Franz Kafka: Sämtliche Werke. Knowledge house

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Franz Kafka: Sämtliche Werke - Knowledge house

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Sie tun. Und die Augen müssen Sie offenhalten, ich kann Sie da nicht wie einen Totkranken herumführen.“ „Ich will ja alles tun was Sie für recht halten“, sagte Robinson, „aber Sie allein werden mich nicht führen können. Könnten Sie nicht noch Renell holen?“ „Renell ist nicht hier“, sagte Karl. „Ach ja“, sagte Robinson, „Renell ist mit Delamarche beisammen. Die beiden haben mich ja um Sie geschickt. Ich verwechsle schon alles.“ Karl benützte diese und andere unverständliche Selbstgespräche Robinsons, um ihn vorwärts zu schieben und kam mit ihm auch glücklich bis zu einer Ecke, von der aus ein etwas schwächer beleuchteter Gang zum Schlafsaal der Liftjungen führte. Gerade jagte in vollem Lauf ein Liftjunge auf sie zu und an ihnen vorüber. Im übrigen hatten sie bis jetzt nur ungefährliche Begegnungen gehabt; zwischen vier und fünf Uhr war nämlich die stillste Zeit und Karl hatte wohl gewußt, daß wenn ihm das Wegschaffen Robinsons jetzt nicht gelänge, in der Morgendämmerung und im beginnenden Tagesverkehr überhaupt nicht mehr daran zu denken wäre.

      Im Schlafsaal war am andern Ende des Saales gerade eine große Rauferei oder sonstige Veranstaltung im Gange, man hörte rythmisches Händeklatschen, aufgeregtes Füßetrappeln und sportliche Zurufe. In der bei der Tür gelegenen Saalhälfte sah man in den Betten nur wenige unbeirrte Schläfer, die meisten lagen auf dem Rücken und starrten in die Luft, während hie und da einer bekleidet oder unbekleidet wie er gerade war, aus dem Bett sprang, um nachzusehn, wie die Dinge am andern Saalende standen. So brachte Karl Robinson, der sich an das Gehen inzwischen ein wenig gewöhnt hatte, ziemlich unbeachtet in Renells Bett, da es der Tür sehr nahe lag und glücklicherweise nicht besetzt war, während in seinem eigenen Bett, wie er aus der Ferne sah, ein fremder Junge, den er gar nicht kannte, ruhig schlief. Kaum fühlte Robinson das Bett unter sich, als er sofort – ein Bein baumelte noch aus dem Bett heraus – einschlief. Karl zog ihm die Decke weit über das Gesicht und glaubte sich für die nächste Zeit wenigstens keine Sorgen machen zu müssen, da Robinson gewiß nicht vor sechs Uhr früh erwachen würde, und bis dahin würde er wieder hier sein und dann schon vielleicht mit Renell ein Mittel finden, um Robinson wegzubringen. Eine Inspektion des Schlafsaales durch irgendwelche höhere Organe gab es nur in außerordentlichen Fällen, die Abschaffung der früher üblichen allgemeinen Inspektion hatten die Liftjungen schon vor Jahren durchgesetzt, es war also auch von dieser Seite nichts zu fürchten.

      Als Karl wieder bei seinem Aufzug angelangt war, sah er, daß sowohl sein Aufzug, als auch jener seines Nachbarn gerade in die Höhe fuhren. Unruhig wartete er darauf, wie sich das aufklären würde. Sein Aufzug kam früher herunter und es entstieg ihm jener Junge, der vor einem Weilchen durch den Gang gelaufen war. „Ja wo bist Du denn gewesen Roßmann?“ fragte dieser. „Warum bist Du weggegangen? Warum hast Du es nicht gemeldet?“ „Aber ich habe ihm doch gesagt, daß er mich ein Weilchen vertreten soll“, antwortete Karl und zeigte auf den Jungen vom Nachbarlift der gerade herankam. „Ich habe ihn doch auch zwei Stunden während des größten Verkehres vertreten.“ „Das ist alles sehr gut“, sagte der Angesprochene, „aber das genügt doch nicht. Weißt Du denn nicht, daß man auch die kürzeste Abwesenheit während des Dienstes im Bureau des Oberkellners melden muß. Dazu hast Du ja das Telephon da. Ich hätte Dich schon gerne vertreten, aber Du weißt ja, daß das nicht so leicht ist. Gerade waren vor beiden Lifts neue Gäste vom Vier-Uhr-dreißig-Expreßzug. Ich konnte doch nicht zuerst zu Deinem Lift laufen und meine Gäste warten lassen, so bin ich also zuerst mit meinem Lift hinaufgefahren.“ „Nun?“ fragte Karl gespannt, da beide Jungen schwiegen. „Nun“, sagte der Junge vom Nachbarlift, „da geht gerade der Oberkellner vorüber, sieht die Leute vor Deinem Lift ohne Bedienung, bekommt Galle, fragt mich, der ich gleich hergerannt bin, wo Du steckst, ich habe keine Ahnung davon, denn Du hast mir ja gar nicht gesagt, wohin Du gehst und so telephoniert er gleich in den Schlafsaal, daß sofort ein anderer Junge herkommen soll.“ „Ich habe Dich ja noch im Gang getroffen“, sagte Karls Ersatzmann. Karl nickte. „Natürlich“, beteuerte der andere Junge, „habe ich gleich gesagt, daß Du mich um Deine Vertretung gebeten hast, aber hört denn der auf solche Entschuldigungen. Du kennst ihn wahrscheinlich noch nicht. Und wir sollen Dir ausrichten, daß Du sofort ins Bureau kommen sollst. Also halte Dich lieber nicht auf und lauf hin. Vielleicht verzeiht er es Dir noch, Du warst ja wirklich nur zwei Minuten weg. Berufe Dich nur ruhig auf mich, daß Du mich um Vertretung gebeten hast. Davon daß Du mich vertreten hast rede lieber nicht, laß Dir raten, mir kann ja nichts geschehn, ich hatte Erlaubnis, aber es ist nicht gut von einer solchen Sache zu reden und sie noch in diese Angelegenheit zu mischen, mit der sie nichts zu tun hat.“ „Es ist das erstemal gewesen, daß ich meinen Posten verlassen habe“, sagte Karl. „Das ist immer so, nur glaubt man es nicht“, sagte der Junge und lief zu seinem Lift, da sich Leute näherten. Karls Vertreter, ein etwa vierzehnjähriger Junge, der offenbar mit Karl Mitleid hatte, sagte: „Es sind schon viele Fälle vorgekommen, in denen man solche Sachen verziehen hat. Gewöhnlich wird man zu andern Arbeiten versetzt. Entlassen wurde soviel ich weiß wegen einer solchen Sache nur einer. Du mußt Dir nur eine gute Entschuldigung ausdenken. Auf keinen Fall sag, daß Dir plötzlich schlecht geworden ist, da lacht er Dich aus. Da ist schon besser, Du sagst, ein Gast hat Dir irgend eine eilige Bestellung an einen andern Gast aufgegeben und Du weißt nicht mehr, wer der erste Gast war und den zweiten hast Du nicht finden können.“ „Na“, sagte Karl, „es wird nicht so schlimm werden“, nach allem was er gehört hatte, glaubte er an keinen guten Ausgang mehr. Und wenn selbst diese Dienstversäumnis verziehen werden sollte, so lag doch drin im Schlafsaal noch Robinson als seine lebendige Schuld und es war bei dem galligen Charakter des Oberkellners nur zu wahrscheinlich, daß man sich mit keiner oberflächlichen Untersuchung begnügen und schließlich doch Robinson noch aufstöbern würde. Es bestand wohl kein ausdrückliches Verbot, nach dem fremde Leute in den Schlafsaal nicht mitgenommen werden durften, aber dies bestand nur deshalb nicht, weil eben unausdenkbare Dinge nicht verboten werden.

      Als Karl in das Bureau des Oberkellners eintrat, saß dieser gerade bei seinem Morgenkaffee, machte einmal einen Schluck und sah dann wieder in ein Verzeichnis, das ihm offenbar der gleichfalls anwesende oberste Hotelportier zur Begutachtung überbracht hatte. Es war dies ein großer Mann, den seine üppige reichgeschmückte Uniform – noch auf den Achseln und die Arme hinunter schlängelten sich goldene Ketten und Bänder – noch breitschultriger machte, als er von Natur aus war. Ein glänzender schwarzer Schnurrbart, weit in Spitzen ausgezogen so wie ihn Ungarn tragen, rührte sich auch bei der schnellsten Kopfwendung nicht. Im übrigen konnte sich der Mann infolge seiner Kleiderlast überhaupt nur schwer bewegen und stellte sich nicht anders, als mit seitwärts eingestemmten Beinen auf, um sein Gewicht richtig zu verteilen.

      Karl war frei und eilig eingetreten, wie er es sich hier im Hotel angewöhnt hatte, denn die Langsamkeit und Vorsicht, die bei Privatpersonen Höflichkeit bedeutet, hält man bei Liftjungen für Faulheit. Außerdem mußte man ihm auch nicht gleich beim Eintreten sein Schuldbewußtsein ansehn. Der Oberkellner hatte zwar flüchtig auf die sich öffnende Türe hingeblickt, war dann aber sofort zu seinem Kaffee und zu seiner Lektüre zurückgekehrt, ohne sich weiter um Karl zu kümmern. Der Portier aber fühlte sich vielleicht durch Karls Anwesenheit gestört, vielleicht hatte er irgend eine geheime Nachricht oder Bitte vorzutragen, jedenfalls sah er alle Augenblicke bös und mit steif geneigtem Kopf nach Karl hin, um sich dann wenn er offenbar seiner Absicht entsprechend mit Karls Blicken zusammengetroffen war, wieder dem Oberkellner zuzuwenden. Karl aber glaubte, es würde sich nicht gut ausnehmen, wenn er jetzt, da er nun schon einmal hier war, das Bureau wieder verlassen würde, ohne vom Oberkellner den Befehl hiezu erhalten zu haben. Dieser aber studierte weiter das Verzeichnis und aß zwischendurch von einem Stück Kuchen, von dem er hie und da, ohne im Lesen innezuhalten, den Zucker abschüttelte. Einmal fiel ein Blatt des Verzeichnisses zu Boden, der Portier machte nicht einmal einen Versuch es aufzuheben, er wußte daß er es nicht zustandebrächte, es war auch nicht nötig, denn Karl war schon zur Stelle und reichte das Blatt dem Oberkellner, der es ihm mit einer Handbewegung abnahm, als sei es von selbst vom Boden aufgeflogen. Die ganze kleine Dienstleistung hatte nichts genützt, denn der Portier hörte auch weiterhin mit seinen bösen Blicken nicht auf.

      Trotzdem war Karl gefaßter als früher. Schon daß seine Sache für den Oberkellner so wenig Wichtigkeit zu haben schien, konnte man für ein gutes Zeichen halten. Es war schließlich

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