Great Green Thinking. Jennifer Hauwehde

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Great Green Thinking - Jennifer Hauwehde

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zu einer Symbolpolitik verkommt, die keine Auswirkungen hat, ist dann erst mal nicht so auffällig: Die Politiker:innen können etwas tun, ohne jemandem wehzutun. So ein Ansatz passt auch viel besser in unsere Marktwirtschaft und die ökonomischen Paradigmen, in denen wir denken. Dann kann man immer noch sagen: ›Wir wollen Wachstum. Und wir möchten, dass der Markt das Problem löst.‹ Das wird langfristig allerdings nicht funktionieren.«

      Mit der Jahreszahl 2001 bezieht Professorin Fuchs sich auf einen Text von Michael Maniates, der die Verschiebung der Verantwortung auf die Konsument:innen kritisiert und den wissenschaftlichen Dialog stark beeinflusst hat. Unter dem Titel Plant a Tree, Buy a Bike, Safe the World? schreibt Maniates: »Wenn die Verantwortung für Umweltprobleme individualisiert wird, gibt es wenig Raum, um über Institutionen, die Art und Ausübung politischer Macht oder über Wege nachzudenken, die Verteilung von Macht und Einfluss in der Gesellschaft kollektiv zu verändern – mit anderen Worten: ›institutionell zu denken‹.«55 Man bleibt stecken im Kleinkrieg aller gegen alle – wer ist besser im Plastikvermeiden? Wer shoppt immer noch Fast Fashion? Wer hat immer noch zu viele Sachen bei sich zu Hause herumstehen?

      Solange es klar abgegrenzte Gruppen innerhalb einer Gesellschaft gibt, von denen die Mehrzahl diskriminiert und auf unterschiedlichen Ebenen ausgebeutet werden kann, sodass ihre Mitglieder vor allem damit beschäftigt sind, innerhalb dieses Systems (und gegeneinander statt miteinander) zu bestehen, ist eine radikale Veränderung der Verhältnisse nicht zu befürchten. Wir müssen uns außerdem klarmachen: Der Versuch, sich in einem Wirtschaftssystem eine stabile Identität durch Konsum aufzubauen, das darauf basiert, immer neue Produkte und Identifikationsangebote in rasender Geschwindigkeit auf den Markt zu werfen, kann nur zum Scheitern verurteilt sein.56 Die Feind:innen stehen nicht in der Schlange vor der Primark-Kasse.

      Der überbordende Konsum von Waren und Dienstleistungen stellt ein unbestrittenes Problem dar, mit dem wir uns als Gesellschaft ernsthaft und langfristig befassen müssen. Dabei dürfen wir allerdings nicht alle Bevölkerungsgruppen in einen großen Topf werfen und kräftig umrühren, um am Ende zuverlässig etwas von »Verzicht« und »Mäßigung« propagieren zu können.

      »Ökologische Nachhaltigkeit unabhängig von sozialer Nachhaltigkeit ist keine Option«, bekräftigt Professorin Fuchs. »Wir müssen immer über ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit gleichzeitig sprechen. Ich arbeite viel zu Konsumkorridoren, also der Frage, wie nachhaltiger Konsum gestaltet werden kann. Unsere Hauptfrage ist: ›Wir wollen versuchen, dass alle auf der Welt – alle, die jetzt leben, und alle, die in Zukunft leben – ein gutes Leben haben können. Was muss dafür passieren?‹«

       DORIS FUCHS

      Prof. Doris Fuchs ist Politikwissenschaftlerin und Professorin für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

      Sie promovierte in Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Kalifornien und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem beschäftigt sie sich mit den Themen (strukturelle und diskursive) Macht, nachhaltiger Konsum und Beteiligung. Sie ist Sprecherin des Zentrums für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN).

       INTERVIEW MIT SOPHIA HEINLEIN UND MORITZ PIEPEL VOM JUGENDRAT DER GENERATIONEN STIFTUNG

       EIN MÖGLICHER SCHLÜSSEL: GENERATIONENGERECHTIGKEIT

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       Von Jennifer Hauwehde

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      Mit dieser und vielen weiteren Fragen im Gepäck mache ich mich im November 2020 auf den Weg nach Berlin. Dort treffe ich mich mit Sophia Heinlein und Moritz Piepel in einem kleinen Büro mit hohen Decken und knallorangenen Plakaten in den Fenstern, die es mir leicht machen, das richtige Gebäude zu finden. Die Plakate werben für das Buch Ihr habt keinen Plan, das von dem Jugendrat der Generationen Stiftung geschrieben wurde und »Zehn Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft« aufstellt. Darunter: das Klima retten, den neoliberalen Markt einschränken, soziale Gerechtigkeit schaffen und die Menschenrechte einhalten.

      Für mich klingen die Thesen im Buch sehr anschlussfähig, aber ich glaube: Das geht nicht allen so. In meinem Kopf habe ich Bilder von alten Menschen, die keine Lust haben, sich das Steak vom Teller und den SUV unter dem Hintern wegnehmen, und erst recht nicht, sich von jungen Leuten erklären zu lassen, dass sie ihr ganzes Leben falsch gelebt haben. Das »How dare you?« von Greta Thunberg war aufrüttelnd und wichtig57 – in den letzten Monaten wurde daraus allerdings vor allem eines gemacht: ein Generationenkampf.

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       Geht es wirklich um Alt gegen Jung?

      Moritz: Nein. Es gibt keinen Generationenkonflikt. Nicht in Deutschland, aber auch nicht in globaler Perspektive. Tatsächlich sehen wir einen Klassenkonflikt. Nicht mehr zwischen der Arbeiter:innen-Klasse und allen anderen Schichten, sondern zwischen privilegierten und weniger privilegierten Menschen – und auf globaler Ebene zwischen globalem Norden und globalem Süden. Hätten wir Generationenkonflikte, wäre politisches Handeln von vornherein zum Scheitern verurteilt: Wenn die Jungen sowieso dafür und die Alten hierfür wären, könnte man am System nichts ändern. Das führte zu politischem Stillstand. Die wirklichen Konfliktlinien verlaufen woanders. Zu sagen, wir hätten einen Generationenkonflikt, verkürzt politische Debatten, und das ist gefährlich.

      Sophia: Für eine Schuldfragen-Debatte haben wir außerdem definitiv keine Zeit. Das würde die Lage ja nicht ändern. Es geht hauptsächlich darum, eine Zukunft zu gestalten. Dabei natürlich auch die Vergangenheit im Blick zu behalten, aber den Fokus darauf zu setzen: Was können wir hier und jetzt konkret verändern?

      Moritz: 15 Prozent der Wahlberechtigten sind unter 30 Jahre alt. Selbst wenn in unserer Generation alle Menschen genauso denken würden wie wir, dann würden sie immer noch nur 15 Prozent der Wahlberechtigten stellen. Und das ist einfach nicht genug, um einen Wandel anzustoßen. Dem gegenüber stehen 36 Prozent Wahlberechtigte über 60 Jahre. Wenn man diese 36 Prozent bei ihrem Gewissen packen und zur Verantwortung ziehen könnte, um eine zukunftsfähige Politik zu gestalten – dann könnte man tatsächlich einen Richtungswechsel realisieren.

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       Was bedeutet »Generationengerechtigkeit«?

      Sophia: Es gibt zwei Arten, den Generationenbegriff zu definieren. Einerseits die Einteilung in die junge, mittlere und alte Generation. Andererseits: Wir sind jetzt die eine Generation, die gemeinsam auf der Erde lebt – und es gibt die kommende Generation, die noch nicht geboren ist. Dann wären wir alle in einer Generation. In dieser Generation ist es wichtig, miteinander zu sprechen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

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      GENERATIONEN STIFTUNG/ JUGENDRAT

      Die Generationen Stiftung hat in den Jahren 2013 und 2017 zu den Bundestagswahlen das Generationen Manifest60 verfasst

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