauen. Und so liege ich dann hier auf dem Balkon und habe kein Vergnügen außer dem Essen. Vorgestern als ich da abend so allein gelegen bin, damals war ich noch in meinen eleganten Kleidern die ich leider in Deinem Hotel verloren habe – diese Hunde! reißen einem die teuern Kleider vom Leib! – als ich also da so allein gelegen bin und durch das Geländer heruntergeschaut habe, war mir alles so traurig und ich habe zu heulen angefangen. Da ist zufällig ohne daß ich es gleich bemerkt habe, die Brunelda zu mir herausgekommen in dem roten Kleid – das paßt ihr doch von allen am besten –, hat mir ein wenig zugeschaut und hat endlich gesagt: ‚Robinsonerl, warum weinst Du?‘ Dann hat sie ihr Kleid gehoben und mir mit dem Saum die Augen abgewischt. Wer weiß, was sie noch getan hätte, wenn da nicht Delamarche nach ihr gerufen hätte und sie nicht sofort wieder ins Zimmer hätte hineingehn müssen. Natürlich habe ich gedacht, jetzt sei die Reihe an mir und habe durch den Vorhang gefragt ob ich schon ins Zimmer darf. Und was meinst Du, hat die Brunelda gesagt? ‚Nein!‘ hat sie gesagt und ‚was fällt Dir ein?‘ hat sie gesagt.“

      „Warum bleibst Du denn hier, wenn man Dich so behandelt?“ fragte Karl.

      „Verzeih, Roßmann, Du fragst nicht sehr gescheit“, antwortete Robinson. „Du wirst schon auch noch hier bleiben und wenn man Dich noch ärger behandelt. Übrigens behandelt man mich gar nicht so arg.“

      „Nein“, sagte Karl, „ich gehe bestimmt weg und womöglich noch heute abend. Ich bleibe nicht bei Euch.“

      „Wie willst Du denn z. B. das anstellen, heute abend wegzugehn?“ fragte Robinson, der das Weiche aus dem Brot herausgeschnitten hatte und sorgfältig in dem Öl der Sardinenbüchse tränkte. „Wie willst Du weggehn, wenn Du nicht einmal ins Zimmer hineingehn darfst.“

      „Warum dürfen wir denn

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