Vier Schlüssel zum König. Merlin T. Salzburg
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Читать онлайн книгу Vier Schlüssel zum König - Merlin T. Salzburg страница 4
»Wir vielleicht auch«, meinte Otto leise zu Tivaro gewandt.
»Na toll!«, stöhnte Tivaro genervt. »Das hat der Typ sicher alles jetzt erst in der Zeitung gelesen. Unsere Tarnung ist nun jedenfalls dahin. Was sind wir denn für Detektive, wenn hier jeder gleich weiß, wer wir sind?«
»Da hast du Recht«, gab Otto zu. »Ich für meinen Teil habe hier jedenfalls genug herumgeschnuppert. Mir reicht es hier.« Otto spielte damit auf die sogenannten Schnuppertage an. Damit sich die Kinder ein Bild von der Umgebung und vom Leben im Zeltlager machen konnten, wurden nämlich drei Schnuppertage angeboten. Der dritte Tag war heute.
»Mir reicht es hier auch, Otto. Außerdem wäre ich viel lieber bei uns im Garten als hier im Wald mit diesen beiden Betreuer-Spackos. Heute Abend sage ich Mom, dass sie mich hier erst gar nicht anmelden soll.«
»Das gilt auch für mich«, pflichtete ihm Otto bei.
Der Tag wurde nicht besser. Das Mittagessen schmeckte heute abscheulich nach Kantinenfraß, und nachmittags fing es auch noch an zu regnen. Elise holte die beiden Freunde wieder pünktlich um sechs ab. Sie eröffneten ihr sogleich, dass das heute ihr letzter Tag im Camp war.
»Bis jetzt hat euch doch alles noch so gut gefallen?«, wunderte sich Elise.
»Aber Nico und Jojo werden nicht aufgenommen«, erklärte Tivaro. »Und jetzt, wo wir eine Gang sind und unser Hauptquartier im Garten haben, fühle ich mich im Camp ohne die anderen echt fehl am Platze.«
Otto nickte zustimmend. »Außerdem hat Nico gesagt, dass es auch noch andere Camps im Taunus gibt, die vielleicht noch Leute nehmen.«
»Hast du das Schachspiel dabei?«, wollte Tivaro wissen.
»Ja, und hier sind noch zwei Bücher, die auf Opas Nachttisch lagen.« Elise reichte ihrem Sohn zwei dicke Taschenbücher und einen Holzkasten, den man zu einem Schachbrett aufklappen konnte. Er enthielt auch die Figuren, die man zum Spielen brauchte.
Am weißen Stein stiegen die beiden Jungen aus.
»Bis nachher, Mom«, verabschiedete sich Tivaro.
»Ich könnte ein paar Einkäufe erledigen und dich dann abholen«, bot Elise an. »Es soll nachher nämlich wieder regnen.« Tivaro willigte ein. »Aber nicht vor halb neun. So ein Schachspiel braucht lange.« Elise nickte lächelnd. »Bis später, Tivaro!« Tivaro und Otto unterhielten sich noch ein Weilchen auf Ottos Heimweg, und dann fuhr Tivaro wie am Montag mit der U-Bahn weiter bis Miquel-Adickesallee und lief dann den restlichen Weg zum Bürgerhospital zu Fuß.
Wieder betrat er die chirurgische Abteilung im zweiten Stock. Der Fußboden glänzte im Licht der Sonne, und die Luft roch nach Bohnerwachs. Tivaro klopfte leise an die Zimmertür seines Großvaters und trat dann ein. »Guten Abend, Opa Reinhard!«, grüßte er.
»Guten Abend, mein lieber Tivaro. Schön, dass du kommst.«
Tivaro nickte. »Wie geht’s dir denn nach der Operation?«
»Wie man sieht lebe ich noch«, erwiderte der Großvater. Aus seinen Nasenlöchern traten zwei durchsichtige Plastikschläuche, die irgendwo unter der Bettdecke verschwanden. Opa Reinhard bemerkte Tivaros Blicke. »Durch diese Schläuche bekomme ich zusätzlichen Sauerstoff. Das ist nur zur Unterstützung«, erklärte er. »Hast Du denn das Schachbrett mitgebracht? Und meine Lektüre?«
»Klar habe ich«, sagte Tivaro und holte das Schachspiel und die Bücher aus seinem Rucksack.
»Du kannst die Figuren ja schon mal aufbauen«, sagte der Großvater und legte die Bücher in eine Schublade seines Nachttisches. »Das Tablett nehmen wir als Unterlage. Hilf mir mal!«
Tivaro zog das eingehängte Tablett aus dem Nachttisch und klappte es nach außen. Dann begann er die Schachfiguren aufzustellen.
»Der weiße König fehlt ja«, bemerkte Tivaro nach kurzer Zeit.
»Das ist ja seltsam. Wo denn wohl der König ist?« Opa Reinhard spielte den Erstaunten. »Geh mal an meinen Spind, Tivaro. Dort hängt mein Jackett. Und gib mir mal das, was du in der rechten Innentasche findest.«
Tivaro gehorchte und öffnete die Tür des schmalen Blechschranks, der dem Krankenbett gegenüber stand. Als er in die Innentasche des Jacketts griff, zog Tivaro erschrocken seine Hand zurück. Dann griff er erneut hinein und hielt zwei Gebisshälften in der Hand. »Deine Zähne, Opa«, meldete Tivaro etwas verwirrt.
»Falsche Seite. Such in der anderen Innentasche«, lachte der Großvater.
Tivaro angelte den fehlenden Schachkönig aus der Innentasche des Jacketts. »Wieso hast du denn den König in deiner Jacke?«, wunderte er sich.
»Weil er dort vermutlich am besten aufgehoben ist. Bei Leuten wie Rupert Raff kann man nie wissen, was sie im Schilde führen. Wenn Rupert gewusst hätte, dass ich den weißen Schachkönig bei mir im Jackett habe, hätte er mich gestern bestimmt bestohlen. Deshalb bat ich dich, das Schachspiel zu holen. Ich möchte nämlich, dass du es an dich nimmst mitsamt diesem König. Ohne König kann man schließlich nicht gut spielen.«
»Was hat es denn mit dem König auf sich, Opa?«, fragte Tivaro neugierig.
»Sieh mal draußen nach, ob die Luft rein ist«, sagte Opa Reinhard.
Tivaro ging zur Tür, öffnete sie und blickte auf den Gang hinaus. »Niemand zu sehen«, sagte er.
»Gut. Nimm dir einen Stuhl und setze dich zu mir ans Bett. Ich will dir nämlich die Geschichte mit dem Nazi-Schatz zu Ende erzählen. Dann wirst Du auch gleich mehr über den König erfahren. Oder willst du lieber Schach spielen?«
»Natürlich will ich die Geschichte weiterhören«, sagte Tivaro voller Eifer und hatte schon einen Stuhl neben Opas Bett geschoben.
»Ich erzähle dir nun etwas von damals, als ich selbst noch ein kleiner Junge war«, begann Tivaros Großvater. »Ich war gerade mal sieben, und mein Vater war Förster im Taunus. Der Krieg war schon fast vorbei, als die Nazis eine Menge Gold im ganzen Land versteckten. Mein Vater erzählte uns damals von seltsamen Grabungen im Wald, von denen niemand Genaueres wusste. Wir waren natürlich neugierig. Viele Gebiete im Wald wurden damals von den deutschen Soldaten abgesperrt. Als dann gegen Ende des Krieges die Amerikaner kamen, verschwanden die deutschen Soldaten aus dem Wald. Manche flüchteten auch aus der Armee. Und so kam es, dass eines Tages ein verletzter deutscher Soldat Zuflucht bei uns im Forsthaus suchte. Dieser Mann besaß eine Karte ...«
»Was für eine Karte?«, hakte Tivaro gespannt nach.
»Eine Schatzkarte. Auf ihr ist ein unterirdischer Stollen eingezeichnet, der sich mit mehreren Gängen irgendwo durch den Taunus zieht.« Tivaros Großvater nahm den weißen König vom Schachbrett. Dann löste er den grünen Filzbelag vom Boden der Schachfigur und zog ein Röllchen Papier daraus hervor. »Sieh mal, Tivaro! Dies ist eine Kopie der Karte. Genauer gesagt, meine eigene Kopie.«
Opa Reinhard übergab