Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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Renell hätte bestehen können und das die zwei schlechten Freunde verkauft hatten. „Ja“, sagte Robinson, „ich kaufe mir fast jeden Tag irgend etwas. Wie gefällt Ihnen die Weste?“ „Ganz gut“, sagte Karl. „Es sind aber keine wirklichen Taschen, das ist nur so gemacht“, sagte Robinson und faßte Karl bei der Hand, damit sich dieser selbst davon überzeuge. Aber Karl wich zurück, denn aus Robinsons Mund kam ein unerträglicher Branntweingeruch. „Sie trinken wieder viel“, sagte Karl und stand schon wieder am Geländer. „Nein“, sagte Robinson, „nicht viel“ und fügte im Widerspruch zu seiner früheren Zufriedenheit hinzu: „Was hat der Mensch sonst auf der Welt.“ Eine Fahrt unterbrach das Gespräch und, kaum war Karl wieder unten, erfolgte ein telephonischer Anruf, laut dessen Karl den Hotelarzt holen sollte, da eine Dame im siebenten Stockwerk einen Ohnmachtsanfall erlitten hatte. Während dieses Weges hoffte Karl im Geheimen, daß Robinson sich inzwischen entfernt haben werde, denn er wollte nicht mit ihm gesehen werden und in Gedanken an Theresens Warnung auch von Delamarche nichts hören. Aber Robinson wartete noch in der steifen Haltung eines Vollgetrunkenen und gerade gieng ein höherer Hotelbeamter im schwarzen Gehrock und Cylinderhut vorüber, ohne glücklicherweise Robinson, wie es schien, besonders zu beachten. „Wollen Sie Roßmann nicht einmal zu uns kommen, wir haben es jetzt sehr fein“, sagte Robinson und sah Karl lockend an. „Laden Sie mich ein oder Delamarche?“ fragte Karl. „Ich und Delamarche. Wir sind darin einig“, sagte Robinson. „Dann sage ich Ihnen und bitte Sie Delamarche das Gleiche auszurichten: Unser Abschied war, wenn das nicht schon an und für sich klar gewesen sein sollte, ein endgültiger. Sie beide haben mir mehr Leid getan, als irgend jemand. Haben Sie sich vielleicht in den Kopf gesetzt, mich auch weiterhin nicht in Ruhe zu lassen?“ „Wir sind doch Ihre Kameraden“, sagte Robinson und widerliche Tränen der Trunkenheit stiegen ihm in die Augen. „Delamarche läßt Ihnen sagen, daß er Sie für alles Frühere entschädigen will. Wir wohnen jetzt mit Brunelda zusammen, einer herrlichen Sängerin.“ Und im Anschluß daran wollte er gerade ein Lied in hohen Tönen singen, wenn ihn nicht Karl noch rechtzeitig angezischt hätte: „Schweigen Sie aber augenblicklich, wissen Sie denn nicht, wo Sie sind.“ „Roßmann“, sagte Robinson nur rücksichtlich des Singens eingeschüchtert, „ich bin doch Ihr Kamerad, sagen Sie, was Sie wollen. Und nun haben Sie hier so eine schöne Position, könnten Sie mir einiges Geld überlassen.“ „Sie vertrinken es ja bloß wieder“, sagte Karl, „da sehe ich sogar in Ihrer Tasche irgendeine Branntweinflasche aus der Sie gewiß, während ich weg war, getrunken haben, denn anfangs waren Sie ja noch ziemlich bei Sinnen.“ „Das ist nur zur Stärkung, wenn ich auf einem Wege bin“, sagte Robinson entschuldigend. „Ich will Sie ja nicht mehr bessern“, sagte Karl. „Aber das Geld!“ sagte Robinson mit aufgerissenen Augen. „Sie haben wohl von Delamarche den Auftrag bekommen Geld mitzubringen. Gut ich gebe Ihnen Geld, aber nur unter der Bedingung, daß Sie sofort von hier fortgehn und niemals mehr mich hier besuchen. Wenn Sie mir etwas mitteilen wollen, schreiben Sie an mich. Karl Roßmann, Liftjunge, Hotel occidental, genügt als Adresse. Aber hier dürfen Sie, das wiederhole ich, mich nicht mehr aufsuchen. Hier bin ich im Dienst und habe keine Zeit für Besuche. Wollen Sie also das Geld unter dieser Bedingung?“ fragte Karl und griff in die Westentasche, denn er war entschlossen, das Trinkgeld der heutigen Nacht zu opfern. Robinson nickte bloß zu der Frage und atmete schwer. Karl deutete das unrichtig und fragte nochmals: „Ja oder Nein?“

      Da winkte ihn Robinson zu sich heran und flüsterte unter Schlingbewegungen, die schon ganz deutlich waren: „Roßmann, mir ist sehr schlecht.“ „Zum Teufel“, entfuhr es Karl und mit beiden Händen schleppte er ihn zum Geländer.

      Und schon ergoß es sich aus Robinsons Mund in die Tiefe. Hilflos strich er in den Pausen die ihm seine Übelkeit ließ blindlings an Karl hin. „Sie sind wirklich ein guter Junge“, sagte er dann oder „es hört schon auf“, was aber noch lange nicht richtig war, oder „die Hunde, was haben sie mir dort für ein Zeug eingegossen!“ Karl hielt es vor Unruhe und Ekel bei ihm nicht aus und begann auf und ab zu gehn. Hier im Winkel neben dem Aufzug war ja Robinson ein wenig versteckt, aber wie wenn ihn doch jemand bemerkte, einer dieser nervösen reichen Gäste, die nur darauf warten, dem herbeilaufenden Hotelbeamten eine Beschwerde mitzuteilen, für welche dieser dann wütend am ganzen Hause Rache nimmt oder wenn einer dieser immerfort wechselnden Hoteldetektivs vorüberkäme, die niemand kennt außer die Direktion und die man in jedem Menschen vermutet, der prüfende Blicke, vielleicht auch bloß aus Kurzsichtigkeit, macht. Und unten brauchte nur jemand bei dem die ganze Nacht nicht aussetzenden Restaurationsbetrieb in die Vorratskammern zu gehn, staunend die Scheußlichkeit im Lichtschacht zu bemerken und Karl telephonisch anzufragen, was denn um Himmelswillen da oben los sei. Konnte Karl dann Robinson verleugnen? Und wenn er es täte, würde sich nicht Robinson in seiner Dummheit und Verzweiflung statt aller Entschuldigung gerade nur auf Karl berufen? Und mußte dann nicht Karl sofort entlassen werden, da dann das Unerhörte geschehen war, daß ein Liftjunge, der niedrigste und entbehrlichste Angestellte in der ungeheueren Stufenleiter der Dienerschaft dieses Hotels, durch seinen Freund das Hotel hatte beschmutzen und die Gäste erschrecken oder gar vertreiben lassen? Konnte man einen Liftjungen weiter dulden, der solche Freunde hatte, von denen er sich überdies während seiner Dienststunden besuchen ließ? Sah es nicht ganz so aus, als ob ein solcher Liftjunge selbst ein Säufer oder gar etwas Ärgeres sei, denn welche Vermutung war einleuchtender, als daß er seine Freunde aus den Vorräten des Hotels so lange überfütterte, bis sie an einer beliebigen Stelle dieses gleichen peinlich rein gehaltenen Hotels solche Dinge ausführten, wie jetzt Robinson? Und warum sollte sich ein solcher Junge auf die Diebstähle von Lebensmitteln beschränken, da doch die Möglichkeiten zu stehlen, bei der bekannten Nachlässigkeit der Gäste, den überall offenstehenden Schränken, den auf den Tischen herumliegenden Kostbarkeiten, den aufgerissenen Kassetten, den gedankenlos hingeworfenen Schlüsseln wirklich unzählige waren?

      Gerade sah Karl in der Ferne Gäste aus einem Kellerlokal heraufsteigen, in dem eben eine Varietévorstellung beendet worden war. Karl stellte sich zu seinem Aufzug und wagte sich gar nicht nach Robinson umzudrehn aus Furcht vor dem, was er zu sehn bekommen könnte. Es beruhigte ihn wenig, daß er keinen Laut, nicht einmal einen Seufzer von dort hörte. Er bediente zwar seine Gäste und fuhr mit ihnen auf und ab, aber seine Zerstreutheit konnte er doch nicht ganz verbergen und bei jeder Abwärtsfahrt war er darauf gefaßt, unten eine peinliche Überraschung vorzufinden.

      Endlich hatte er wieder Zeit nach Robinson zu sehn, der in seinem Winkel ganz klein kauerte und das Gesicht gegen die Knie drückte. Seinen runden harten Hut hatte er weit aus der Stirne geschoben. „Also jetzt gehn Sie schon“, sagte Karl leise und bestimmt, „hier ist das Geld. Wenn Sie sich beeilen, kann ich Ihnen noch den kürzesten Weg zeigen.“ „Ich werde nicht weggehn können“, sagte Robinson und wischte sich mit einem winzigen Taschentuch die Stirn, „ich werde hier sterben. Sie können sich nicht vorstellen, wie schlecht mir ist. Delamarche nimmt mich überall in die feinen Lokale mit, aber ich vertrage dieses zimperliche Zeug nicht, ich sage es Delamarche täglich.“ „Hier können Sie nun einmal nicht bleiben“, sagte Karl, „bedenken Sie doch wo Sie sind. Wenn man Sie hier findet, werden Sie bestraft und ich verliere meinen Posten. Wollen Sie das?“ „Ich kann nicht weggehn“, sagte Robinson, „lieber spring ich da hinunter“, und er zeigte zwischen den Geländerstangen in den Lichtschacht. „Wenn ich hier so sitze, so kann ich es noch ertragen, aber aufstehn kann ich nicht, ich habe es ja schon versucht wie Sie wegwaren.“ „Dann hole ich also einen Wagen, und Sie fahren ins Krankenhaus“, sagte Karl und schüttelte ein wenig Robinsons Beine, der jeden Augenblick in völlige Teilnahmslosigkeit zu verfallen drohte. Aber kaum hatte Robinson das Wort Krankenhaus gehört, das ihm schreckliche Vorstellungen zu erwecken schien, als er laut zu weinen anfieng und die Hände um Gnade bittend nach Karl ausstreckte.

      „Still“, sagte Karl, schlug ihm mit einem Klaps die Hände nieder, lief zu dem Liftjungen, den er in der Nacht vertreten hatte, bat ihn für ein kleines Weilchen um die gleiche Gefälligkeit, eilte zu Robinson zurück, zog den noch immer Schluchzenden mit aller Kraft in die Höhe und flüsterte ihm zu: „Robinson, wenn Sie wollen, daß ich mich Ihrer annehme, dann strengen Sie sich aber an, jetzt eine ganz kleine Strecke Wegs aufrecht zu gehn. Ich führe Sie nämlich in mein Bett, in dem Sie solange bleiben können, bis Ihnen gut ist. Sie werden staunen,

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