In die unbegrenzte Weite. Karoline von Günderrode
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Читать онлайн книгу In die unbegrenzte Weite - Karoline von Günderrode страница 15
Mädchen
Du bist nicht auf dem Weg der Pyramiden,
O Fremdling! doch ich zeig ihn dir.
Franke
Brennend sengt die heisse Mittagssonne,
Jede Blume neigt das schöne Haupt,
Aber du der Blumen Schönste hebest,
Jung, und frisch, das braungelockte Haupt.
Mädchen
Willst du in des Vaters Hütte dich erkühlen
Komm, es nimmt der Greis dich gerne auf.
Franke
Welchen Namen trägst du schönes Mädchen?
Und dein Vater; sprich, wo wohnet der?
Mädchen
Lastrata heiß ich; und mein guter Vater
Er wohnt mit mir im kleinen Palmenthal,
Doch nicht des Thales angenehme Kühle,
Nicht Bäche Murmeln, nicht der Sonne Kreisen
Erfreuet meinen guten Vater mehr.
Franke
Wie! freut dem Vater nicht des Stromes Quellen,
Der Palmen lindes Frühlingssäuseln nicht?
Ich faß es; doch, wie es ein Gram mag geben
Der deiner Tröstung möchte widerstreben,
Das nur, Lastrata, faß ich nicht.
Mädchen
Italien ist das Vaterland des Greisen,
Und vieles Unglück bracht ihn nur hierher.
Mit sehnsuchtsvollem Blick schaut er am Mittelmeere
Hinüber in das vielgeliebte Land.
Und seufzend sehn’ auch ich hinüber
Nach jenen Blüthenreichen Küsten mich.
Erkranket ruht mein Geist auf jener blauen Ferne,
Und schöne Träume tragen mich dahin.
Sag’, wogt nicht schöner dort der Strom des Lebens?
Sehnt dort die kranke Brust sich auch vergebens?
Franke
Mädchen! ach! von gleichem Wunsch betrogen,
Wähnt’ ich: schönes berg’ die Ferne nur,
Doch umsonst durchsegelt’ ich die Wogen,
Hat auch diese Ahndung mir gelogen
Die du, Mädchen, jetzt in mir erweckt. –
Mädchen
Fremdling! kannst du diese Sehnsucht deuten?
Fühlst du dieses unbestimmte Leiden?
Dieses Wünschen ohne Wunsch?
Franke
Ja ich fühl ein Sehnen, fühl ein Leiden.
Doch jetzt kann ich diese Wünsche deuten,
Und ich weiß, was dieses Streben will.
Nicht an fernen Ufern, nicht in Schlachten!
Wissenschaften! nicht an eurer Hand,
Nicht im bunten Land der Phantasien!
Wohnt des durst’gen Herzens Sättigung.
Liebe muß dem müden Pilger winken,
Myrthen keimen in dem Lorbeerkranz,
Liebe muß zu Heldenschatten führen,
Muß uns reden aus der Geisterwelt. –
Mächt’ger Strom! ich fühlte deine Wogen,
Unbewußt fühlt’ ich mich hingezogen,
Nur wohin! wohin! das wußt’ ich nicht.
Wohl mir! dich und mich hab’ ich gefunden.
Liebe hat dem Chaos sich entwunden.
1Hinweise bezüglich orthographischer Besonderheiten s. Nachbemerkung.
2Tellus: „Erde“, in der römischen Mythologie die Erd-Gottheit, entspricht der griechischen Gaia.
3Timur: auch als Tamerlan bzw. Timur Lenk bekannt, 1336-1405, ein zentralasiatischer muslimischer Eroberer, strebte die Wiederherstellung des Mongolischen Reiches an.
4Manen: in der römischen Religion die Geister der Toten.
5Erebos: in der griechischen Mythologie der Gott und die Personifikation der Finsternis.
6Samum: Bezeichnung für einen Sandsturm in Nordafrika/Arabien.
7Ariadne: in der griechischen Mythologie die Tochter des kretischen Königs Minos und seiner Gattin Pasiphaë. Sie half Theseus den Minotauros zu besiegen, floh mit Theseus von Kreta, wurde von ihm aber auf der Insel Naxos zurückgelassen.
8Möris: in der griechischen Antike Name eines großen, durch Dämme begrenzten künstlich angelegten Sees in Unterägypten.
ES HAT EIN KUSS MIR LEBEN EINGEHAUCHT
Poetische Fragmente
Piedro