Traumberuf Tänzer. Wibke Hartewig

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Traumberuf Tänzer - Wibke Hartewig

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war mir immer klar. Deshalb war ich auch nicht wie viele meiner Kollegen geschockt, als ich bei meinem ersten Engagement in die Gruppe gesteckt wurde, obwohl ich doch vorher in der Ausbildung die ganzen Solo-Partien gelernt und meine Primaballerinenträume kultiviert hatte.«

      Buckley sieht ihren Solotänzerinnen-Status vor allem als Ergebnis jahrelanger Arbeit an, Dranbleiben und Sich-Durchbeißen ist ihre Devise, und dafür liefert ihr ihre Liebe zum Tanz die nötige Motivation. Außerdem entspricht sie körperlich dem Klischee der klassischen Tänzerin: langer Hals, hübscher Kopf, schöne Füße, Technik, Ausstrahlung. Und sie wird – wie viele ihrer Solo-Kollegen auch – innerhalb der Kompanie entdeckt und gefördert: von einem Gastchoreographen, der sie von Anfang an in seinen Stücken gut besetzt.

      Dass sie so viele Jahre bei einer Kompanie bleibt, hat sie nie geplant, lange denkt sie, dies sei nur ein Zwischenstopp. Sie tanzt beispielsweise am American Ballet Theatre vor und bekommt die Chance, dort anzufangen. Da sie zeitgleich ihren zukünftigen Mann in der alten Kompanie kennenlernt, entscheidet sie sich letztlich aus privaten Gründen dagegen. Im Nachhinein bedauert sie es etwas, dass sie mit 30 nicht noch einmal den Sprung gewagt hat und zu einem spannenden Choreographen in eine kleinere Kompanie gewechselt ist:

      »Ich war 20 Jahre auf der Bühne, mit Spitzenschuhen, Tutu und Krönchen, war glücklich, hatte eine sehr gute Position und sehr viel Glück. Aber wenn ich sehe, wie die Choreographen mit ihren Leuten arbeiten, vermisse ich das manchmal. In einer kleineren Kompanie zu arbeiten, nicht in dieser großen Hierarchie, und vielleicht individueller, wo es dann auch um mich geht, wo sich ein Choreograph mit mir beschäftigt und mir auch Freiheiten lässt. Hier haben die Gastchoreographen natürlich auch Stücke für die Kompanie gemacht, aber es gab immer schon ein Schema, in das man reinpassen musste. In einer kleineren Kompanie ist man plötzlich wichtig.«

      Im Verlauf ihrer Bühnenkarriere kann Buckley beobachten, wie sich gewisse Dinge in den großen Ballettkompanien verändern. So hat sich etwa das Corps de Ballet stark verjüngt; Jugend, hohe Beine und ein schöner Körper scheinen nun in stärkerem Maß ausschlaggebende Kriterien für ein Engagement zu sein. Für Buckley hat sich damit eine Kluft zwischen Gruppe und Solisten, dem ›Dekor‹ und den Rollen aufgetan. Früher bestand durch die Altersdurchmischung im Corps eine Hierarchie, welche die Gruppe zusammenhielt: Die Jüngeren konnten sich von den Älteren etwas abschauen, wurden von ihnen korrigiert und häufig auch getröstet. Das ist nun nicht mehr möglich; dafür ist der Tanz noch sportlicher, athletischer und virtuoser geworden. Außerdem bringen die Berufsanfänger mittlerweile andere Erwartungen mit: Sie möchten schneller etwas erreichen – durchaus verständlich, wenn umgekehrt von ihnen verlangt wird, dass sie als fertige Tänzer an die Bühnen kommen und ihnen auch als Eleven keine Zeit mehr eingeräumt wird, ihre Ausbildung durch Extratraining und allmähliches Sammeln von Bühnenerfahrung zu vervollständigen. Dadurch sei, so Buckleys Eindruck, der Respekt den Älteren gegenüber etwas verloren gegangen. Die Neuen werden in der Regel rascher mit Solopartien betraut, allerdings hoffen sie oft vergeblich auf eine Beförderung, da keine Zeit bleibt, jemanden wirklich aufzubauen. Auch das Rollenstudium findet weniger Raum: »Die Direktoren sehen irgendwo Talent, und auf die Bühne, fertig, los, die wird das schon irgendwann kapieren.«

      Der Abschied von der Bühne beginnt für Maria-Helena Buckley schleichend, eine lange Phase des Abbaus. »Plötzlich bekam ich nicht mehr so viele und gute Rollen, obwohl sich bei mir leistungsmäßig nichts verändert hatte. Ich hatte immer geglaubt, dass es reicht, sein Bestes zu geben, gut zu sein. Man muss aber auch politisch korrekt sein, das heißt, viel Zeit vor der Ballettdirektion verbringen und immer wieder nachfragen.« Buckley muss damit zurechtkommen, dass andere ihre Rollen übernehmen, dass sie mit ihren 33 Jahren plötzlich als alt abgestempelt wird, obwohl sie das Gefühl hat, künstlerisch erst richtig in Fahrt zu kommen. »Vorher war alles so anstrengend. Jetzt weiß ich, warum ich das mache, und jetzt darf ich nicht mehr.« Da man nach 15 Jahren Festengagement am selben Haus unkündbar wird und bis zur Rente in einer anderen Position weiterbeschäftigt werden muss, bekommen die meisten Tänzer kurz vorher ihr Kündigungsschreiben – so auch Buckley. Doch darf das laut Gesetz niemals der offizielle Grund der Kündigung sein. »Sie dürfen nicht sagen, warum jemand wirklich gehen muss, also erfinden sie ihre Gründe. Das ganze Negative, das nagt am Selbstbewusstsein. Man zweifelt viel an sich, man muss trotzdem den Mut haben, auf die Bühne zu gehen, aber man wird immer unsicherer.«

      Für Buckley ist es eine riesige Enttäuschung zu erleben, wie respektlos die Ballettdirektion sie behandelt. »Du gibst alles, deine Seele, und dann wird dir einfach in einem Brief gesagt: Tschüss, alles Gute für Ihre Zukunft. Kein Gespräch mit dem Intendanten. Man ist nicht darauf vorbereitet, dass man ohne Probleme ersetzbar ist. Es zählt überhaupt nicht, was du geleistet hast. Das ist sehr, sehr schwer.«

      Es dauert eine Weile, bis der Schmerz nachlässt. »Man muss sehr aufpassen, dass man nicht verbittert wird. Ich bin froh, dass ich den Leuten von der Direktion mittlerweile wieder normal begegnen kann. Aber das hat eine Zeit gedauert.«

      Als Tänzerin sieht Buckley für sich keine Alternativen. Sie will keine halben Sachen machen und hört von einem Tag auf den anderen mit dem Tanzen komplett auf – was dazu führt, dass sich alle alten Verletzungen bemerkbar machen und sie unter starken Schmerzen leidet. Zum Glück hat sie noch während ihrer aktiven Tanzzeit die Kamera entdeckt, die ihr, wie sie im Rückblick sagt, vielleicht das Leben gerettet hat. Heute, zwei Jahre nach Ende ihrer Bühnenkarriere, ist Maria-Helena Buckley in einem neuen Beruf angekommen, in dem sie ihrer großen Leidenschaft Ballett weiterhin treu bleiben kann: als selbstständige Tanzfotografin.

      »Die Traumwelt, in der ich damals gelebt habe, hat sich verändert, aber es war ein Traum, ein guter Traum von mir, der zwischendurch auch Alpträume beinhaltete. Das Aufwachen war sehr schmerzhaft, aber es hat mir auch etwas Neues gegeben. Jetzt wo ich draußen bin, kann ich sagen, dass man in dieser Traumwelt auch sehr geschützt ist – trotz aller Probleme und Dramen. Allein in der freien Szene mit drei Berufen, das ist schon eine ganz andere Geschichte.«

      Zuerst ist es der Gruppendruck im Kindergarten, der dafür sorgt, dass die vierjährige Alexandra Marschner »auch so ein Tutu« will. Nach einem Jahr Kinderballett hat sie fürs Erste genug. Das nächste Mal ist es ihre Freundin, die sie mit acht zu einem Ballettkurs beim Turnerbund mitnimmt. Hier fängt Marschner Feuer. Zwischen acht und dreizehn trainiert sie bereits zweimal die Woche. Der Tanzsaal wird ihre Welt, ihr zweites Zuhause.

      »Spätestens mit zwölf habe ich aus dem Ballett-Unterricht-Besuchen etwas gemacht, was mit Meditation zu tun hat. Ich wusste damals den Namen nicht, aber dieses ganze Rituelle. Man hatte die und die Stulpen, und man musste das und das Körbchen bereithalten. Allein die Fahrt dahin. Und diese Musik. Die habe ich mir sogar zum Einschlafen angehört. Das hat mich beruhigt, das habe ich einfach gerne gehört. Es hat eine große Rolle gespielt, dass das Tanzen feste Strukturen geschaffen hat. Beim Ballett gab es auch Stress, aber guten.«

      Marschner lebt ihren Bewegungsdrang aus, ist ehrgeizig, erweist sich als begabt und bringt es so weit, dass sie mit 13 Jahren mit dem Spitzentanz beginnen darf. Sie liebt die Momente, in denen sie ihren Körper vollkommen beherrscht, in denen sie an ihre Grenzen gehen und über sich hinauswachsen kann. Rückblickend und um einige Erfahrungen in anderen Bewegungskünsten reicher, ist sie sich sicher: »Es war auch die Radikalität, die ich brauchte. Also Kampfsport oder Ballett. Bei etwas anderem schlafe ich ja ein.«

      Im folgenden Jahr kugelt sie sich im Training zweimal das Knie aus. Nach dem zweiten Mal geht sie zum Orthopäden, der feststellt, dass die Ränder der Gelenkpfanne zu flach sind. Ihre Mutter bekommt zu hören: Wenn das meine Tochter wäre, würde ich sie nicht mehr ins Ballett lassen. Marschners Mutter überlässt ihrem Kind die Entscheidung: »Du sollst das machen, was du möchtest.«

      Alexandra Marschners Vertrauen in ihre Fähigkeiten

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