Great Green Thinking. Jennifer Hauwehde
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Moritz: Wir im 21. Jahrhundert im Vergleich zu den Menschen aus dem 25. Jahrhundert. Das ist aus unserer Sicht die viel spannendere, also die intergenerationelle Perspektive, die unserer Arbeit zugrunde liegt. Sie muss zum Maßstab in allen Politikfeldern werden. Gleichzeitig ist sie ein interessantes Framing: Denn egal, mit wem man spricht – fragt man: »Wollen Sie Generationengerechtigkeit?«, stehen alle dahinter. Daran kann man gut anknüpfen: Jede:r will, dass es Kindern, Enkel:innen und Urenkel:innen später gut geht. Wenn man Verständnis dafür schafft, was das für uns heute aber bedeuten muss und wie wir unser Leben umstellen müssen – dann ist es möglich, dafür Unterstützung zu mobilisieren.
Als ich vor ungefähr sechs Jahren angefangen habe, mich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, ging das vor allem über meinen Konsum. Ich habe auch in meinem Umfeld beobachtet, dass man vor allem grün kauft, sich vegan ernährt und ein bisschen hier und da macht – dann ist aber auch gut. Der entscheidende Punkt, den beispielsweise Fridays for Future zum Aushängeschild der Bewegung gemacht haben, ist aus meiner Perspektive, dass sie den Diskurs auf die systemische Ebene gehoben haben: weg vom individuellen Konsum hin zum größeren Bild. Ich glaube, viele Menschen arbeiten sich daran ab, dass sie so spät angefangen haben, über systemische Fragen nachzudenken. Moritz: Das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen neoliberalen Politik, die wir alle stark internalisiert haben. Wie kann ich das Klima schützen? Ich muss mich vegan ernähren! Viele Menschen kommen gar nicht darauf, dass man auch grundlegend das System ändern und allgemein verbindliche Regeln umschreiben könnte. In den letzten zwei Jahren erlebe ich eine leichte Diskursverschiebung, aber 2016 hat darüber noch kein Mensch diskutiert. Alle hatten das Narrativ, dass Politik gar nichts machen kann und machen soll und alle selbst verantwortlich seien, unhinterfragt übernommen. Das wird langsam aufgebrochen. Konsumkritik allein wird es nicht richten. Jede:r von uns versucht, nachhaltig zu leben – aber da draußen wird mit harten Bandagen gekämpft. Das Klima geht nicht zugrunde, weil zwei Leute Fleisch essen. Es ist toll, wenn sie kein Fleisch mehr oder wenigstens Biofleisch essen, aber das reicht nicht, das wird die Welt nicht retten.
Sophia: Die negativen Seiten des Neoliberalismus werden immer sichtbarer – und das zwingt uns zum Handeln. Diese Krise ist auch ein ständiges Hinterfragen: von Weißsein, von Mann- oder Frausein. Was heißt es denn heute, ein Mann oder eine Frau oder ein anderes Geschlecht zu sein? Es gibt sehr viele offene Fragen in einem System, in dem man unter einem starken Konkurrenzdruck steht und immer überall der:die Beste sein soll – mit der Illusion vom Wachstum, das nie aufhört.
In Deutschland und weltweit würde es den Menschen besser gehen, wenn eine globale sozioökologische Transformation vollzogen würde, meinen die beiden. Es gelte, die Mehrheit davon zu überzeugen, dass viel zu gewinnen sei. Das sieht auch Professorin Doris Fuchs, Inhaberin des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung an der Universität Münster, so: »Die Frage ist nicht: Wollen wir, oder wollen wir nicht? Die Frage ist: Schaffen wir es, den politischen Diskurs darauf zu fokussieren, wie wir das konkret angehen können?«
Doch wenn alles weitergeht wie bisher (und danach sieht es leider aus), wird kein Land der Erde die Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten, weder für 2°C noch für 1,5°C Erderhitzung. »Keine Partei in Deutschland hat ein konkretes Konzept dafür ausgearbeitet, wie das 1,5°C-Ziel eingehalten werden soll!«, empören sich Sophia und Moritz. Gleichzeitig haben die wenigen – also die an den Schalthebeln mit dem vielen Geld und der vielen Macht – es geschafft, dass wir als Individuen uns untereinander die Köpfe einhauen im Wettbewerb um den nachhaltigsten Lebensstil und hämisch mit dem Finger auf die zeigen, die immer noch! nicht fair einkaufen.
Gerade haben wir also eine äußerst unbefriedigende Situation vorliegen: Einige wenige sorgen dafür, dass kein Staat der Welt bisher eine ernsthafte Klimapolitik zustande gebracht hat – gegen den Willen der vielen: Die Mehrheit der Bürger:innen hat erkannt, dass Umwelt und Klimaschutz essenziell sein werden, um die Zukunft zu meistern (69 Prozent), Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern (62 Prozent und 55 Prozent) und Arbeitsplätze zu erhalten (55 Prozent).58 Damit sind die Leute auf der Straße klüger als die neoliberalen Politiker:innen, die immer noch glauben (und behaupten), Klimaschutz und Wirtschaft ließen sich nicht miteinander vereinen. Die Enttäuschung ist dementsprechend groß: Nur 18 Prozent der Menschen in Deutschland sind der Ansicht, die Bundesregierung tue genug, um die Klimakrise aufzuhalten.59
»Weiblich, weiß, schlank und mit einem akademischen Hintergrund – das fasst zumindest den sichtbaren Prototyp der nachhaltigen Szene zusammen.«
EIN ESSAY VON CIANI-SOPHIA HOEDER
WARUM IST DIE NACHHALTIGE BEWEGUNG SO WEISS?
Die Klimaszene hat ein Rassismusproblem. Fridays For Future, Greenpeace, Extinction Rebellion – all diese Bewegungen werden regelmäßig dafür kritisiert, dass sie sich zwar für das Klima einsetzen, aber nicht intersektional sind, also Menschen mit Mehrfachdiskriminierung berücksichtigen. Zuletzt kochte der Diskurs hoch, als die ugandische Aktivistin Vanessa Nakate zur 50. Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos von der Nachrichtenagentur AP aus einem Gruppenbild mit Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson und Loukina Tille herausgeschnitten wurde.61 In einem Video erklärte Nakate: »Afrika ist der geringste Verursacher von Kohlendioxid, aber wir sind am stärksten von der Klimakrise betroffen. Wenn ihr unsere Stimmen auslöscht, ändert das nichts. Wenn ihr unsere Geschichten auslöscht, ändert das nichts.« Weiter ging es mit Tonny Nowshin.62 Sie nahm als einzige nicht weiße Aktivistin gemeinsam mit sieben weiteren Aktivist:innen an einem Protest gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln 4 teil. Im Anschluss an die Aktion twitterte Greenpeace Deutschland Fotos. »Alle, die dabei waren, waren abgebildet. Nur ich nicht. In einer Szene hatte ich sogar direkt neben Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer gestanden – aber das Foto hörte neben ihr auf. Ich war lediglich getaggt«, erklärte Tonny im Nachhinein.63
Weiblich, weiß, schlank und mit einem akademischen Hintergrund – das fasst zumindest den sichtbaren Prototyp der nachhaltigen Szene zusammen. Bestätigt wurde das bereits in einer Studie des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin (ipb): 87 Prozent der Fridays-for-Future-Demonstrant:innen haben demnach mindestens eine Fachhochschulreife oder streben sie an, deutlich mehr als die Hälfte zählt sich selbst zur oberen Mittelschicht oder Oberschicht – und der Anteil der Menschen mit einer Migrationsgeschichte ist niedriger als in der Gesamtbevölkerung.64 Das heißt allerdings noch lange nicht, dass BIPoC sich nicht für die klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten interessieren. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Der Klimawandel ist nicht nur ein umweltpolitisches Thema, nein, er zeigt die rassistischen und klassistischen Problematiken, in Deutschland und global. So haben Menschen mit