Fettnäpfchenführer Köln. Dirk Udelhoven
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Ulla versteht kein Wort. »Was?«
Der Beamte rollt mit den Augen. »Personalausweis.« Auffordernd sieht er Ulla an.
Okay, geht doch. Das war klar und deutlich. Sie nestelt ihren Perso aus dem Portemonnaie.
Der Postbeamte studiert ihn, schüttelt den Kopf und brummt: »Der ist nicht mehr gültig.«
Tatsächlich, ihr Personalausweis ist vor einem halben Jahr abgelaufen. Das war ihr gar nicht aufgefallen. Andererseits aber auch kein Beinbruch bzw. kein Grund, ihr das Päckchen nicht auszuhändigen.
Der Postbeamte sieht das anders.
Ulla zeigt ihm ihre Kreditkarte, ihre Mitgliedskarte vom Fitnesszentrum in Itzehoe, ihre Krankenversicherungskarte. Überall steht ihr Name drauf. Sie argumentiert, protestiert, flucht und fleht. Umsonst. Der Beamte nimmt ihr Päckchen und schlappt damit wieder in den hinteren Raum.
Die ältere Kundin hinter Ulla hat das Drama mitbekommen und lacht mitfühlend. »Mädche, kennste net unser Jrundjesetz, Artikel 1?« (Mädchen, kennst du nicht unser Grundgesetz, Artikel 1?)
Ulla blickt die Dame ungläubig an. Jrundjesetz? Also Grundgesetz? Ja, Ulla kennt es und auch Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Leck mich en de Täsch, wat für ’n Malör
Das stimmt. Nur meint die Dame nicht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sondern et kölsche Jrundjesetz, also das kölsche Grundgesetz. Seine Gesetze zu kennen ist in Köln quasi überlebenswichtig.
Herkunft und Alter des kölschen Grundgesetzes sind übrigens unbekannt. In seinem Artikel 1 heißt es: »Et es, wie et es.« (Es ist, wie es ist.) Die Dame wollte Ulla damit sagen, dass sie sich mit der Situation abfinden muss, denn sie kann sie nicht ändern. Der Postbeamte hatte eben die besseren Karten. Er war im Recht. Jammern oder sich aufregen wäre reine Zeitverschwendung.
Schwaadschnüss
Das kölsche Grundgesetz besteht aus mundartlichen Redensarten, die die besondere Lebenseinstellung der Kölner*innen widerspiegeln. Die Leute hier lassen sich nichts sagen, erst recht nicht von irgendwelchen Obrigkeiten. Sie nehmen ihr Leben mit großer Gelassenheit und einem tief verwurzelten Humor, weshalb man auch von der rheinischen Frohnatur spricht.
Aber nicht auf das Grundgesetz der BRD spielt das kölsche Grundgesetz mit seinen zehn Artikeln an, sondern auf die zehn Gebote der Bibel. Früher waren die Kölner*innen zwar zum Großteil katholisch, doch bis heute lassen sie sich von niemandem etwas predigen. Schon gar nicht von einem Paaf (Pfarrer). Deshalb erzählt man sich »die ware Geschischte mit dämm Moses un dänne zehn Rejeln« (die wahre Geschichte mit Moses und den zehn Regeln). Und weil die Kölner*innen Kölner*innen sind, haben sie natürlich noch eine Regel oben drauf gesetzt und aus zehn jecke (verrückte) 11 Regeln gemacht.
1. Et es, wie et es. (Es ist, wie es ist.)
Übertragen heißt es: Sieh den Dingen ins Auge.
2. Et kütt, wie et kütt. (Es kommt, wie es kommt.)
Übertragen: Hab keine Angst vor der Zukunft.
3. Et hätt noch emmer joot jejange. (Es ist noch immer gut gegangen.)
Übertragen: Es gibt eine Vorsehung. Gegen die kann man nichts machen. Also mit der Ruhe.
4. Wat fott es, es fott. (Was weg ist, ist weg.)
Übertragen: Trauer den Dingen nicht nach.
5. Et bliev nix, wie et wor. (Es bleibt nichts, wie es war.)
Übertragen: Sei offen für Neuerungen.
6. Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet. (Kennen wir nicht, brauchen wir nicht, fort damit.)
Übertragen: Sei kritisch, wenn Neuerungen überhandnehmen.
7. Wat wells de maache? (Was willst du machen?)
Übertragen: Füg dich in dein Schicksal.
8. Maach et joot, ävver nit zo off. (Mach es gut, aber nicht zu oft.)
Übertragen: Achte auf deine Gesundheit.
9. Wat soll dä Kwatsch? (Was soll der Quatsch?)
Übertragen: Stell immer die Universalfrage.
10. Drinks de ejne met? (Trinkst du einen mit?)
Übertragen: Komm dem Gebot der Gastfreundschaft nach.
On top:
11. Do laachs de disch kapott. (Da lachst du dich kaputt.)
Übertragen: Bewahr dir eine gesunde Einstellung zum Humor.
3
KÖLSCH IST EINE SCHÖNE SPRACHE
FALLS MAN SIE VERSTEHT
Es lässt sich nicht mehr vermeiden. Ulla lebt in Köln, hat sich in Stefans Wohnung breit gemacht und wird auf absehbare Zeit hier wohnen bleiben. Kurz: Es gibt keine Ausrede, warum sie nicht seine Familie kennenlernen sollte. So sehen das auch Stefan und die Seinen. Sie haben Ulla am Samstag zum Grillabend in ihrem Garten eingeladen. Natürlich nicht sie allein, Stefan kommt selbstverständlich mit. Aber Anlass der Einladung ist, dass sie endlich Stefans Neue sehen wollen. Wie Ulla so etwas hasst! Vermutlich wird sie mit den alten Freundinnen von Stefan verglichen werden. Man wird ihr Geschichten erzählen, die sie nicht hören will, und am Ende werden die Eltern sie nicht mögen.
»Unsinn«, versichert Stefan. Seine Familie hat zwar mehr Macken als der Kölner Dom Steine, aber sie werden Ulla mögen. Weil auch sie einen Knall hat. Das sagt Stefan so zwar nicht, denkt es aber – jedenfalls unterstellt Ulla ihm das.
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Es wird Samstag, der Abend naht, und Ulla kommt aus der Einladung nicht mehr raus. Sich krank zu stellen ist keine Option, Stefan würde ihr nicht glauben. Zu viel Arbeit hat sie auch nicht, und sich ewig drücken macht die Sache am Ende nur noch peinlicher. Also Augen zu und durch? Yes. Augen zu und durch!
Auf der Fahrt über die Zoobrücke auf die andere Rheinseite – Stefans Eltern wohnen in Dellbrück – geht Ulla in Gedanken noch mal durch, was Stefan ihr von seiner Familie erzählt hat. Vater Willi und Mutter Heike. Er im Vorruhestand, sie Verkäuferin