Die Germanen. Ulrike Peters
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Caesars »Gallischer Krieg« und die Erfindung der Germanen
Die Lektüre von Caesars Werk »Der Gallische Krieg« gehört bis heute zum Lateinunterricht in den Schulen. Eine Mitschuld daran trägt nicht zuletzt der Germanenführer Ariovist. Denn dessen Widerstand ist letztlich nach Darstellung Caesars einer seiner Gründe für sein Eingreifen in Gallien und für den Gallischen Krieg. In seinem »Gallischen Krieg« (Commentarii de bello Gallico) beschreibt Caesar die Ereignisse und seine Eroberungen in Gallien während der Jahre 58–50 v. Chr. Das Werk ist in acht Bücher eingeteilt, die thematisch jeweils die Ereignisse eines Jahres oder auch zweier Jahre behandeln. Es ist nicht nur die wichtigste Quelle und ein Augenzeugenbericht über die Gallier, die Kelten in Gallien, sondern beschreibt auch erstmals ausführlicher die Germanen.
Gallien, dessen Gebiet ungefähr dem heutigen Frankreich, Belgien und einem Teil von Westdeutschland entspricht, hatte einiges zu bieten: Es war bekannt für sein Gold, für eine florierende Landwirtschaft und gute Handelswege. Für den jungen hochverschuldeten Politiker Gaius Julius Caesar (100–44 v. Chr.) buchstäblich ein Objekt der Begierde. Caesar stammte aus der Familie der altrömischen Adelsfamilie der Julier und schlug die Ämterlaufbahn ein. Nicht nur in Gallien, auch in Afrika unternahm Caesar erfolgreiche Feldzüge. Im Jahr 46 v. Chr. übernahm er als Diktator die Alleinherrschaft in Rom. Das war das Ende der Römischen Republik. Daran änderte sich auch nichts mit der Ermordung Caesars 44 v. Chr. durch eine Gruppe von Senatoren. Denn mit Caesars Nachfolger Octavian, bekannter als Kaiser Augustus, beginnt die römische Kaiserzeit. Caesars Bericht über den »Gallischen Krieg« ist die erste Beschreibung der Germanen und wurde prägend für das Germanenbild bis heute. Mit seiner Unterscheidung von Kelten und Germanen war dieses Germanenbild mehr künstlich als dass es historisch zutraf, sodass man überspitzt sagen kann, dass Caesar die Germanen »erfand« – wie weiter unten noch ausführlicher darzustellen ist. Zum anderen war es Caesar, der als erster römischer Feldherr den Rhein überquerte und Expeditionen ins rechtsrheinische Germanien unternahm, allerdings ohne die Absicht, das Gebiet dauerhaft zu erobern. Erst unter seinem Nachfolger Augustus versuchten die Römer, das germanische Gebiet rechts des Rheins gezielt zu erobern.
Zurück zum Jahr 59 v. Chr., das Jahr, als Caesar Konsul und Provinzverwalter wurde von Gallia Cisalpina und Gallia Narbonensis, den Teilen Galliens, die bereits römisch waren. Es war der erste Schritt nach oben auf seiner Karriereleiter, aber er brauchte immer noch dringend Geld, um seine Schulden zu begleichen. Denn zu seinen Ämtern war er – wie eine ganze Reihe anderer Politiker auch – nur durch Bestechung der Volkstribune gekommen. Und um zu Geld zu kommen, brauchte Caesar militärische Erfolge. Die Eroberung des Teils Galliens, der noch nicht römisch war, bot sich an, war aber ohne einen triftigen Grund, der auch vom Senat in Rom akzeptiert wurde, nicht möglich. Dies ist der Beginn des Gallischen Krieges, der von 58–51 v. Chr. dauert. Einen Teil des späteren südlichen Galliens hatten die Römer schon 125–118 v. Chr. erobert. Caesar eroberte im sogenannten Gallischen Krieg 58–51 v. Chr. dann den übrigen Teil Galliens. Caesar gelang ein Sieg nach dem anderen: über Ariovist, gegen die Belger, die Nervier und schließlich die nordwestlichen Stämme (57/56 v. Chr.) unter Führung der Veneter (nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Bewohnern des Gebietes um Venedig). Danach ist Gallien weitgehend durch die Römer unterworfen. Zweimal überquerte Caesar in den Jahren 55 und 54 v. Chr. den Rhein und machte auch Stippvisiten in England – allerdings sind dies nur Episoden, keine Eroberungen. Als Caesar den gallischen Heerführer Vercingetorix, der mit einem Bündnis gallischer Stämme gegen die Römer Widerstand leistete und sich zuletzt in der Stadt Alesia verschanzt hatte, besiegte, war der Gallische Krieg – bis auf ein paar noch folgende Feldzüge – so gut wie beendet.
Gallien war das Siedlungsgebiet keltischer Stämme, der Gallier. Die Bezeichnung Kelten (vom griechischen Keltoi, lateinisch dann Celtae oder Galli = die »Tapferen«, die »Edlen«) stammt – ebenso wie die der Germanen – aus den ethnografischen Schriften der griechischen und römischen Antike und wurde in der Neuzeit in Geschichte, Archäologie und Sprachwissenschaft übernommen. Dabei diskutiert man nach wie vor über eine allgemeingültige Definition der »Kelten«. Denn die Bezeichnung Kelten stellt sich in den Bereichen der antiken Ethnografie, in der Archäologie und in der Sprachwissenschaft durchaus unterschiedlich dar. Keltische Kultur ist durch archäologische Zeugnisse seit der Eisenzeit, konkret mit der späten Hallstattkultur (650–400 v. Chr.) und der Latènezeit (400–50 v. Chr.) belegt. Im Fall der Latènekultur liegen sowohl archäologische als auch antike schriftliche Quellen vor. Und die antiken Quellen bestätigen zudem, dass die Träger der Latènekultur keltisch sprachen, so in Gallien gallisch. Andererseits ist die genaue Unterscheidung keltischer und germanischer Stämme schwierig: Manche Stämme werden von antiken Autoren als keltisch, von anderen wiederum als germanisch eingeordnet. So sahen die Römer die Kimbern und Teutonen zunächst nicht als germanische, sondern keltische Stämme an.
Ziel und Zweck von Caesars Schrift »Der Gallische Krieg« war die Rechtfertigung seiner Feldzüge in Gallien. Und der gallische Krieg war für Caesar ein Mittel, Macht und Reichtum zu erlangen und vor allem dem Senat in Rom seinen militärischen Erfolg nachzuweisen. Entsprechend erscheinen die Kelten als Gefahr und Bedrohung für Rom, andererseits stellte Caesar sie als durchaus fähig zur Zivilisation und Assimilation dar, um Teil des Imperium Romanum zu werden. Caesar grenzt die Kelten stark von den »unzivilisierten« Germanen ab – nach dem Motto, die Kelten als Untertanen zu gewinnen lohnt sich, eben weil sie im Unterschied zu den Germanen zivilisationsfähig sind, und deshalb lohnt sich auch ein Krieg in Gallien! Die Eroberung des germanischen Gebietes rechts des Rheins lohne sich dagegen nicht. Caesar war der Erste, der konkret und sehr genau die Kelten als die Stämme links des Rheines und die Germanen als die Stämme rechts des Rheines unterschied. Eine Unterscheidung, die so nicht zutrifft. So waren die Kelten erst ein paar Jahrzehnte vorher aus rechtsrheinischen Gebieten von den Germanen verdrängt worden und außerdem kam es auch zur Vermischung keltischer und germanischer Bevölkerung. Nach Caesar haben die Germanen – im Gegensatz zu den Kelten – weder eine ausgebildete Landwirtschaft, sondern leben von der Jagd, noch haben sie eine Religion mit Priestern, ausgebildeten Opferkult und Pantheon.
Trotz dieser »Mängel« ist Caesars Bericht die erste und wichtigste Information über die Germanen, die uns vorliegt und die deshalb hier in einem Ausschnitt zitiert sei: »Die Germanen unterscheiden sich von diesen Gewohnheiten [der Kelten] sehr; denn sie besitzen keine Druiden [d. h. Priester], die den religiösen Angelegenheiten vorstehen oder sich den Opferfeiern widmen. In der Reihe der Götter zählen sie nur die, die sie wahrnehmen und deren Kraft ihnen offensichtlich hilft, Sol [Sonne], Vulcanus und Luna [Mond], die übrigen haben sie noch nicht einmal dem Namen nach vernommen. Ihr ganzes Leben besteht aus der Jagd und dem Eifer für Kriegsdinge. Von klein auf widmen sie sich der Müh und der Abhärtung. (…) Vor dem zwanzigsten Lebensjahr Kenntnis von einer Frau zu haben, wird zu den schändlichsten Dingen gerechnet. Doch können sie diese Sache auch nicht ganz verbergen, da sie sich gemeinsam in Flüssen waschen und Felle oder kurze Decken als Bekleidung nutzen und so ein großer Teil des Körpers nackt bleibt.
Der Landwirtschaft widmen sie sich nicht, der größere Teil ihrer Nahrung besteht in Milch, Käse und Fleisch. (…) Wenn ein Stamm mit Krieg überzogen wird oder diesen erklärt, werden Anführer gewählt, die dem Kriegszug vorstehen und die Macht über Leben und Tod haben. Im Frieden gibt es keine gemeinsame Anführer, sondern die Anführer der einzelnen Gegenden und Gaue sprechen Recht und regeln Streitigkeiten. Verbrechen halten sie nicht für unerlaubt, wenn sie außerhalb der Stammesgrenzen geschehen, und sie empfehlen, dass diese geschehen zur Übung der Jugend und zur Verkleinerung der Begehrlichkeiten.