Im wilden Balkan. David Urquhart
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In Ambelákia wurde ich in das sogenannte Serail einer jener Herrschaften geführt. Es war geräumig und hoch, im türkischen Stil errichtet, mit heiteren Farben bemalt und mit einem Überfluss von Vergoldungen, Dekorationen, Schnitzwerk und Arabesken geziert. Ich erwartete natürlich, alles auf europäische Weise zu sehen, fand aber, dass alles der wahre Gegensatz zu Europa war. Höhere und niedere Fußböden; Bohnenranken, die die Zimmer durchschnitten; Doppelreihen von Fenstern in allen Zimmern und ein Überfluss an mattem Glas; nirgends Gänge, in denen man sich die Nase quetschte; nirgends das Zusammenstoppeln von Kasten an Kasten, die man Zimmer nennt, als wären die Zimmer zusammengewachsen, um das Haus zur Tür hinauszudrängen; nirgends Geräte, um halb darauf zu sitzen, die man Stühle nennt; nirgends höhere Fußböden, um Speisen darauf zu setzen, die man Tische nennt; sondern nach allen Seiten lustige Räume zum Umhergehen; Ruhestätten, die wirklich zum Haus gehörig schienen und nicht das Tageslicht zwischen sich und den Fußböden durchblicken ließen; Freiheit der Bewegung im Mittelpunkt; Einladungen zum Ausruhen rund umher, und wohin man auch die Augen wendete, boten die dicht aneinander, ohne Zwischenräume gebauten Fenster eine freie Aussicht auf die Pracht der umgebenden Natur.
Bild des Kaufmanns Giorgios Mauros (1783-1818), der aufgrund seiner intensiven Handelsbeziehungen nach Österreich und Deutschland den Namen „Schwar(t)z“ annahm.
Ich fand hier meinen Reisegefährten, der aus Larissa gekommen war, um mich zu erwarten, vom Fieber genesen, aber sehr beunruhigt über mein Leben und äußerst verdrießlich und entrüstet über den Charakter der Bewohner eines Ortes, den er mit ähnlichen Erwartungen wie ich betreten hatte. Der Unterschied zwischen diesem Ort und allen anderen, die wir besucht hatten, hätte uns beinahe auf den Gedanken gebracht, wir wären von einer Welt in die andere gekommen. Es kamen keine Besuche der angesehensten Leute, um uns willkommen zu heißen, nirgends fanden wir das zarte und warme Gefühl, das uns sonst überall sogleich heimisch gemacht hatte. Versuchten wir die Hausbewohner zu sehen, so starrten sie uns an oder rannten davon. Die Frauenzimmer hüllten Tücher um ihr Gesicht, und die Männer verließen das Haus. Entschlossen, einer so seltsamen und ungewohnten Aufnahme auf den Grund zu kommen, ging ich auf die Gasse, und da ich in einem sehr zierlichen Haus die Tür offen stehen sah, ging ich die Treppe hinauf und trat in den Divan-Hanéh1, wo ich verschiedene Dorfbewohner im Gespräch fand. An allen anderen Orten würde ein solcher Besuch Äußerungen des Willkommens, selbst der Dankbezeugung hervorgerufen haben, hier jedoch entstanden Erstaunen und Verlegenheit. Ich erzählte ihnen, dass ich ein Fremder wäre, angezogen von dem Ruf Ambelákias und den Schönheiten Tempes. Sie fragten mich, ob ich ein Bujurdi2 vom Pascha von Larissa hätte. Ich antwortete, dass ich unter den Klephten des Olymps nicht nach einem Bujurdi gefragt worden wäre. Sie erklärten mir darauf, in Ambelákia wäre nichts zu sehen, sie hätten mir keine Auskunft zu geben, und unsere Anwesenheit könnte ihnen bei den Türken nachteilig und gefährlich werden. Ich konnte mich nicht enthalten, mein höchstes Erstaunen über den Empfang an einem Ort auszudrücken, dem ich mich mit so großem Interesse genähert hätte, und über den Unterschied zwischen ihnen und ihren Landsleuten, während ich vielmehr bei Leuten, die so viele Verbindungen mit Europa hätten, Gefühle ganz anderer Art erwartet hätte. Einer von ihnen erwiderte: „Seid Ihr es etwa in Europa gewohnt, in Häuser von Leuten zu gehen und darin zu wohnen, die Ihr nicht kennt, und auf Kosten von Leuten, die Euch nicht kennen? Was beabsichtigen zwei junge Leute damit, dass sie in ein Dorf kommen und dort bleiben, wo sie nichts zu tun haben, und in einem Haus, wo nur Frauen sind?“ Ich verließ sie mit Entrüstung, nachdem ich indes eine gute Portion der Ausdrücke wiederholt hatte, die ich von Diogenes gelernt, der den Charakter seiner Landsleute bewundernswürdig gut beurteilte.1 Ich kehrte zu meinen Gefährten zurück und schlug vor, den unwirtlichen Ort augenblicklich zu verlassen und zu versuchen, ob wir von den Türken in Babá2 besser behandelt würden. Es ist vielleicht überflüssig zu sagen, dass wir den Eintritt nicht erzwungen hatten, weder in das Dorf, noch in das Haus, da nämlich der griechische Erzbischof und der Kiaja Bey3 eine gemeinschaftliche Empfehlung vorausgeschickt hatten, jenes Haus zu unserer Aufnahme einzurichten.
Der Vorschlag, den Ort zu verlassen, war denn kaum ausgesprochen auch schon angenommen worden. Indes ergab sich eine Schwierigkeit, denn mein getreuer Aristoteles war das einzige vierfüßige Tier, über dessen Dienste wir gebieten konnten. Wir mussten daher unsere Sättel und unser Gepäck auf seinen alleinzigen Rücken packen und ihn voraus nach Babá treiben. Gerade als wir diese Einrichtung getroffen hatten, die wir ganz allein selbst besorgen mussten – denn jede Seele rannte vor uns davon als wären wir Pestkranke –, kam ein Albaner die Treppe herauf, klirrte wie eine rasselnde Waffentrophäe in den Divan-Hanéh, wo wir saßen, setzte sich und sprach in unsere erstaunten Ohren: „Suppenfresser (Tschorbadschi), steht auf und geht fort!“ Wir fragten, woher denn dieser höfliche Gruß käme. „Ich bin“, antwortete er, „der Kavasch1 des Aga, und der Kodscha Baschi2 befiehlt euch, augenblicklich dies Haus zu verlassen und eurer Wege zu gehen.“3. Der Kavasch nahm seinen Abgang ebenso wenig zeremoniell, aber etwas eiliger als seinen Eintritt, und nie ist jemand schneller eine Treppe hinuntergekommen. Das Hausgesinde zuerst und dann alle Ambelakioten insgesamt waren bei diesem Ausgang ihres Staatsstreiches wie vom Donner gerührt, und bevor noch Aristoteles beladen war, kamen alle Weiber des Hauses – denn die Männer hielten sich noch fern – und baten und flehten, wir möchten sie doch nicht verlassen. Der Kavasch wäre ein böser Albaner, ein Wilder, ein Barbar, der weder unsere Verdienste noch unsere Größe kenne und um Verzeihung bitte. Wir sagten, das wäre jetzt eine Sache, die sie mit dem Pascha ausmachen müssten. Diese Erklärung erzeugte einen sonderbaren Auftritt tränenreicher Erklärungen und reichte hin, uns die groben, frechen und doch so kriechenden Wichte zuwider zu machen, aus denen diese Gemeinde zu bestehen schien – ein kleines Beispiel von dem moralischen Krebsschaden, der ein heruntergekommenes Handelsvolk ergreift.
Wir schritten abwärts, begleitet von den stummen Blicken der Einwohner, die herausgekommen waren, um unsern Auszug anzusehen. Zuerst kam der Diener meines Gefährten, ein Tscherkesse, mit einem gräulich grimmigen, grämlichen Gesicht, einen Strick, das Halfter meines Aristoteles, fest umklammernd und mannhaft ziehend, dann kam Aristoteles, Kopf und Hals waagerecht ausgestreckt, mit einem Pelion von Gepäck auf seinen Ossa getürmt. Wir folgten, jeder mit einem tüchtigen Knüppel, um das Gepäck zu halten und das Maultier anzutreiben. Als wir so fortzogen, gaben wir den Ambelakioten Hohn für Hohn zurück, und schüttelten den Staub von unseren Füßen, als wir den Ort räumten. Gegen Sonnenuntergang erreichten wir das Dorf Babá, um Gastlichkeit zu erbitten und Obdach zu suchen. Die