Frankfurter Wegsehenswürdigkeiten. Группа авторов

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paßgenau für die Anliegen der Investoren zurechtgeschusterte Nachbau zum Barbie-Schloß abgestiegen; ein Spielzeug des Kommerzes, eine Fehlinvestition, die leerstehend unsere eventsüchtigen Tage verdämmert.

      Neben ihm, da, wo ehemals das Rundschau-Haus stand (und vor dem Krieg das klassizistische Palais Mülhens ragte, in dem sich ab 1816 die bürgerliche Opposition, später der „Bürgerverein“ traf, um gegen das als „Bundespalais“ zum Sitz der Reaktion gewordene Thurn und Taxissche Anwesen respektive dessen Abgeordnete zu agieren), zwischen Eschenheimer Turm und Palais-Nachbau also, klafft am einstigen Standort des Verlagshauses eine riesige Brache, wo eigentlich ein rasanter neuer Bürokomplex geplant war. Diese Leerstelle ist das bisher grellste Indiz eines um sich greifenden brachialen autistischen Städtebaus, den wir noch vor zehn Jahren einzig den mafiosen Zuständen in Italien oder dem privatistischen Kapitalismus der Vereinigten Staaten zuordneten.

      Die Erinnerung an das großartige Rundschau-Verlagsgebäude (dessen Erbauer, auch das muß gesagt werden, sich 1953 keineswegs um die ramponierte Schönheit des ausgebombten Palais Mülhens scherten) wird, wenn sie sich nicht schon in Luft aufgelöst hat, so rasch verschwinden, wie die Betonplattform der dortigen neuen Tiefgarage unter Asphalt und Ziergrün verschwunden ist. Wie die Kleine Eschenheimer Straße, die verlief, wo heute die Garagenrampe verläuft, und der Siegfried Kracauer in seinem Roman Ginster ein Denkmal als Journalistentreffpunkt des Frankfurt der zwanziger Jahre setzte, wie die Kleine Eschenheimer Straße wird bald auch das Rundschau-Haus nur noch in Dokumentationen und Romanen fortleben.

      Über die ferne Zukunft des neuen Thurn-und-Taxis-Palais läßt sich wohl nicht einmal das annehmen.

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      Die ihr eintretet

       Von Dirk Braunstein

       Auf den technischen Fortschritt antwortet der trotzige und bornierte Wunsch, nur ja keinen Ladenhüter zu kaufen, hinter dem losgelassenen Produktionsprozeß nicht zurückzubleiben, ganz gleichgültig, was der Sinn des Produzierten ist. Mitläufertum, das Sich-Drängeln, Schlangestehen substituiert allenthalben das einigermaßen rationale Bedürfnis.

      Adorno: Minima Moralia

      Man ist neu in Frankfurt, und was braucht man da dringender als alles andere? Richtig, ein von Computer- und Internetnerds so genanntes sogenanntes LAN-Kabel, sonst bekommt man keinen Kontakt zur Außenwelt, und das ist in dieser Stadt kein Vergnügen. Weil man sich nicht auskennt, stellt man sich auf die Einkaufsstraße und fragt den erstbesten Passanten, ob es hier einen Saturn oder Vergleichbares gebe. Dahinten rechts, danke, nichts zu danken. Weißgott!

      Schimpf! – Schimpf und Schande über diesen verruchten Laden, dieses Geschwörl da an der auch schon betörend behämmerten Zeil, wo sie alle hinwackeln und -dackeln und ich ja auch. Neben MySpace, myToys und Mai Thai gibt’s – wie ich später erfuhr: seit dem Jahr des Herrn 2009 – auch, die Welt Mores zu lehren, MyZeil. Über die (oder das oder den?) bereits Dante Alighieri Klärendes schrieb, die Infernalität des Unflats ein Stück weit kritisch zu beleuchten. Schon klar, es macht Kapitalismus nicht nur blöd – das sowieso und Ehrensache –, sondern er produziert auch „Blödmaschinen“ (Metz/Seeßlen; Memo an mich selbst: vielleicht demnächst die Bücher auch mal lesen, die ich naßforsch herbeizitiere!), die ihrerseits als generative Agenten des allwaltenden Stoffwechsels der Gesellschaft mit sich selbst sowie der Restnatur als Scheißemacher den hinterletzten Fuck her- – und sich dergestalt dem menschlichen Fortschritt, der wirklich einer wäre, mit voller Breitseite arschlöchrig in den Weg stellen. Wem das zu kulturpessimistisch oder zu verschwurbelt dünkt, mache sich auf den Weg in die gründlich verwüstete Frankfurter Innenstadt, wo sie comme il faut et à la bonne heure ein Einkaufsparadies aufs Pflaster gerotzt haben, das die Hölle ist.

      Die Fassade hat ein Loch im Kopf, und ob’s der Strudel der Verdammnis ist oder ein krankhaft erweiterter Darmausgang, läßt sich vorerst kaum entscheiden; mit dem beklemmenden Gefühl, es könnte ja, wer weiß, beides eins sein, geht’s zum Eingang, der, quatschig blau beleuchtet, jede Hoffnung sinnfällig zerstäubt: Durch mich geht man zur Stadt der Schmerzen ein; durch mich geht man zur ewgen Qual; durch mich geht man zu den Verlorenen. Dennoch frohgemut hineingeschlüpft; kann ja nicht so schwierig sein, ein Kabel zu kaufen, haben andere ja auch schon geschafft, angeblich. Lasset, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren sowie jegliches ästhetisches Urteilsvermögen obendrein.

      Drinnen schwillt und schwallt ein Krach, dort war, soviel das Ohr vernehmen konnte, kein lautes Weinen, aber Seufzerklagen, von denen rings die ewge Luft erbebte. Sie nennen’s freilich Musik. Hier wird deutlich, daß der Stulp, der die Fassade verunziert, bis ins Innere rüsselt, durch die Stockwerke hindurch; offenbar sollen sich um ihn herum kreisförmig die Menschen bewegen, faktisch aber strömt eine führerlose Masse. Die man zwar nicht als solche verachten, aber auch nicht unbedingt als jene Ursuppe affirmieren muß, welcher dereinst autonome Individuen entsteigen werden. Das ganze Elend derer, die offensichtlichen Mist verkaufen, sowie das jener, die den Schnodder auch haben und ergo erwerben wollen müssen – stets in der berechtigten Angst, das morgen schon nicht mehr tun zu dürfen –, will einen anpacken. Im Fluchtweg steht eine furchtbare fruitbar, an den Seiten prangen Ladennischen für Elektronikschnickschnackdreck: T-Online, e-plus, daneben Mode für die Frau von Welt (zum Beispiel Rödelheim-Ost): Pandora, BiBA und Princesse tam-tam oder wie auch immer: „eine Frau, ein Pyjama, 1000 Möglichkeiten“. Es ist zum Fürchten! Der allgegenwärtige Lärm, der, siehe oben, aus sämtlichen Poren tropft, überkleistert jegliche Gesprächsversuche der Gepeinigten, die sich an Löchern in Fußböden vorbeidrängeln müssen, durch die ein kranker Antichrist Rolltreppen und Glaselemente gesteckt hat, schwerstvermutlich, um die Architektur des Klumpens aufzulockern – oder was weiß ich. Über die Brüstung gelinst in den Keller, offenkundig, daß ich am Rande mich befand des Tals zum schmerzenvollen Abgrund, der widerhallt von grenzenlosen Klagen. Kunststück, unten lauern Intertoys, Rewe, Xenos, Reno, dm nebst einem Verschlag mit der Beschriftung „Die Frische Story“. Ich lüge nicht! „Smoothies, Säfte, Frozen Yogurt and Bubble Smoothies“, eine richtig geile Story! Von der Langnese Happiness Station wie vom basic | hairshop lieber zu schweigen.

      Die Häme übrigens, die sich, wie ich mittlerweile weiß, bei konsumkritischen Geistern angesichts des Vordachs breitmachte, welches nachträglich über dem Eingang angebracht werden mußte, weil zuvor grobschloßger Hagel, Schnee und trübes Wasser (es paßt aber auch alles) Kaufwillige angegriffen hatten – in seligen Zeiten wurden einfach Regenrinnen und Schneefänge an die Häuser gezimmert –, ist vollends fehl am Platz. Daß die Masse trotz aller Widrigkeiten ungebremst in ihren liederlichen Tempel drang, macht sie erst recht zu einer von Verdammten, die sich ihrem als Kaufvergnügen zynisierten Schicksal fügt. Sie geht halt wirklich in den Konsum wie in einen Gottesdienst.

      Beziehungsweise fährt auf Rolltreppen. Denn MyZeil kann unmöglich begreifen, wem das Wesen von Rolltreppen verschlossen ist. Sinn und Zweck jener Einrichtungen ist es doch, schneller und bequemer ans Ziel zu gelangen; irgendwelche Gegenmeinungen? Gut. – Da allerdings unter den gegebenen Entwicklungsbedingungen, die einen Fortschritt nur noch als Totschlagen von Zeit zulassen, schlechter besser ist als besser, kann man zwei Techniken gegen den Progreß anwenden:

      a)Man verlängert einfach die Rolltreppe ins Superlativische, und schon brauchen ihre Benutzer wieder wünschenswert lange, um anzukommen; oder –

      b)– man baut für jedes Stockwerk, wie in Kaufhäusern üblich, eigene Rolltreppen, versetzt die aber in einem so großen Abstand voneinander, wie es die Größe der entsprechenden Etage gerade noch zuläßt.

      Man hat sich

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