Frankfurter Wegsehenswürdigkeiten. Группа авторов

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stolpern, und dominiert wird die graue Ödnis vom Gutenberg-Denkmal in der Mitte. Kein Zweiglein, kein Strauch stellt diese Dominanz in Frage. Lediglich an der Ecke zur Kaiserstraße stehen verschämt drei Platanen – als hätte man vergessen, sie zu fällen. Was der gute Gutenberg allerdings auf dem Roßmarkt zu suchen hat, bleibt ein Rätsel, war der Platz doch, wie der Name schon sagt, ein Großhandelsplatz für Pferde.

      Im 17. und 18. Jahrhundert diente er als Richtstätte. Hier wurde zum Beispiel am 28. Februar 1616 der antisemitische Aufrührer Vinzenz Fettmilch hingerichtet. Er hatte den sogenannten Fettmilch-Aufstand angezettelt, der zur Vertreibung der Frankfurter Juden und zur Plünderung der Judengasse führte. Das scheint die Planer dieser Innenstadtwüste inspiriert zu haben, denn der Ort verströmt in der Tat den Charme einer Hinrichtungsstätte. Ein Guillotinendenkmal oder ein Henkerbeil in Bronze würde sich gut machen. Alternativ hätte man mit Strohballen ein Geviert markieren und einen Ponyreitplatz für Kinder einrichten können. So würde wenigstens an den ursprünglichen Zweck des Ortes erinnert.

      Nein, der Platz dient einzig als Transitraum, den man durcheilt, um zu den Luxusgeschäften in der Goethestraße zu gelangen, in die Freßgass’ oder zur „Flagshipstore“ genannten Kapselkaffeebude gegenüber dem Goetheplatz. Da werden Menschen hofiert, die locker um die achtzig Euro für ein Kilo Aluminiumkaffee ausgeben.

      Das, was in Frankfurt gemeinhin als Roßmarkt bezeichnet wird, besteht genaugenommen aus drei Plätzen. Am Nordende des Areals schließt sich der Goetheplatz an. Und man staune und reibe sich die Augen, lungern da doch wahrlich ein paar mickrige Bäume herum.

      In der Mitte des mit Steinquadern begrenzten Rechtecks thront die Dichterstatue, die seit Kriegsende und bis zur Fertigstellung dieses städtebaulichen Monstrums im Jahr 2008 die Taunusanlage zierte und dort über Junkies wachte. Dem Roßmarkt wendet Goethe den Rücken zu, er blickt nach Norden. Was er sieht, dürfte ihn allerdings kaum erfreuen. Die anschließende Steinwüste heißt: Rathenauplatz. Ein Denkmal hat man Walther Rathenau jedoch nicht spendiert, dafür ragt am – aus Goethes Sicht – rechten Rand eine etwa zehn Meter hohe, nächtens leuchtende Röhre schräg aus dem grauen Grund. Ein Lüftungsrohr? Kunst? Der Stinkefinger für den Dichter?

      Eingefaßt wird auch dieser Teil des Platzes von hellgrauen Betonquadern, die wohl zum Verweilen einladen sollen. Natürlich verweilt hier nur, wer von einem Wadenkrampf gequält wird, einen Schuh binden muß oder seine prallen Tüten voller Billigklamotten, die er auf der Zeil zusammengerafft hat, vorzeigen möchte.

      Während der Roßmarkt untertunnelt ist, wurde unter dem Goethe- und dem Rathenauplatz eine Tiefgarage verbuddelt. Auch am Eingang an der Ecke Goetheplatz/Roßmarkt hat Goethe als Dekor herzuhalten, in Schwarzweißgrau. Die schmale Schicht Erde über der Tiefgarage läßt selbstverständlich nicht zu, daß irgend etwas angepflanzt werden könnte, das Ähnlichkeit mit einem Baum hätte. Also hat man sich der Einfachheit halber für anthrazitfarbene Pflastersteine entschieden, die bei längerer Sonneneinstrahlung die Hitze äußerst effektiv speichern. Zwecks Erfrischung schießen einige dürre Fontänen aus dem Boden.

      Karl Kraus schrieb mal: „Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.“ Im Krausschen Sinne wäre es demnach konsequent gewesen, das gesamte Gelände gleich als Parkplatz zu nutzen. Die umliegenden Einzelhändler wären entzückt gewesen, und die Stadt hätte nicht so tun müssen, als wolle sie Stadtplanung für Menschen betreiben.

      Wie heißt es bei Goethe? „Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast.“ Genau. Und so fügt sich der Roßmarkt, die verschenkte Mitte der Stadt, nahtlos in eine endlose Reihe architektonischer Innenstadtgrausamkeiten ein – weshalb sich der gar beliebte Vergleich Frankfurts mit New York („Mainhattan“) abermals strengstens verbietet. In New York wäre dieser Platz grün.

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      Vor dem Gesetz

       Von Stefan Gärtner

      An einer Haltestelle der Frankfurter Straßenbahnlinie 11 steht ein Mann vom Lande und wartet auf Eintritt. Die elektrische Ankunftsauskunft sagt, daß ihm eine Straßenbahn der Linie 11 den Eintritt jetzt eigentlich gewähren müsse, und der Mann überlegt und fragt einen potentiell Mitreisenden und hoffentlich Einheimischen, ob er, der Mann, bald werde eintreten dürfen. „Es is’ möchlich“, sagt der Einheimische, „jetzt awwer net.“

      Der Mann besieht sich die elektrische Ankunftsauskunft, wonach die Tür einer Bahn der Tramlinie 11 längst offenstehen müßte. Als der Einheimische das merkt, lacht er und sagt: „Un’ wenn de’s noch so orsch eilich hawwe dust, sie kimmt nach dem ihr eichene’ Gesetz. Merk der des: Sie is’ mächtich. Un’ verlaß dich bloß net uff die elektrisch’ Aakunftsauskunft. Schon den Aablick von de’ dritte’ falsche’ Auskunft kann net emal ich mehr ertraache’.“

      Solche Schwierigkeiten hat der Mann vom Lande nicht erwartet; die öffentlichen Verkehrsmittel sollen doch jedem und immer zugänglich sein, denkt er, aber als er jetzt den Einheimischen in seiner Joggingkluft genauer ansieht, seine rote Trinkhallennase, den langen, dünnen, schwarzen tatarischen Bart, entschließt er sich, doch lieber zu warten, bis ein Eintritt möglich sein wird.

      Der Einheimische gibt ihm eine Zigarette und läßt ihn sich im Wartehäuschen niedersetzen. Dort sitzt er Tage und Jahre. Immer wieder steht er auf, um in eine Bahn der Linie 11 zu gelangen, aber es kommt keine, und er ermüdet den Einheimischen durch seine Nachfragen. Der Einheimische stellt öfters kleine Verhöre mit ihm an, fragt ihn über seine Heimat aus und nach vielem andern, es sind aufdringliche Fragen, wie sie dem Apfelwein und Binding-Bier ergebene Herren stellen, und zum Schlusse sagt er ihm immer wieder, daß die Bahn sicher bald kommen werde.

      Während der vielen Jahre beobachtet der Mann die elektrische Auskunftsanzeige fast ununterbrochen. Er verflucht den unglücklichen Zufall, der ihn zur Nutzung dieser Straßenbahn bestimmt hat, in den ersten Jahren rücksichtslos und laut, später, als er alt wird, brummt er nur noch vor sich hin. Schließlich wird sein Augenlicht schwach, und er weiß nicht, ob es um ihn herum wirklich dunkler wird oder ob ihn nur seine Augen täuschen.

      Da entschließt er sich, seinen Weg zu Fuß anzutreten, solange er noch etwas sieht. Kaum kann er seinen erstarrten Körper noch aufrichten. Wenige hundert Meter ist er gekommen, als eine Straßenbahn der Linie 11 an ihm vorbeirumpelt, und als er sich zum Wartehäuschen umdreht, brüllt ihm der Einheimische hinterher: „Die Bahn da is’ nur für dich bestimmt gewese’. Ei, warum haste dann net gewart’?“

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