Vier Schlüssel zum König. Merlin T. Salzburg
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»Mein Opa ist schon tot«, bemerkte Otto nur und spielte weiter.
Pünktlich um 8:30 Uhr kamen sie an der Endhaltestelle Gonzenheim an. Dort wartete auch schon der Bus, der die Kinder aus dem Frankfurter Umland in die verschiedenen Camps im Taunus brachte. Für die zwanzig Kilometer nach Oberreifenberg brauchte der Bus fast eine dreiviertel Stunde. Wie immer ging es ziemlich laut zu. Am Ziel angelangt hielt der Bus mitten im Wald, wo auf einer großen Lichtung eine Wohn- und Zeltlandschaft errichtet worden war – das Taunus-Camp.
Tivaro und Otto schulterten ihre Rucksäcke und liefen mit den anderen Kindern Richtung Sammelstelle.
»Ich hoffe, ihr habt alle eure Sportsachen dabei. Wir machen heute nämlich ein Völkerball-Turnier«, sagte Ernst, einer der Camp-Betreuer, den Tivaro und Otto bereits kannten. Sie wurden in Teams zu je sechs Spielern eingeteilt und bekamen von Christian, einem weiteren Betreuer, entweder rote oder blaue Halstücher, damit jeder wusste, wer zu welcher Mannschaft gehört. Dann ging es auch schon los. Tivaro und Otto schlugen sich prächtig und hatten eine Menge Spaß. Bis zum Mittag wurden dann auch noch Staffelläufe und ein paar andere Spiele veranstaltet. Für die abgekämpften und hungrigen Sportler gab es schließlich Essen aus der Gulaschkanone.
In der Mittagspause gingen Tivaro und Otto zum Betreuerzelt. Dort fanden sie Christian und fragten ihn, ob Nico und Jojo sich noch nachträglich für das Ferienlager anmelden könnten.
»Da muss ich erst mal bei der Campleitung nachfragen. Ich gebe euch morgen Bescheid«, versprach Christian.
»Hoffentlich klappt’s für die beiden«, meinte Otto.
»Ich fände es auch toll, wenn die ganze Gang hier wäre«, sagte Tivaro. »Mal sehen, was geht.«
Nachmittags wurden in Tivaros und Ottos Gruppe Lieder gesungen, die Ernst mehr oder weniger schön mit seiner Gitarre begleitete.
»Ich kann nicht mehr singen«, krächzte Otto irgendwann plötzlich. »Meine Stimme kratzt so.«
»Du kommst in den Stimmbruch«, freute sich Tivaro.
»Was?«, kiekste Otto.
»Stimmbruch«, wiederholte Tivaro. »So wie bei mir. Es dauert ein bisschen, bis die tiefere Stimme bleibt. Und so lange es noch nicht soweit ist, geht die Stimme erst mal rauf und runter.«
»Aha«, sagte Otto diesmal in tiefem Brustton und beide lachten.
Pünktlich um sechs kam Elise mit ihrem Fiat und holte die beiden Jungen ab. Tivaro ließ sich mit Otto am Weißen Stein absetzen.
»Ich fahre mit der U-Bahn weiter«, sagte Tivaro.
»Wie du willst«, entgegnete Elise. »Aber spätestens um neun bist du wieder zuhause.«
»Ist okay, Mom«. Tivaro und Otto stiegen aus, und Elise fuhr weiter.
»Ich fahre bis Miquelallee und gehe dann den Rest zu Fuß. Wir treffen uns Morgen wieder im ersten Wagen«, verabschiedete sich Tivaro von seinem Freund. Er kannte den Weg zum Bürgerhospital. Er und Sabrina wurden dort geboren, und mit zehn Jahren war er dort Blinddarm-Patient.
Tivaro betrat das Bürgerhospital gegen halb acht und fragte an der Pforte nach der Station, auf der sein Opa lag. Mit dem Fahrstuhl fuhr er dann in den zweiten Stock. Über der Glastür rechts von ihm hing ein Schild mit der Aufschrift Station B – Chirurgische Abteilung. Hier musste es wohl sein. Er hatte gerade die schwere Glastür geöffnet, als plötzlich ein alter Mann aus einem der Krankenzimmer auf den Gang trat und dann mit hochrotem Gesicht wutentbrannt an ihm vorbeistürmte.
»Geh’ mir aus dem Weg, Rotzlöffel!«, schnauzte er Tivaro an, der sofort erschrocken zur Seite wich.
»Immer schön langsam, Alter!«, rief Tivaro dem Mann hinterher. »Sonst liegen Sie auch bald hier.«
Der Alte lief schimpfend die Treppen nach unten, ohne vom Fahrstuhl Notiz zu nehmen. »Dieser Narr!«, brüllte er durchs Treppenhaus, und Tivaro sah ihm noch eine Weile nachdenklich hinterher. Und dann glaubte er plötzlich, das Gesicht des alten Mannes, das er nur einen Augenblick lang gesehen hatte, von irgendwoher zu kennen. Merkwürdig, dachte Tivaro.
Dann betrat er erneut die Krankenstation und wanderte von Tür zu Tür, bis er vor Zimmer B 214 stand. Genau aus dieser Tür war gerade der alte Mann gekommen! Tivaro drückte vorsichtig die Klinke herunter und betrat dann leise den Raum. Draußen schien noch immer die Sonne, aber man hatte die Fenster mit Vorhängen abgedunkelt. Nur eines von drei Betten war belegt, und darin lag sein Opa.
»Ja, Tivaro! Mein lieber Tivaro!«, rief der Opa erfreut.
»Ach, Opa Reinhard!« Tivaro trat schnell an das Bett und umarmte behutsam seinen geliebten Großvater. »Wie geht’s dir denn?«, fragte er mit Tränen in den Augen.
»Es geht, es geht«, sagte der Opa, doch er klang ziemlich erschöpft. »Weißt du, die geben mir hier Spritzen gegen die Schmerzen im Bein. Und Pillen für dies und Pillen für das. Siehst Du?«
Er zeigte auf einen kleinen fahrbaren Nachttisch aus Metall neben ihm. Darauf lag eine längliche weiße Plastikbox mit Tabletten in verschiedenen Farben.
»Wofür sind die?«, fragte Tivaro.
»Na, zum Essen. Oder glaubst du, die geben mir hier etwas Richtiges?«
»Aber Opa!«, wehrte Tivaro ab, der die Flunkereien seines Großvaters gut kannte.
»Doch, doch! Es ist wahr. Bis Morgen kriege ich bloß Wasser. Und dann komme ich unter das Messer.« Seine Stimme klang düster.
»Du wirst operiert?«
»Ja, die schrauben mich wieder zusammen.«
»Schrauben?«, rief Tivaro erstaunt.
»Ja, mit richtigen Schrauben. So macht man das heutzutage. Und vor der Operation darf ich eben nichts essen. Aber mir ist sowieso der Appetit vergangen.«
»Wieso?«, wollte Tivaro wissen.
»Ach, es ist nichts«, entgegnete Opa. »Nichts als Ärger jedenfalls.«
Da fiel Tivaro die Begegnung draußen an der Glastür wieder ein. »Opa, wer war denn eigentlich der alte Mann, der gerade aus deinem Zimmer kam?«
Opas Gesicht war erst überrascht, wurde aber gleich darauf zornig. »Genau der, Tivaro! Der Kerl ist der Grund für meinen Ärger.« Wütend hämmerte Opa mit der Faust auf seine Bettdecke. »Aua, mein Bein!«, stöhnte er. »Diese miese, hundsgemeine Wühlratte!« Opa Reinhard war richtig blass vor Wut.
»Opa, du darfst dich nicht aufregen! Sag mir doch ganz ruhig, was los ist«, versuchte Tivaro seinen Großvater zu beruhigen. Opa hustete etwas, und wieder verzog er vor Schmerzen sein Gesicht. Tivaro konnte seinen Anblick vor Mitgefühl kaum ertragen.
Opa keuchte. »Du musst dir einen Stuhl holen, mein lieber Tivaro«, sagte er dann. »Ich habe dir nämlich einiges hoch Interessantes zu erzählen.«
Tivaro gehorchte