Die Germanen. Ulrike Peters

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Die Germanen - Ulrike Peters marixwissen

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Leif Erikisson, Olaf Haraldsson (Olaf der Heilige), Harald Sigurdsson und Snorri Sturluson. Entsprechende Exkurse zu Stichworten wie Arianismus, Goten, Franken, Sachsen oder Wikinger ergänzen die Biografien und liefern zusätzliche Informationen. Ein abschließendes Kapitel »Tacitus und die Folgen« zeigt auf, wie die Germanen bis heute weiterleben und nachwirken: In den Opern Richard Wagners, in der deutschvölkischen und nationalsozialistischen Ideologie bis hin zu den Neuheiden bzw. Neuen Germanen heute.

      Ariovist († 54 v. Chr.) ist der erste Germane, den wir »persönlich« in Caesars »Der Gallische Krieg« kennenlernen als Anführer der Sueben. Caesar war es, der die Germanen erstmals beschrieb und letztlich »erfand«. Der Mythos des Arminius (17 v. Chr. – 21 n. Chr.) als »Befreier Germaniens«, der den Römern in der Varusschlacht eine vernichtende Niederlage zufügte, lebt bis heute weiter. Durch Wulfila (ca. 311–383), Missionar und Bischof der Goten, verbreitete sich das Christentum in Form des Arianismus nicht nur bei den Goten, sondern auch bei anderen germanischen Stämmen. Wulfila verdanken wir aber auch die »Gotische Bibel« als erstes germanisches Schriftzeugnis und das gotische Alphabet. Geiserich (ca. 389–477) gründete das Reich der Vandalen in Afrika, Theoderich der Große (ca. 451–526) das Ostgotische Reich in Italien und Chlodwig (ca. 465–511) das Frankenreich. Nur dem Frankenreich war ein dauerhafter Erfolg beschieden. Brunichilde (ca. 550–613), Tochter des Westgotenkönigs Athanagild und Frau des Frankenkönigs Sigibert, übernahm nach der Ermordung ihres Mannes die Herrschaft und gilt als Vorbild der Walküre Brunhilde im Nibelungenlied. Karl der Große (ca. 747–814), König der Franken und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, galt schon zu Lebzeiten als »Vater Europas«, da er mit der Einigung des Frankenreiches die Grundlage des späteren Europas schuf. In den Sachsenkriegen, die Karl der Große führte, war Widukind (8. Jh.) sein Gegner und der Anführer des sächsischen Widerstandes – bis er sich taufen ließ. Olga von Kiew (ca. 900–969) war Fürstin von Kiew aus der Dynastie der Rjurikiden, die am Anfang der russischen Geschichte und der Christianisierung Russlands steht und eine der wichtigsten russischen Heiligen ist. Der Wikinger Erik der Rote (ca.950–1003) entdeckte Grönland, sein Sohn Leif Eriksson (ca. 975–1020) Amerika – 500 Jahre vor Kolumbus! Olaf Haraldsson (995–1030), der heilige Olaf, war norwegischer König und wird bis heute als Nationalheiliger Norwegens verehrt. Harald Sigurdsson (1015–1066), ebenfalls norwegischer König, gilt als der letzte Wikinger. Mit seinem Tod in der Schlacht bei Stamford Bridge in England 1066 endet offiziell die Wikingerzeit. Snorri Sturluson (1179–1241) war einer der bedeutendsten Männer in der Geschichte Islands: Politiker, Historiker und Dichter. Als Verfasser der Snorra-Edda verdanken wir ihm unser heutiges Wissen über die Gottheiten und Mythen der Germanen. Anhand dieser Biografien soll beispielhaft die Kultur und Geschichte der Germanen dargestellt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Quellenlage sind wir über einige dieser germanischen Persönlichkeiten mehr informiert und über andere weniger – entsprechend gestalten sich auch die einzelnen Biografien etwas unterschiedlich.

      Das vorliegende Buch ist als Einführung und Einladung gedacht, germanische Geschichte und Kultur anhand einer Auswahl von Lebensbildern und Einblicken kennenzulernen. Für diese innovative Idee sei Herrn Lothar Wekel von marixverlag herzlich gedankt. Wenn der Leser dadurch angeregt wird, sich darüber hinaus über Geschichte und Kultur sowie weitere berühmte Germanen zu informieren, ist das Ziel dieses Buches erreicht.

Bonn, Juni 2014 Ulrike Peters

      1. WER WAREN DIE GERMANEN? MYTHOS UND WIRKLICHKEIT

       Wer waren die Germanen? Germanenbilder

      »Grimmige blaue Augen, rotblonde Haare, große Körper« – dieses Germanenbild des römischen Geschichtsschreibers Tacitus ist nicht nur eines der ersten, sondern auch dasjenige, das unsere Vorstellung von den Germanen bis heute geprägt hat –, wie im Folgenden noch aufzuzeigen ist.

      Wer waren die Germanen? Eine Frage mit vielen Antworten. Ähnlich wie man mit dem Begriff Indianer die Einwohner zweier Kontinente und der unterschiedlichsten Kulturen von den Sammlern und Jägern bis hin zu Hochkulturen weitläufig zusammenfasst, so verwendete man auch den Begriff Germanen ungenau-schwammig und inflationär. Während aber die Indianer sich selbst auch als solche bezeichnen, hat es im Unterschied dazu ein Volk, das sich selbst als »Germanen« bezeichnete, nie gegeben. »Germanen« war eine Fremdbezeichnung und blieb es: Die Römer waren es, die den »barbarischen« Völkern jenseits des Rheins den Namen Germanen gaben. Als Barbaren (von griech. barbaros = Stammler) galten bei den Griechen und Römern alle Völker, die nicht Griechisch bzw. Lateinisch sprachen und nicht der griechischen bzw. römischen Kultur angehörten. Von Beginn an bis in die Gegenwart ist die Einordnung bestimmter Stämme als germanisch, keltisch, slawisch etc. nie eindeutig klar gewesen, sondern immer mit einem Fragezeichen zu versehen. Die Wissenschaft ist auf die »Fremdzeugnisse« der römischen Geschichtsschreiber angewiesen, es gibt keine eigenen schriftlichen Berichte der Germanen. Auch die archäologischen Zeugnisse geben relativ wenig Antworten auf unsere Fragen. Zur Zeit der Völkerwanderung (375–568) haben wir bereits mehr Quellen, aber auch hier gibt es mehr Fragen als Antworten. Dazu kommt, dass der Begriff »Germanen« von Beginn an bis zur Gegenwart oft mit ideologischen Ansichten und Zielen verbunden wurde und nach wie vor wird.

      Schon bei den allerersten Beschreibungen der Germanen von Caesar und Tacitus diente ein bestimmtes Germanenbild als Projektionsfläche, um diverse Ziele zu erreichen: Caesar verfolgte mit seiner Einteilung der linksrheinischen Kelten und rechtsrheinischen Germanen seine politischen Ziele und Karriere, nicht zuletzt die Eroberung Galliens. Tacitus versuchte mit einem idealisierten Germanenbild vor allem die Dekadenz der römischen Gesellschaft zu kritisieren. Im nationalstaatlichen Denken des 18. und 19. Jh. und vor allem im Nationalsozialismus dienten die Germanen als Schablone für die Entwicklung einer nationalen Identität der Deutschen, die man mit den Germanen gleichsetzte.

      Dazu kommt ein anderes Problem, nämlich das der Entwicklung und Veränderung der germanischen Stämme im Laufe der Geschichte. Die einzelnen germanischen Stämme haben sich während ihrer Wanderungen und in ihrer jeweiligen neuen Heimat verändert, sind mit anderen germanischen und nichtgermanischen Stämmen Bündnisse eingegangen, haben sich durch Heiraten vermischt etc. So ist beispielsweise zu fragen, ob und inwiefern die Goten, die von ihrer ursprünglichen Heimat im heutigen Polen aufbrachen und ihre Wanderung begannen, im Oströmischen Reich öfter ihren Aufenthaltsort wechselten, noch »dieselben« Goten waren, die dann, Jahrhunderte später, das Ostgotische und Westgotische Reich in Italien und Spanien errichteten. Auch die Wissenschaft betont heute, dass sich germanische Stämme wie die Goten durch die »fremden« Einflüsse veränderten. Denn die Goten hatten sich im Laufe der Geschichte mit verschiedenen Stämmen und Völkern verbunden wie z. B. den Karpen, den Herulern, den Hunnen und nicht zuletzt den Römern. So schloss sich ein Teil der Greutungen bzw. Ostgoten den Hunnen an und übernahm deren Lebensweise als nomadisches Steppenvolk. Nicht zuletzt römische Einflüsse spielten eine maßgebliche Rolle in der geschichtlichen Veränderung der germanischen Stämme.

      Zur näheren Erläuterung sei kurz auf die Entstehung ethnischer Identität eingegangen: Der Begriff Ethnie, der heute statt des vorbelasteten Begriffes »Volk« verwendet wird, ist ein taxonomischer Begriff, d. h. ein Begriff, der der Klassifizierung dient. Ethnische Identität ist eine Form der kollektiven Identität, eines Wir-Bewusstseins, aufgrund gemeinsamer Traditionen wie z. B. Abstammung, Geschichte, Sprache, Religion, Lebensraum etc. Ob diese Traditionen real oder fiktiv sind, ist nicht entscheidend, entscheidend ist das Wir-Bewusstsein, das Zugehörigkeitsgefühl der einzelnen Person zur Gruppe. Die ethnische Gruppe entsteht und stabilisiert sich durch Abgrenzung von anderen Gruppen und Interaktion mit anderen Gruppen. Ethnische Identität ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisch-kreativer Prozess mit latenten und – in Krisenzeiten, wie z. B. Krieg oder Eroberung – aktiven Phasen. Und es sind nicht objektive Kriterien, sondern in der Regel allein soziale Faktoren ausschlaggebend, so vor allem die eigene Zuordnung zu einer Gruppe A, auch wenn die objektiven Kriterien für eine Zuordnung zu Gruppe B sprechen. Wie sich »Völker« und Gesellschaften

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