Frankfurter Wegsehenswürdigkeiten. Группа авторов

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Punkten der Bibliothek in Stellung bringen, wobei ihnen aber – ebensowenig wie den Lautsprechern – niemals auch nur ein einziges Wort entweicht. „Doch uns ist gegeben, / Auf keiner Stätte zu ruhn“, rezitiert einer Hölderlin, während er vom Strom der Hinausstürzenden fortgerissen, durch die Drehtür gewirbelt und auf die Straße geschleudert wird.

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      Kaisersack

      oder:

      Wo die Ungastlichkeit dieser

      Stadt ihren Anfang nimmt

       Von Volker Breidecker

      Wenn Bahnhöfe das sind, was in vormodernen Zeiten Stadttore waren, so hat Frankfurt mit seinem Hauptbahnhof, dem ein Schicksal à la Stuttgart 21 zum Glück erspart geblieben ist, eins der europaweit schönsten Stadttore. Und wenn die Bahnhofsfassade nicht gerade wieder als Werbeträger verpachtet ist, sieht das hundertsechsundzwanzig Jahre alte Gebäude noch immer so aus, wie Max Beckmann im Jahr 1942 aus der Ferne des Exils diesen melancholischen Ort der Ankünfte und der Abreisen aus der Erinnerung gemalt hat. Nur diesseits des ausladenden Vorplatzes, nämlich dort, wo auf dem im Städel hängenden Bild eine schwarze Katze über einem Paradiesgärtlein thront, da ist im wörtlichen Sinne der heute gültigen Ortsbezeichnung bereits das Ende der Vorstellung eines gastfreundlichen Empfangs erreicht, den diese Stadt ihren Ankömmlingen und Besuchern bereiten würde. Schlimmer kann man einen öffentlichen Platz und den Raum eines auf ihn zulaufenden Boulevards – den einzigen, den Frankfurt besitzt – gar nicht abwerten, als ihn Kaisersack zu nennen. Und städtebaulich wird dieser Ort seit Jahren und Jahrzehnten so behandelt, als läge hier noch immer jenes einstige Galgenfeld, auf dem einzig sich auch ein Akt – wie Marcel Proust einmal schrieb – von solch „furchtbarer Feierlichkeit vollziehen kann wie eine Abreise mit der Eisenbahn oder eine Kreuzerhöhung“. Oder eine Ankunft in der Stadt Frankfurt am Main.

      Diese weithin – manchmal auch in einem durchaus wohltuenden Sinne – unromantischste aller deutschen Städte bekommt zwar demnächst (neben einer neuerrichteten Disneyworld-Altstadt der Marke Rothenburg ob der Tauber) ihr Deutsches Romantikmuseum, doch wurde auf der nämlichen Magistratssitzung, die den Ausstieg der Stadt aus der Finanzierung des Museumsprojekts beschlossen hatte – von denselben Stadtvätern später bußfertig wieder zurückgenommen –, auch der vorgesehene Etat für den seit langem geplanten Umbau des Bahnhofsvorplatzes gestrichen und die Wiederherstellung eines menschenwürdigen Übergangs von und zur Magistrale der Kaiserstraße auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Damit hatte sich die Stadt auch aus der Affäre eines nicht endenden Streits zwischen ihr und der Deutschen Bahn darüber gezogen, wo das bahneigene Gebiet eigentlich endet und wo der städtische Grund beginnt. Frankfurts notorisch schlechter Ruf unter den rund 450.000 Reisenden, die tagaus, tagein am Hauptbahnhof ankommen oder abreisen, hat hier seinen manifesten Ausgangspunkt, und er wird auch so lange erhalten bleiben, wie den Besuchern die Botschaft vermittelt wird, daß für sie am Schnittpunkt von Bahnhof und Stadteingang keine einladenden Übergänge, sondern nur Untergänge vorhanden sind: Nach dem Willen der Stadtplaner sollen Fußgänger und Fußreisende gehorsam und brav in einer der Unterführungen verschwinden und sich in labyrinthischen unterirdischen Schächten in alle Richtungen verstreuen.

      Für jene unverbesserlichen Rollkofferbenutzer und Flaneure der letzten Tage aber, die sich mit Le Corbusier weiterhin auf das „Königsrecht des Fußgängers“ berufen und die Stadt unter freiem Himmel betreten und begehen wollen, haben die Verkehrsplaner die Tortur und das lebensgefährliche Risiko ersonnen, zwischen Bahnhofsvorplatz und Kaisersack – nur Buenos Aires könnte da mithalten – insgesamt neun (alle neune!) allein dem motorisierten Verkehr vorbehaltene Fahrspuren überwinden zu müssen: sieben Fahrbahnen für Autos, Omnibusse und LKWs, die durch ihre sportlich geschwungenen Kurven zum Durchdrücken der Gaspedale und zum kräftigen Aufdrehen geradezu einladen, und zwei für die stählernen Trams, die hier nicht minder fehlplanerisch auf ihren Schienen rollen.

      Keine zwei Meter breit ist der Mittelstreifen zwischen den beiden doppelspurigen Fahrbahnen aus Richtung Messe und Alleenring. Wer da mit oder ohne Rollkoffer, Fahrrad, Kinderwagen und/oder Schäferhund hängenbleibt, darf im dichten Gedränge vor ewig roten Ampeln so lange warten, bis er blau oder leichenblaß anläuft, bevor auch für ihn vorübergehend einmal „Grün“ angezeigt ist. Und weil es da ziemlich gefährlich ist, seine Füße allzuweit, allzu ungeduldig und allzu voreilig Richtung Fahrbahn zu bewegen, haben sich die weisen Frankfurter Verkehrsplaner, die auch privat am liebsten im SUV verkehren, ein ganz besonderes Geschenk für das gewöhnliche Fußvolk ausgedacht: die „XXL-Ampel“ mit einem vor antrainierten, proteintrunkenen Muskeln nur so strotzenden „Iron-Männeken“, das offenbar allein imstande sein soll, den im hiesigen Stadtraum drohenden Stahlbädern erfolgreich zu trotzen.

      Öffentliche Plätze – das lehrt die Geschichte der europäischen Städte, und das lehren die Stadtsoziologen und Kulturanthropologen – sollten sich dadurch auszeichnen, daß sich auf ihnen Menschen ungehindert und gefahrlos sammeln und versammeln können. In diesem Sinne ist jeder Platz ein Möglichkeitsraum zur Einübung eines zivilen und zwanglosen sozialen Verhaltens von Fremden unter Fremden. Frankfurts Bahnhofsvorplatz und der von ihm durch die Willkür einer verfehlten Stadtplanung abgeschnittene Kaisersack sind in dieser Beziehung wahre Unmöglichkeitsräume. Und wollte man darüber nachsinnen, welcher Zusammenhang sich an dieser wichtigsten Drehscheibe der Stadt zwischen ihrer physischen Gestalt und den daselbst vorherrschenden sozialen Beziehungen manifestiere, man käme auf ziemlich trübe Gedanken. Und doch sehnte man sich weiter nach urbanen Stätten, die die durch die Gesetze der Gastfreundschaft gestiftete Einheit dessen einlösten, wofür im Französischen – der Sprache der „civilité“ schlechthin – ein einziges Wort steht, das „Gast“ und „Gastgeber“ zugleich bedeutet: „l’hôte“.

      Warum also nicht im Frankfurter Viertel mit der höchsten Hotelbettenzahl und mit dem höchsten Migrantenanteil unter seinen Bewohnern, in einem Quartier, in dem mehr als vierzig verschiedene Nationalitäten vorwiegend friedlich nebeneinander leben, warum nicht just hier, in dem vielleicht einzig wirklich metropolitanen Viertel dieser Stadt, mit der Einlösung der Gesetze der Gastfreundschaft beginnen?

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      Grauer Grund

       Von Stefan Geyer

      „This is German architecture“, meinte der englischsprachige Besucher zu seinem Begleiter und wies mit einer ausladenden Bewegung des rechten Arms über das Gelände. Dann kreuzten sie den Platz zügigen Schrittes in Richtung Steinweg. Es gibt Frankfurter, die diesen Platz noch nie gekreuzt haben, weil sie seit Jahren die Innenstadt meiden und lieber in ihren Quartieren verweilen, im Gallus etwa oder in Ginnheim.

      Man kann es verstehen. Menschen, die sich beispielsweise auf den sogenannten Roßmarkt verirren, werden sich unweigerlich fragen, was zum Teufel sie dort machen. Wer hier ist, will woanders hin. Der Roßmarkt ist kein Ort zum Verweilen. Allenfalls dient er ab und an als Aufmarschgelände für Fußballfans, Apfelweintrinker und Salafisten.

      In den sechziger Jahren – damals fuhren über den Roßmarkt noch Straßenbahnen und Autos – ließen die Stadtoberen den Platz für Fußgänger untertunneln. Die Fußgängerunterführung fand freilich keine Akzeptanz und wurde irgendwann durch Vandalismus zerstört. In den neunziger Jahren zog die Disko U60311 in den ehemaligen Tunnel, die mittlerweile, nach einem Todesfall und Drogenrazzien und erheblichen Mietrückständen, wieder geschlossen ist. Nur der graffitibeschmierte Eingang am Rande des Roßmarkts erinnert noch

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