Zu den Klippen von Vanikoro. Jean-Francois de Lapérouse
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Die Ortschaften, die die Bewohner von Santa Catarina und dem nahen Festland angelegt haben, liegen alle am Meer. Die Wälder würzen die Luft mit den köstlichsten Gerüchen, da sie eine große Zahl von Orangenbäumen und anderen aromatischen Pflanzen enthalten. Ungeachtet dieser Vorzüge ist das Land so arm und so gänzlich von Manufakturwaren entblößt, dass man die dortigen Bauern nur fast nackt oder in Lumpen gehüllt einhergehen sieht. Die Ländereien, die sich am besten für Zuckerplantagen eignen, bleiben unbebaut, weil es den Eigentümern an Sklaven fehlt und sie nicht genug Geld haben, um sich welche zu kaufen. Der Walfang um Santa Catarina ist zwar sehr einträglich, aber ein Vorrecht der Krone, die die Konzession an eine Lissaboner Handelsgesellschaft vergeben hat. Diese Gesellschaft besitzt an der Küste drei große Niederlassungen, in denen jährlich etwa viertausend Wale gefangen und verarbeitet werden. Der ganze Ertrag an Tran und Walsperma geht über Rio de Janeiro nach Lissabon. Die Einwohner von Santa Catarina sind die müßigen Zuschauer dieses Handels, von dem sie nicht profitieren. Wenn die Regierung ihnen nicht unter die Arme greift und ihnen Zollerleichterungen oder Vergünstigungen bewilligt, die dem Handel förderlich sind, wird dieser Landstrich, einer der schönsten auf der Welt, in immerwährender Armut schmachten und dem Mutterland nicht den geringsten Nutzen verschaffen.
Unsere Ankunft verbreitete im Land große Unruhe. Verschiedene Forts gaben Kanonenschüsse ab; ich hielt es daher für ratsam, sogleich vor Anker zu gehen und einen Offizier mit der Erklärung an Land zu senden, dass wir nur friedliche Absichten hegten und uns mit Wasser, Holz und einigen Erfrischungen zu verproviantieren wünschten.
Santa Catarina
Herr de Pierrevert, dem ich diesen Auftrag erteilt hatte, traf die kleine Garnison der Zitadelle unter Waffen an; sie bestand aus vierzig Soldaten und einem Hauptmann, der einen Eilboten in die Stadt schickte, um den Gouverneur, Infanterie-Brigadier Don Francisco de Baros, zu informieren. Er gab sofort die Anordnung, uns alles, was wir brauchten, zum billigsten Preis zu verkaufen. Jeder der beiden Fregatten wurde ein portugiesischer Offizier zugeteilt, die unseren Proviantmeister zu den Einwohnern begleiteten, um den Einkauf der Lebensmittel zu überwachen.
Don Francisco de Barros, der Gouverneur der Statthalterei, sprach fließend Französisch; seine ausgedehnten Kenntnisse trugen ihm unser Vertrauen ein. Er lud uns Franzosen an seinen Mittagstisch und bestätigte uns während des Essens, dass die Insel Ascençaon nicht existiere. Zum Beweis hierfür erzählte er uns, der Generalgouverneur von Brasilien habe im vergangenen Jahr ein Schiff auslaufen lassen, um die Gegend, in der die Insel liegen solle, genau zu untersuchen. Das Fahrzeug sei unverrichteter Dinge wieder zurückgekommen, und man habe Ascençaon aus den Seekarten ausgestrichen, damit sich der Irrtum nicht ewig fortpflanze. Er setzte hinzu, die Insel Trinidad habe stets den Portugiesen gehört und sei von den Engländern, als die Königin von Portugal dies verlangt habe, sofort geräumt worden.
Am folgenden Tag um elf Uhr kamen die zur Astrolabe und zur Boussole gehörenden Boote wieder an Bord zurück. Man benachrichtigte mich von dem unmittelbar bevorstehenden Besuch von Generalmajor Dom António da Gama; er kam aber erst am 13. und überbrachte mir ein sehr verbindliches Schreiben des ranghöchsten Offiziers der Kolonie.
Da nun die Jahreszeit ziemlich weit fortgeschritten war, hatte ich allen Anlass, unsere Abfahrt zu beschleunigen, dies umso mehr, als unsere Leute so gesund und munter waren, wie man es sich nur wünschen konnte. Bei unserer Ankunft hatte ich mir geschmeichelt, innerhalb von fünf oder sechs Tagen wieder in See stechen zu können, allein die Südwinde waren so stürmisch und die Meeresströmung so stark, dass wir oft nicht an Land gehen konnten, was unsere Abfahrt hinauszögerte.
Am 16. abends, nachdem bereits alles eingeschifft war, ließ ich dem Gouverneur meine Briefschaften zustellen, da er sich auf sehr höfliche Weise erboten hatte, sie nach Lissabon weiterzuleiten. Alle Mannschaftsangehörigen erhielten die Erlaubnis, ihren Verwandten und Freunden zu schreiben. Wir hofften, am nächsten Tag die Segel hissen zu können, doch hielten uns die Nordwinde, die uns auf offener See äußerst günstig gewesen wären, bis zum 19. November in der Bucht zurück. An diesem Tag machten wir uns in aller Frühe segelfertig, da aber plötzlich Windstille eintrat, sah ich mich gezwungen, wieder für einige Stunden vor Anker zu gehen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit konnten wir uns durch die von vielen Inseln gesäumte enge Fahrrinne hindurchwinden.
Wir hatten auf Santa Catarina eine solche Menge Ochsen, Schweine und Federvieh gekauft, dass unsere Mannschaft länger als einen Monat davon zehrte. Auch hatten wie unsere dendrologische Sammlung um Orangen- und Zitronenbäume bereichert. Unser Gärtner legte Vorräte an Orangen- und Zitronenkernen, von Mais, Reis und Samenkörnern der Baumwollstaude an, die wir den Bewohnern der Südseeinseln zu überlassen gedachten, da es ihnen daran, nach den einstimmigen Berichten der Seefahrer, fehlt.
Am Tag unserer Weiterfahrt gab ich Herrn de Langle, dem Kommandanten der Astrolabe, neue und genauere Verhaltensmaßregeln, da wir nunmehr in Gewässer kamen, die immer mit Nebel bedeckt sind und von Stürmen heimgesucht werden. Für den Fall, dass uns ein Unwetter trennen sollte, vereinbarten wir, dass der Hafen Bon Succès an der Le-Maire-Straße zwischen Feuerland und der De-los-Estados-Insel unser erster Treffpunkt sein sollte, vorausgesetzt, wir hätten bis zum 1. Januar nicht diese Breite hinter uns gelassen. Zum zweiten Sammelpunkt bestimmte ich die Venus-Landspitze auf der Insel Tahiti. Ich unterrichtete Herrn de Langle davon, dass ich meine Nachforschungen im Atlantik nicht weiter auszudehnen gedächte als bis zur Insel Grande de la Roche4, weil ich mich wegen der Kürze der Zeit unmöglich darauf einlassen könne, eine Durchfahrt auf der Südseite der Sandwich-Inseln zu suchen. So leid es mir tat, nicht weiter östlich auf Entdeckungen ausgehen zu können, so wenig konnte ich mir doch erlauben, den in Frankreich erhaltenen Weisungen diametral entgegenzuhandeln. Hätte ich es getan, so hätte ich mich ja auch der Gelegenheit beraubt, Briefe in Empfang zu nehmen, die ich vom Minister erwartete und die vielleicht wichtige Befehle enthielten.
Bis zum 28. hatten wir ungemein schönes Wetter, dann aber wurden wir von einer sehr heftigen Windböe überfallen, die aus Osten kam. Es war der erste Zwischenfall dieser Art seit unserer Abreise aus Frankreich. Zu meiner Genugtuung machte ich bei dieser Gelegenheit die Beobachtung, dass unsere Schiffe, obschon sie schlechte Segler waren, sich während des Sturms gut hielten und folglich imstande waren, den ungestümen Fluten, die wir von nun an durchschiffen mussten, Widerstand zu leisten. Am 7. Dezember befand ich mich auf dem angeblichen Parallelkreis der Insel Grande, also aufgrund unserer Distanzberechnungen unter 44 Grad 38 Minuten südlicher Breite und 34 Grad westlicher Länge. Wir sahen eine Menge Seegras vorübertreiben, und schon seit einigen Tagen sammelten sich um unsere Schiffe Seevögel von der Gattung der Albatrosse und Sturmvögel, die sich nur in der Brutzeit dem Land nähern. Bis zum 24. Dezember segelte ich zwischen dem 44. und dem 45. Breitengrad und durchlief diesen Parallelkreis bis auf 15 Grad Länge. Am 27. Dezember gab ich meine Nachforschungen auf, weil ich jetzt davon überzeugt war, dass es die Insel Grande gar nicht gab. Ich hatte gelernt, dass Seegras und Sturmvögel kein Beweis für die Nähe von Land sind. De la Roches Behauptung, er habe auf der Insel, die seinen Namen trägt, hohe Bäume gesehen, hat nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit für sich. Man darf als sicher annehmen, dass auf einer Insel, die unter dem 45. Grad mitten im südlichen Weltmeer liegt, nur die allerdürftigste Vegetation herrscht.
Am 25. Dezember drehte der Wind nach Südwest und hielt nun mehrere Tage denselben Strich. Hierdurch sah ich mich genötigt, meinen Lauf nordwestwärts zu wenden und den Parallelkreis, in dessen Bereich ich zwanzig Tage lang geblieben war, hinter mir zu lassen. Da ich nun die Stelle, an der die Insel Grande der allgemeinen Angabe nach liegen soll, nicht weiter im Auge behielt und geradewegs nach Westen steuerte, kamen mir doch Bedenken, denn es stand zu befürchten, dass