Die Germanen. Ulrike Peters
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Die nächste Etappe in der Geschichte germanisch-römischen Beziehung waren die Markomannenkriege von 167 bis 180: Die ins Römische Reich drängenden germanischen Stämme der Markomannen, Quaden, Langobarden und Vandalen, die schon unter König Marbod sich als größerer Verband zusammengeschlossen hatten, sowie die zentralasiatischen Sarmaten wurden in Pannonien von Kaiser Mark Aurel in vier Feldzügen besiegt. Es war ein knapper Sieg der Römer, und in der Folgezeit geriet das Römische Reich in eine schwere Krise durch den Druck germanischer Stämme einerseits und des Sassanidenreiches andererseits. Die Markomannenkriege werden heute als Anfang vom Ende des Römischen Reiches gesehen und als erste Stufe der Völkerwanderung.
Die Zeit der Völkerwanderung wird in den Jahren 375–568 angesetzt, es ist die Zeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Sie wird ausgelöst durch den Einfall der aus Asien kommenden Hunnen, die die Völker zur Wanderung nach Süden und Westen trieb. Aber auch Bevölkerungszuwachs und damit verbunden Landnot sind Gründe der Völkerwanderung, ebenso Eroberungs- und Kriegslust. Ganz Europa bis hin zum Schwarzen Meer ist im Umbruch, die meisten Völker verlassen ihre alten Siedlungsgebiete, um neue zu erobern. Es ist das Ende des Römischen Reiches. Nicht mehr Rom, sondern die neue Kultur der Germanen nördlich der Alpen bestimmt von nun an das Geschehen. Zunächst bestehen nacheinander verschiedene Herrschaftsgebiete bzw. Reiche: Das von Geiserich gegründete Vandalenreich in Nordafrika (429–534), das Westgotenreich in Gallien bzw. Spanien (418–711), das Reich der Burgunder (443–534), das von Theoderich errichtete Ostgotenreich in Italien (493–553) und das Langorbardenreich in Italien (568–774).
Es sind die ostgermanischen Stämme der Goten, Gepiden, Vandalen, Burgunden und Langobarden, die die weiten Wanderungszüge in der Zeit der Völkerwanderung unternahmen. Die westgermanischen Stämme wie Franken oder Sachsen unternahmen keine großen Wanderungen. Erst später kam es wieder zu Wanderzügen der Nordgermanen bzw. Wikinger. Die ostgermanischen Stämme gründeten machtvolle Reiche, denen aber keine Dauer beschieden war. Mit ihnen starben auch die ostgermanischen Sprachen aus, während die west- und nordgermanischen Sprachen sich weiterentwickelten und bis heute präsent sind. So hatte das von Chlodwig im 5. Jh. gegründete und von Karl dem Großen erheblich ausgedehnte Frankenreich Bestand, das von nun an die Geschichte des Abendlandes prägte.
Noch zu Lebzeiten Karls des Großen traten die Wikinger aus Skandinavien mit ihren Raubzügen an den Küsten und auf den Flüssen Europas in Erscheinung. Diese »neuen« Germanen des Nordens waren Piraten, Händler und Entdecker. Die Zeit der Wikinger ist ziemlich genau eingegrenzt durch zwei kriegerische Daten in England: Der Wikingerüberfall auf das Kloster Lindisfarne 793 und die Schlacht von Hastings 1066.
Die Rus, vor allem auch Olga von Kiew, stehen am Anfang der Geschichte Russlands. Erik der Rote entdeckte Grönland, sein Sohn Leif Eriksson Amerika – lange vor Kolumbus. Es folgt die Phase der Auseinandersetzungen und Kämpfe zwischen Dänemark, Norwegen und Schweden um die – immer wieder wechselnde – Vorherrschaft. Als Könige sind vor allem zu nennen: Godfred (804–810), Harald Blauzahn (958–987), Sven Gabelbart (986–1014), Knut der Große (1018–1035), Harald Schönhaar (reg. ca. 870–933), Olaf Tryggvason (995–1000), Olaf, der Heilige (1016–1028), Magnus I. (1035–1047) oder Harald der Harte (1047–1066). Auch England gerät zeitweise unter dänische Herrschaft, Island wird im 10. Jh. von den Norwegern kolonialisiert. Von Island aus wird auch Grönland besiedelt. 960 ist Dänemark, 1030 Norwegen weitgehend christianisiert. Als bekannteste Wikingerkönige sind zu nennen der norwegische König Olaf, der die Christianisierung Norwegens begann und zum Nationalheiligen Norwegens wurde. Und ebenso Harald der Harte, ebenfalls König von Norwegen Er gilt als der letzte Wikinger. Mit seinem Tod in der Schlacht von Stamford Bridge 1066 endet die Wikingerzeit offiziell. Die Wikingerzeit findet aber eine Fortführung bzw. Wiederbelebung durch die Edda des Snorri Sturluson.
Germanische Kultur
»Die« einheitliche germanische Kultur hat es ebenso wenig gegeben wie »die« Germanen. Die einzelnen Stämme unterschieden sich hinsichtlich Gesellschaft, Lebensweise und Religion. Allerdings gab es gewisse Gemeinsamkeiten, die im Folgenden vereinfacht als Überblick dargestellt werden sollen. Die Darstellung orientiert sich schwerpunktmäßig an den Beschreibungen von Caesar und Tacitus und entsprechenden archäologischen Befunden.
Die Mehrheit der Germanen lebte als Bauern, betrieb Viehzucht und Ackerbau. Als Haustiere wurden Rinder, Schweine, Pferde und, wenn auch seltener, Schafe und Ziegen gehalten. Das Rind diente nicht nur als Lieferant von Fleisch, Milch, Butter und Leder, sondern vor allem auch als Zugtier beim Ackerbau und zum Transport von Lasten. Schweine wurden – da es die Kartoffel als Futtermittel noch nicht gab – in der Nähe von Eichen- und Buchenwäldern geweidet. Das Grundnahrungsmittel der Germanen war aber weniger Fleisch, als vielmehr Getreide wie Gerste, Hirse oder Emmer. Durch Handel erhielten die Germanen von den Römern Keramik, Geschirr, Schmuck oder Waffen und lieferten dafür Felle und Pelze, Honig oder Sklaven. Germanische Exportschlager, vor allem bei den römischen Frauen, waren blondes Haar für Perücken und Bernstein für Schmuckartikel.
Kleidungsmäßig unterschieden sich die Germanen von den Römern dadurch, dass die Männer Hosen trugen, die bei den Römern unbekannt waren. Die Frauen trugen Röcke. Männer und Frauen trugen dazu eine Art Kittel. Darüber wurde eine Art Mantel getragen, den Tacitus so beschreibt: »Als Kleidung haben sie alle einen Überwurf, der mit einer Fibel (…) zusammengehalten wird. (…) Sie tragen auch Tierfelle (…)« (Tacitus, Germania, 17)
Germanen lebten in Dörfern oder Siedlungen mit Bauernhöfen. Im Unterschied zu den Römern oder Kelten gab es keine germanischen Städte. Ein Bauernhof bestand aus Wohngebäude, Stall, Werkstatt und Speicher. Die Gebäude bestanden aus einem Holzgerüst, in dem die aus Flechtwerk bestehenden Wände mit Lehm verputzt wurden. Das Dach bestand aus Stroh oder Schilf. Innen war das Wohngebäude nicht durch einzelne Zimmer abgetrennt, es war ein einziger großer Wohnraum, in dem sich alles von Kochen bis Schlafen abspielte. Mittelpunkt des Inneren war eine offene Feuerstelle. Sitz- und Schlafstellen waren mit Fellen und Decken ausgestattet. Archäologisch sind ca. 130 Siedlungen zwischen Rhein und Oder bekannt, rund 100 davon an der Nordseeküste.
Germanien war eher durch eine offene Landschaft geprägt als durch dichte Wälder und Sümpfe, die nur für die Mittelgebirge kennzeichnend waren. Zum anderen gab es ein Netz von Wegeverbindungen und regelrechte Fernstraßen, über das schon die Kimbern und Teutonen schnell nach Italien gelangten oder sich die Cherusker schnell zum Widerstand unter Arminius versammeln konnten.
Als Kennzeichen der germanischen Gesellschaft wird die Stammesordnung genannt. Ein Stamm umfasste einige Tausend Personen, nicht zehn- oder hunderttausend, wie es oft heißt. Ein Stamm war kein statisches Phänomen, sondern veränderte sich durch Kriege oder Wanderungen, indem Angehörige anderer Stämme hinzukamen oder der Stamm löste sich auf. So verschwanden die Sueben, die Ariovist nach Gallien geführt hatte, oder die Cherusker, die unter Arminius die Römer besiegt hatten, relativ schnell wieder von der Bühne der Weltgeschichte.
Die germanische Gesellschaft war hierarchisch gegliedert, vom König und Adel, den Kriegern, Bauern, Handwerkern und Händlern bis hin zu den Unfreien und Sklaven. Die Bauern bildeten die Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierung wurde von einem König (lat. rex) oder einem Heerführer (lat. dux) im Kriegsfall ausgeübt. Es gab auch Fälle, wo zwei Könige zusammen regierten. Gern wird auch von Sakralkönigtum bei den Germanen gesprochen, d. h. dass ein König auch als Priester fungierte. Bei Tacitus ist keine Rede von Sakralkönigtum, aber es ist durchaus möglich, dass es diese Institution gab. Möglich war auch eine Herrschaft der Adligen oder Fürsten, der obersten Gesellschaftsschicht.
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