Die bedeutenden Historiker. Lars Hoffmann
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Im weiteren Sinne der Geschichtsschreibung zuzuordnen ist noch seine Lebensbeschreibung (gr. Iosepu bios), die teils eigenständig, teils als Anhang zu den Jüdischen Altertümern überliefert ist. Teilweise überschneidet sich dieser Text mit den beiden zuvor genannten Werken, doch spielt das Motiv der persönlichen Rechtfertigung seines Verhaltens im römisch-jüdischen Krieg sowie sein Frontwechsel unter Vespasian bzw. Titus eine entscheidende Rolle. Gerade dies musste ihn vor seinen Glaubensgenossen als suspekt erscheinen lassen, ein Element, das sich in der nur sehr geringen Rezeption seines Werkes in der hebräischen Literatur der Folgezeit widerspiegelt. Ganz anders sah dies im griechischen und lateinischen Mittelalter aus, für das man eine starke Verbreitung seiner beiden Hauptschriften annehmen kann, und auch für den frühen Buchdruck sind hohe Auflagenzahlen belegt. Grund dafür dürfte in erster Linie gewesen sein, dass Iosephus Zeitgenosse Jesu Christi war und sich im überlieferten Text zwei Hinweise auf Jesus finden, auch wenn diese trotz immer wieder von kirchlicher Seite propagierter Einwände eindeutig als Einfügungen späterer Kopisten identifiziert werden konnten. Daneben schließen die Texte aber die zeitliche Lücke zwischen den beiden biblischen Testamenten, sie bieten also für einen christlichen Leser wesentliche Informationen, über die er anderweitig nicht verfügte. Im Umkehrschluss erschwerte dies natürlich seine Lektüre innerhalb des Judentums umso mehr.
Werke:
Flavius Josephus. Der Jüdische Krieg und Kleinere Schriften. Mit der Paragraphenzählung nach Benedict NIESE. Wiesbaden 2004.
Flavius Josephus, Jüdische Altertümer. Mit Paragraphenzählung nach Flavii Josephi Opera recognovit Benedictus Niese (Editio minor). Wiesbaden 2004.
Weiterführende Literatur:
Z. ROGERS, Making History. Iosephus and Historical Method. Leiden u.a. 2007 (Supplements for the Journal of the Study of Judaism, 110).
K.-St. KRIEGER, Geschichtsschreibung als Apologetik bei Flavius Josephus. Tübingen 1994 (Texte u. Arbeiten z. neutestamentl. Zeitalter 9).
H. LINDNER, Die Geschichtsauffassung des Flavius Josephus im Bellum Iudaicum. Gleichzeitig ein Beitrag zur Quellenfrage. Leiden u.a. 1972 (Arbeiten z. Geschichte d. antiken Judentums u. d. Urchristentums 12).
R. LAQUEUR, Der jüdische Historiker Flavius Josephus. Ein biographischer Versuch auf neuer quellenkritischer Grundlage. 2. Aufl. Gießen 1920 (Neudruck Darmstadt 1970).
Plutarchos aus Chaironeia
Plutarch ist der letzte bedeutende griechische Historiker der klassischen Antike. Geboren wurde er um das Jahr 46 in Chaironeia, einer griechischen Stadt in der Landschaft Böotien gut 50 km nördlich von Athen. Seine Familie war durchaus wohlhabend, sodass er sich einer philosophischen und rhetorischen Ausbildung unterziehen konnte. Diese erhielt Plutarch in Athen, wo zu seiner Zeit der aus Alexandria stammende Philosoph Ammonios lehrte, dessen Arbeiten dem Ziel gewidmet waren, Platon und Aristoteles in ein philosophisches System zu bringen. Nach eigenem Zeugnis beschäftigte sich Plutarch aber auch mit den Lehren der Stoiker und der Epikureer, die er mit kleineren Schriften bekämpfte. Zurückgekehrt nach Chaironeia bewirtschaftete er dort das Gut seines Vaters, das er geerbt hatte, da sein älterer Bruder Lamprias offenbar schon verstorben war. Mit seiner Frau Timoxena hatte er vier Kinder, von denen ihn nur die beiden Söhne Autobulos und Plutarch überleben sollten. Bedingt durch seine Bildung und seine soziale Position übernahm er eine ganze Reihe von öffentlichen Ämtern, zusätzlich wurde er im Jahr 95 in die Priesterschaft des Apollotempels von Delphi aufgenommen. Außerdem setzte er sein Geld dafür ein, in Chaironeia eine Schule für Philosophieunterricht zu gründen, an der er auch selbst lehrte. Wie sein Lehrer Ammonios sah er sich dabei in erster Linie dem (mittleren) Platonismus verpflichtet.
Als Kind seiner Zeit bereiste Plutarch wiederholt die östliche Mittelmeerwelt, was ihn unter anderem nach Alexandria, Kleinasien und mehrere Male auch – offenbar in der Funktion eines Gesandten seiner Heimat – nach Rom brachte, wo durchaus ein hohes Interesse an griechischem Bildungsgut bestand. Denn wie er selbst berichtet, habe er dort des Öfteren Vorträge in seiner Muttersprache gehalten. Dabei gelang es ihm, Freundschaft mit Lucius Mestrius Florus, einem Vertrauten des Kaisers Vespasian, zu knüpfen, der ihm höchstwahrscheinlich zur Verleihung des römischen Bürgerrechts verhalf. Jedenfalls nahm er Mestrius als römischen Gentilnamen an. Später lernte er auch Quintus Sosius Senecio kennen, einen Freund des Kaisers Trajan, dem er sein erhaltenes literarisches Hauptwerk, die Parallelbiographien, sowie zwei weitere Schriften widmete. Daneben war er mit einigen anderen hochgestellten Persönlichkeiten seiner Zeit bekannt, etwa mit Lucius Minicius Fundanus, der im Jahr 124/125 das Prokonsulat über die Provinz Asien innehatte, oder mit dem aus Attika stammenden Senator Caius Iulius Antiochus Philopappus, mit dem ihn die griechische Muttersprache verband. Die spätere literarische Tradition berichtet von weiteren Ehrungen, die er erfahren haben soll, die sich jedoch nicht beweisen lassen. In den Bereich der Legende gehört sicherlich sein Briefwechsel mit Kaiser Trajan. Plutarchs Tod wird um das Jahr 125 angesetzt, wobei er mit Sicherheit in seiner Heimatstadt Chaironeia beigesetzt wurde. Er muss hohes Ansehen besessen haben, da ihm die delphische Priesterschaft eine Gedenkbüste setzte.
Bezeugt sind für Plutarch wenigstens 227 Schriften, von denen nur ein sehr kleiner Teil erhalten blieb. Für die Historiographie wären zuerst seine um das Jahr 95 entstandenen Kaiserbiographien zu nennen, die von Augustus bis Vitellius reichten (27 v. Chr - 69 n.Chr.), erhalten sind jedoch nur die Abschnitte zu Galba und Otho (69), außerdem einige Fragmente zu Tiberius und Nero. Im Gegensatz zu Sueton folgte Plutarch dabei aber nicht dem biographischen Schema, sondern konzipierte dies Werk wohl eher als durchlaufende römische Geschichte. Einen anderen Zweck dagegen verfolgen die Parallelbiographien (griech. bíoi parállelloi), in denen Plutarch 23 Vitenpaare von Persönlichkeiten der griechischen und römischen Geschichte bildete. Der Text ist fast vollständig erhalten, nur das erste Paar mit Epaminondas und (wahrscheinlich) Cornelius Scipio Africanus ist verloren. Erhalten sind die übrigen 22 Paare, in denen Plutarch Personen mit ähnlicher Ausbildung, Tätigkeit oder auch Bedeutung einander gegenüberstellt. Die Reihenfolge der ursprünglichen Abfassung und Veröffentlichung bleibt leider unklar, obwohl über den Rückverweis die Position der Paare Demosthenes und Cicero (= 5), Perikles und Quintus Fabius Maximus (= 10) sowie Dion und Marcus Iunius Brutus (= 12) erkennbar sind.
Vier Paare zeichnen sich durch eine besondere Bildung und rhetorische Fähigkeiten aus, nämlich Demosthenes und Cicero, Kimon und Lucullus, Pelopidas und Marcellus, Philopoimen und Caius Flaminius. Danach wären fünf Paare zu nennen, die sich in der Frühgeschichte ihrer Heimatstädte oder in der politischen Entwicklung besondere Verdienste erworben haben, nämlich Lykurg und Numa Pompilus, Theseus und Romulus, Themistokles und Marius Furius Camillus, Lysandoros und Cornelius Sulla sowie Perikles und Quintus Fabius Maximus. Der späten römischen Republik sind die Römer der folgenden sieben Paare zuzuordnen: Dion und Marcus Iunius Brutus, Alexander d. Große und Caius Iulius Caesar, Agesilaos und Pompeius, Nikias und Marcus Licinius Crassus, Demetrios und Marcus Antonius, Phokion und Cato der Ältere sowie Timoleon und Lucius Aemilius Paullus. Eher schwierig einzuordnen sind die verbleibenden sechs Paare mit Alkibiádes und Gnaeus Marcius Coriolanus, Pyrrhos und Marius, sodann die spartanischen Könige Agis und Kleomenes mit den Gracchen als Gegenüber, Solon und Publius Valerius Puplicola, Aristeides und Cato der Jüngere sowie zuletzt Eumenes und Quintus Sertorius. Vermutlich nicht mehr zur Ausführung kam das an anderer Stelle erwähnte Paar von Leonidas und Quintus Metellus Caecilius Numidicus. Daneben gibt es nur einige wenige Einzelbiographien.
Es versteht sich von selbst, dass diese Texte nicht in erster Linie historiographischen Zwecken dienen. Plutarch verweist etwa in der Biographie des Fabius Maximus (16, 6) darauf, dass