Fettnäpfchenführer Köln. Dirk Udelhoven

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Fettnäpfchenführer Köln - Dirk Udelhoven Fettnäpfchenführer

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sogenannte Medebier. Es bestand aus Getreide, Kräutern, Malzextrakt und Honig.

      Ab 1396 ging es dann aber mit dem Kölsch los. Die Bierbrauer in Köln schlossen sich zusammen und legten fest, was ein richtiges Kölsch sein soll: gebraut aus Hopfen, Malz und Wasser. Hochvergoren und hopfenbetont.

      Wer nun denkt, der Brauhauswanderweg sei zum Kölschtrinken erfunden worden, liegt falsch. Zwar nicht ganz falsch: Natürlich soll auch der Konsum des Hopfensprudels angeheizt werden. Aber eigentlich geht es um die historischen Sehenswürdigkeiten, die man auf der Strecke passiert. Zum Beispiel die Römerstraße, ein Teilstück der römischen Via Agrippa, oder die romanische Kirche Sankt Andreas. Der Kölner Dom und das Rathaus sind auch dabei. Aufgetankt und zugehört wird in den Brauhäusern, denn jedes Brauhaus hat sein ganz eigenes Kölsch und seine ganz eigene Geschichte.

      Kaum hat sich Ulla an den hellsten Platz im dunklen Brauhaus gesetzt, steht auch schon ein Bier vor ihr. Und schwupp ist der Kellner wieder verschwunden. Hat der Mann sie verwechselt? Ulla schaut sich um. Alle Gäste haben Biergläser vor sich stehen. Manche haben auch was zu essen.

      Ein Gedanke steigt in Ulla auf. Möglicherweise gibt es in Kölner Brauhäusern nur Bier zu trinken? Möglicherweise gehört das zu den Besonderheiten der hiesigen Brauhauskultur?

      Ein kurzer Blick auf die Karte zeigt das Gegenteil: Es gibt auch andere Getränke. Sogar einen Kaffee, den sie eigentlich wollte. Aber nun steht das Bierglas vor ihr. Es ist klein, und Ulla hat Durst. Also nicht lang schnacken, Kopf in den Nacken, wie Ulla aus ihrer norddeutschen Heimat weiß, und runter mit dem Gesöff. Hmmm. Wie gut das tut. Das Kölner Bier ist kalt, frisch und – süffig. Denkt sich wohl auch die Bedienung. Kaum hat Ulla ihr Glas auf dem Tisch abgestellt, steht das nächste vor ihr. Und der Kellner ist bereits entschwunden. Ob er auf die Art seinen Umsatz heben will? Oder hat er einfach Gedächtnisprobleme? Ist ja nicht mehr der Jüngste, der Mann.

      Was auch immer dahintersteckt: Das Bier, das hier Kölsch heißt, schmeckt. Ulla muss plötzlich an ihren Vater denken und lachen. Für ihn wäre das Kölsch Plörre oder Mädchenbier. Harmlos und gefällig. Er trinkt Pils. Pils mag Ulla überhaupt nicht. Viel zu bitter. An Kölsch dagegen könnte sie sich glatt gewöhnen. Sogar ihre sentimentale Stimmung ist verflogen.

      Obwohl in ihrem Glas noch Kölsch ist – zwei Finger breit, mindestens – will der Kellner es durch ein Frisches austauschen. Diesmal ist Ulla auf der Hut. Höflich, aber deutlich macht sie ihm klar, dass jetzt Schluss ist, und fügt ironisch hinzu, dass es außerdem ganz clever wäre, die Gäste nach ihren Wünschen zu fragen.

       Leck mich en de Täsch, wat für ’n Malör

      Oje. Schlimmer hätte es kaum kommen können. Ulla hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man in einem Kölner Brauhaus falsch machen kann. Kölsch trinken ist hier nämlich quasi Pflicht. Deshalb geht man ja in ein Brauhaus.

      Die Bedienung hat den Kölschstand im Glas immer im Blick. Das Glas heißt hier übrigens wegen seiner schmalen, länglichen Form Stange. Dass es von Touris und Immis gern mit einem Reagenzglas verglichen wird, liegt an seiner Optik und dem überschaubaren Fassungsvermögen von 0,2 Litern. Nicht aus Geiz, sondern damit das Kölsch im Glas immer frisch ist. Kölsch hat wenig CO2. In gewöhnlich großen Biergläsern würde es deshalb schnell schal werden.

      Aber nicht nur deshalb wird es zügig genossen. Es schmeckt einfach. Weil sich Kölsch-Stangen schnell leeren und der Nachschub fließen muss, sind die Bedienungen immer auf Zack. So schnell kann man gar nicht trinken, da steht die nächste Stange schon auf dem Tisch. Etwas langsamer wird es vielleicht, wenn der Laden rappelvoll ist. Also ab frühem Abend in jedem Brauhaus. Aber selbst dann dauert es kaum fünf Minuten, bis man sich mit einem frischen Kölsch zuprosten kann. Wer genug hat, legt den Bierdeckel auf die Stange. Der Kellner, der im Kölner Brauhaus Köbes genannt wird, weiß sofort Bescheid und stellt den Nachschub ein.

      Dass man einem Köbes nicht widerspricht, muss Ulla noch lernen. Auch dass man nicht versuchen sollte, witzig zu sein, also witziger als der Köbes. Absolutes No-Go: ein anderes Getränk als Kölsch zu bestellen. Zum Beispiel: ein Wasser. »Bruchste och Seife?« (Brauchst du auch Seife?), könnte man da schon mal zu hören kriegen. Ähnliches gilt für eine Tasse Tee: »Da gehste am beste gägenüvver. Do es en Appetek.« (Da gehst du besser gegenüber in die Apotheke.)

      Für diese Sprüche werden die Köbesse geliebt. Ein Köbes ist im Brauhaus das Salz »en dä Zupp« (in der Suppe). Schlagfertigkeit gehört quasi zu deren Jobbeschreibung. Doch wer wie Ulla ahnungslos ein Brauhaus besucht, der könnte schon einen kleinen Kulturschock erleiden.

       Schwaadschnüss

      Was es mit den Köbessen auf sich hat, ist nicht wirklich gesichert. Da kursieren verschiedene Versionen. Vermutlich handelte es sich um frühere Brauerburschen oder auf Kölsch: Brauers-Pooschte. Tags- über verrichteten sie einfache Tätigkeiten in der Brauerei, abends bedienten sie im Brauhaus.

      Nach einer anderen Version waren die Köbesse Pilger, die vom Jakobsweg zurückkehrten. In den Brauhäusern erzählten sie von ihren Erlebnissen und bedienten dabei die Gäste. Sie mussten schließlich Geld für ihre nächste Pilgerreise verdienen. Umso besser ihr Verzäll (Geschichten), umso besser ihr Trinkgeld.

      Das Wort Köbes bedeutet eigentlich Jakob. Vielleicht hieß der erste Köbes tatsächlich Jakob mit Vornamen. Voraussetzung für den Beruf war und ist der Name aber nicht. Heute gibt es Ahmeds, Peters, Juans … und Barbaras, Miriams … Ganz richtig. Köbes ist zwar traditionell ein Männerberuf, doch auch hier hat sich die Emanzipation durchgesetzt. Der weibliche Köbes heißt Köbin.

      Sie tragen bis heute ihr fast originales Köbes-Outfit. Damals waren es blaue Strickjacken, blaue Leinenschürzen und eine Geldtasche, die sie um den Bauch geschnallt hatten. Heute wurden nur die Strickjacken durch weiße oder hellblaue kurzärmelige Hemden ersetzt.

      Nach dem Kölner Mundartdichter Peter Berchem ist der Köbes: »Fründlich, maneerlich, vor allem grundehrlich un immer fidel: Ne prächtige Kääl!« (Freundlich, manierlich, vor allem grundehrlich und immer fidel: ein prächtiger Kerl!) Ein Kerl, der übrigens ein üppiges Trinkgeld zu würdigen weiß, ein mickriges ebenso. Das möchte man aber lieber nicht erleben.

      6

       EIN HALBES HÄHNCHEN BITTE

       ODER: ALLES KÄSE IN KÖLN

      Kaum ist Stefan von der Arbeit zurück, platzt es aus Ulla auch schon heraus. Wie sie einem frechen Brauhauskellner die Meinung gesagt hat. Während sie redet, breitet sich auf Stefans Gesicht ein Grinsen aus. Hallo? Was gibt es denn da zu lachen?

      Statt es Ulla zu erklären, will er es ihr lieber zeigen. Direkt vor Ort in einem Brauhaus. Schließlich haben sie beide auch noch nicht gegessen, und so kann man zwei, wenn nicht drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ulla erfährt Kölner Brauchtum, sättigt ihren Hunger und lernt die typisch kölsche Küche kennen. Da sagt sie nicht nein.

       FUTTERN WIE BEI MUTTERN

      Die Kölner*innen sind im Grund ihres Wesens einfache, liebenswerte Zeitgenoss*innen mit Sinn für – durchaus auch deftigen

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