Fettnäpfchenführer Köln. Dirk Udelhoven
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Last but not least auf der Fooderkaart: Reibekuchen, der Rievkooche. Liebste Beilage der Kölner*innen: Apfelmus und Schwarzbrot.
Übrigens: Weil die Kölner*innen große Enttäuschungen von Immis und Touris vermeiden wollen, haben die meisten Fooderkaarten eine hochdeutsche Übersetzung parat, bei Bedarf wird die englische Version ausgehändigt.
7
STOP AND GO
ABER DIESMAL ANDERSWO
Nach Ullas kulinarisch-kölscher Stippvisite, die mit ihrem dicken Fettnäpfchenplatscher und Stefans Schlaumeierei »Du wolltest ja nicht auf mich hören« endete, will Ulla den Spieß heute umdrehen. Oder wie es so schön heißt: Rache ist Blutwurst, in Köln natürlich: Blotwoosch.
Beim Frühstück kippt Stefan noch den Kaffee herunter, schnappt sich Jacke und Tasche und gibt Ulla einen Kuss. Er muss zur Arbeit, fährt heute mit dem Auto, weil er einen Außentermin hat.
»Wann bist du ungefähr wieder zu Hause?«, fragt Ulla.
Stefan zuckt mit den Achseln. »Wie immer. Wieso?«
Ulla lächelt verschmitzt und tut betont beiläufig, dass nichts Besonderes sei, außer dass sie für Stefan und sich zum Abendessen etwas zaubern möchte.
Stefan horcht überrascht auf. Er kennt Ullas Unlust am Kochen. »Gibt es einen besonderen Grund?«
Ulla schüttelt den Kopf. »Ich koch was aus meiner Heimat.«
Stefan lacht. »Hat dir unser Halver Hahn etwa nicht geschmeckt?«
»Ganz vorzüglich«, grinst Ulla und fügt foppend hinzu, »aber ist doch immer schön, mal über den eigenen Tellerrand zu schauen, oder?« Sie weiß, wie ungern sich Stefan auf Neues einlässt.
Er knufft und küsst sie und schnurrt: »Dann lass mich mal über deinen Tellerrand gucken, Süße. Ich bin pünktlich um halb sechs wieder hier. Was gibt es denn Leckeres?«
»Überraschung«, kichert Ulla vergnügt.
Kaum ist Stefan weg, sputet sie sich. Sie muss die Zutaten für den Grönen Heini kaufen. Den was? Ja, man glaubt es kaum, aber nicht nur in Köln gibt es Essen mit merkwürdigem Namen. Auch in Itzehoe kennt man das. Der Gröne Heini heißt auch Beer’n, Boh’n un Speck, Gröön Hinnerk oder einfach Birnen, Bohnen und Speck.
Ulla will Stefan mit dem Namen foppen. Das Essen selbst wird ihm schmecken. Das hat ihr der gestrige Ausflug ins Kölner Brauhaus gezeigt: Rheinländer*innen und Schleswig-Holsteiner*innen teilen gleiche Geschmacksvorlieben.
Das typisch holsteinische brooken sööt (herzhaft-süß) und das söötsuur (süßsauer) findet sich auch in der Kölner Fooderkaart, zum Beispiel beim Rheinischen Sauerbraten. Die Lust auf Deftiges und Fettiges gibt es hüben wie drüben, und hier wie dort trinkt man Bier und kippt im Anschluss Schnäpschen. In Itzehoe ’nen Lütten, traditionell ein Köm (Kümmelschnaps), in Köln ’n Vügelche, traditionell Kabänes (Kräuterlikör).
Ein paar Stunden später schleppt Ulla ihre Einkäufe in die Wohnung. Gar nicht so leicht, um nicht zu sagen unmöglich, die richtigen Zutaten für ihr nordisches Gericht zu bekommen. Die Kochbirnen, die nur gegart genießbar sind, hat sie nicht gefunden. Eigentlich kein Wunder. Die alten Sorten sind selten, und zudem ist jetzt, im Frühjahr, auch keine Birnenzeit. Handelsübliche, von irgendwoher importierte Birnen aus dem Supermarkt mussten es also tun. Im Supermarkt gab es auch grüne Brechbohnen. In der Metzgerei im Viertel bekam sie immerhin durchwachsenen, luftgetrockneten und -gelagerten Speck, so wie er sein soll. Das Essen zu kochen ist selbst für die passionierte Nicht-Köchin Ulla nicht allzu schwer. Alles in einen Topf, nur in der richtigen Reihenfolge: Speck, Bohnen und zu guter Letzt die Birnen.
Halb sechs. Der Tisch ist gedeckt, Bier und Köm im Eisfach und das Essen servierfertig. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, schnell noch mal Lippenstift nachgezogen und perfekt. Fehlt nur noch das Tüpfelchen auf dem i: Stefan.
Die Zeit verrinnt. Für Ulla eine gefühlte Ewigkeit, in Wirklichkeit ein paar Minuten. Geduld war noch nie Ullas Stärke. Unruhig geht sie durch die Wohnung, sieht durch das Fenster auf die Straße, checkt das Essen.
Zwanzig vor sechs. Ob ihm was passiert ist?, drängt sich ein Gedanke in ihr Hirn. Vielleicht ein Unfall? Stefan hatte einen Außentermin, er fährt nicht so oft mit dem Auto, und der Verkehr in und um Köln ist schlimm.
Sie kennt die Stadt, lange bevor sie auch nur im Traum daran dachte, herzuziehen. Und zwar von den Staumeldungen aus dem Autoradio. Auf der A 1 zehn Kilometer Stau zwischen Kreuz Leverkusen-West und Kreuz Köln-West, stockender Verkehr auf der A 3, Köln–Frankfurt, zwischen Dreieck Köln-Heumar und Königsforst in beiden Richtungen. A 57, Krefeld–Köln, zwischen Köln-Chorweiler und Köln-Longerich stockender Verkehr in beiden Richtungen.
Seitdem sie in Köln ist, gewiss noch nicht lange, hat Ulla eins sehr schnell mitgekriegt: Nicht nur auf den Kölner Autobahnkreuzen staut es, sondern auch innerhalb Kölns heißt es Stop-and-go.
STADT DER RINGE
Typisch für Köln sind seine ringförmigen Hauptverkehrsachsen. Außen der Kölner Autobahnring. Dann kommen Militärring, Gürtel, Innere Kanalstraße und die Ringe in der Innenstadt. Letztere ziehen einen Halbkreis um die Altstadt.
Die Kölner Ringe untereilen sich in verschiedene Abschnitte: Ubierring, Karolingerring, Sachsenring, Salierring, Hohenstaufenring, Habsburgerring, Hohenzollernring, Kaiser-Wilhelm-Ring, Hansaring und Theodor-Heuss-Ring.
1881 erwarb die Stadt Köln vom Kriegsministerium den inneren Befestigungsring, um diesen abzureißen. Zum einen brauchte man mehr Platz für die wachsende Bevölkerung, zum anderen wollte man sich dem eigenen Selbstbewusstsein entsprechend präsentieren. Und wie könnte es in Köln anders sein: mit Pomp und Pracht. Die Stadtoberen stellten sich einen großen Boulevard vor. So was gab es bereits in Paris und in Wien. Flugs schrieben sie einen Wettbewerb aus. Der Vorschlag König Rhein des Aachener Architektenduos Karl Henrici und Josef Stübben gewann und wurde als Basis der Stadtumgestaltung genommen. Stübben ernannte man zum Kölner Stadtbaumeister.
Die Ringe galten lange Zeit als die Prachtstraßen Kölns. Fast überall standen Baumreihen, teils sogar zwei- und dreireihig, auf dem erhöhten Mittelstreifen oder den Bürgersteigen. Zusätzliche parkähnliche Anlagen gab es auf dem Sachsenring, dem Kaiser-Wilhelm-Ring und dem damaligen Deutschen Ring (jetzt Theodor-Heuss-Ring).
Auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring gewinnt man noch einen Eindruck der damaligen üppigen Schönheit des Boulevards: Springbrunnen, umsäumt von Wegen, Blumenrabatten und Bäumen ziehen sich entlang der Straße.
Und noch immer ist Stefan nicht zurück. Ullas Blick fällt auf ihr Handy. Sie überlegt, soll sie ihn anrufen? Er kommt ihr zuvor und meldet sich via Handy: »Ulla, sorry, bin noch am Ruhenden Verkehr. Komm aber bald.« Ulla seufzt. Sie hat es gewusst. Stefan steckt im Stau.