Die Suche hat ein Ende. Mario Walz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Suche hat ein Ende - Mario Walz страница 4
Ich erkläre der Frau und ihrem Mann in verständlichen Worten wo der Knackpunkt liegt. Dass ihr Problem erst einmal genau definiert werden sollte, und dass letztlich nur sie beide die Schwierigkeiten bereinigen können. Wie ich erwartet hatte: Der Mann fand die Hausuntersuchung schon merkwürdig genug, aber dass da etwas auf einer tieferen Ebene als der unteren Hautschicht existieren und passieren soll, ist zu viel für ihn. Da er aus beruflichen Gründen gehen muss, verabschiedet er sich unbehaglich, und stürmt dann nach kurzem Zögern mit fesselndem Blick auf seine Gattin aus dem Haus.
In solch einem Fall würde ich an dem Haus eh nicht viel verändern. Schließlich müssen beide darin leben. Und wenn die Energie zum Fließen käme, würde die Frau zwar einen Schubs bekommen um ihre erhoffte Veränderungen zu starten, er aber würde sich unbehaglicher und ausgesperrter fühlen. Schwierige Situation.
Ich erkläre dies, und im folgenden Gespräch taut die gute Frau auf und legt erst richtig los. Sie erzählt mir, wie glücklich sie vorher waren, und dass sie seit dem Umzug immer weiter auseinanderfühlen, immer mehr streiten und sie immer unglücklicher wird. Dabei war sie zuvor so lebenslustig.
Wenn man sich die Mühe macht, die Gesichter der Menschen genau zu betrachten, kann man recht schnell die inneren, emotionalen Zustände ins Gesicht gezeichnet erkennen. Oft beobachte ich Menschen, die hauptsächlich auf der rechten Seite lachen oder deren Mimik auf einer einzigen Gesichtshälfte reduziert ist. Das sagt schon einiges über das wahre innere Wesen eines Menschen.
Bei mir selbst war es früher auch so, dass ich nur rechts gelacht hatte. Wenn mich jemand von links begrüßte und ich zurücklächelte, musste ich extra den Kopf drehen, damit derjenige auch mitbekam, dass ich ihn anlächelte. Verrückt. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, in dem ich urplötzlich und ohne Absicht ein Lächeln auf der linken Gesichtsseite zustande brachte. Ich war zunächst völlig von den Socken und freute mich danach wie Bolle, da dies ein äußerliches Zeichen für eine tiefsitzende innere Heilung bedeutete.
Und wenn eine Frau vor mir sitzt, in deren Gesicht herabgezogene Mundwinkel jedes Lachen verbieten, und diese sich selbst Lebenslust diagnostiziert, kann ich das nicht ganz glauben. Diese Frau trägt einen so tiefen Schmerz in sich, dass ihre »Lebenslust« nur der verzweifelte Versuch ist, die Traurigkeit nicht hervorkommen zu lassen. Und jetzt, in der Einsamkeit eines neuen Zuhauses, fernab von Freunden und Ablenkungen, kommt dieser Schmerz wie eine dunkle Gewitterwolke über sie. Und das Haus, in dem sie wohnt, unterstützt diesen Aspekt in vollem Umfang.
Wie sprechen darüber. Ich öffne ihre Wunden und mit sanfter Salbe mitfühlender Worte führe ich sie zu sich selbst. Ich weiß, dass die Worte nur oberflächlich wichtig sind, aber im Hintergrund, unsichtbar, aber für mich deutlich zu spüren, passieren Dinge, die zu erklären ich selbst nicht fähig bin.
Ich spüre, dass der Raum um uns immer größer und heller wird. Ihre Düsterheit und die von emotionalen Verletzungen vernarbte Haut entspannen sich. Bis der entstandene, energetisch lichtvolle Raum ihr Ruhe und Sicherheit gibt. Die Narben beginnen sich zu röten und grauen Nebelschwaden gleich verlassen alte verletzende Worte und unschöne Gedanken ihren Körper. Ich spüre wie sie sich entspannt und gleichzeitig voll zitternder Energie ist.
Wir beenden das Gespräch zu dem Zeitpunkt, an welchem ihr Wesen losgelassen hat, was es loszulassen gibt. Äußerlich ist nicht viel passiert, außer dass zwei Menschen bei schlechtem Kaffee ein intensives Gespräch führen. Aber die Energie, die aus dem Herzen in den Raum geflossen war, hat ihr geholfen sich zu öffnen, sich selbst etwas mehr zu befreien.
Ihrem Wunsch entsprechend gehe ich noch durch die Zimmer, um das Haus auf seinen Energiezustand zu untersuchen. Wie bei vielen alten Häusern steht die energetische Matrix der Mauern auf wackligen Beinen. Die Wände erscheinen schief und dunkel. Manche sehe ich derart gewölbt, dass es mich wundert, wie man hier überhaupt wohnen kann.
Ich frage nach ihrem Schlaf und erhalte bestätigt, dass dieser ruhelos und ermüdend wirkt. Im Schlafzimmer spüre ich den Fluss des am Haus vorbeiziehenden Baches. Seine energetischen Fließmuster durchstreifen das Zimmer der Länge nach und mitten durch das Bett der Hausherren.
Während meiner Untersuchung erkläre ich die Zustände, kann mir aber noch keinen Reim darauf machen, was der Auslöser für eine solch Verschlechterung sein kann. Wasseradern und andere Strahlungen bewirken einiges. Aber dass die Energie eines Hauses so absinkt, dass kaum noch Luft zum Atmen in den Räumen zu sein scheint, kann nur an einer schweren energetischen Verletzung liegen.
Ich dehne mich aus, und wie ich die Räume vollständig ausfülle, zeigt sich in der Ecke ein verängstigtes Wesen. Nein: ein Wesensanteil. Aber diese Angstform kann nicht die Ursache des Problems sein, sondern ist selbst ein Teil des Schmerzes. »Was ist das für eine Tür?« »Ja, die führt in den Keller, aber da geht nie jemand runter«.
Wenn ich diese Worte höre, weiß ich, dass ich mindestens eine halbe Stunde unten zwischen Spinnweben und alten muffigen Dingen auf Ursachenforschung gehen darf. Ich verabschiede mich bis auf Weiteres und steige die alten ausgelatschten Steinstufen in einen düsteren Gewölbekeller hinab. Zwei nackte Glühbirnen hängen inmitten eines großen Nichts und kämpfen mit zartem Zittern gegen die Dunkelheit, die aus Ecken und Wänden in die Mitte des Raumes kriecht. Der Raum ist völlig leer.
Bis auf die verängstigten Augen der jungen, vor Angst starren Frau, die in verschlissenen Kleidern in der Ecke kauert und die beiden Soldaten fixiert. Wie der Hase vor der Schlange. Die Soldaten stellen ihre Waffen an die Wand und lachen. Sie ziehen sie aus, schlagen die unbewegte Frau, deren Seele schon nicht mehr in ihrem Körper wohnt, vergehen sich an ihr und töten sie. Wie eine hängende Schallplatte wiederholt sich die Szene. Immer wieder. Der Schmerz der jungen Frau fließt aus ihrem zerschundenen nebligen Körper in den Raum und saugt jede noch so frische Energie in sich hinein. Wie in ein schwarzes Loch wird alles, was Licht und Leben ist, in den düsteren Schlund der Raum und Zeit übergreifenden Gewalt gezogen.
Aus mir heraus brennt eine große Flamme in spiraler Bewegung, immer größer werdend, der Dunkelheit entgegen. Das Feuer nagt und zieht düstere Wolken aus den Ecken, aus den Wänden heraus, aus dem Ursprung des Schmerzes. Die beiden schemenhaften Gestalten der Soldaten – zurückgelassene Seelenanteile, die abgespalten hier stecken blieben, ohne Hoffnung alleine zurückzufinden, für immer verdammt die gleiche Situation wieder und wieder zu erfüllen –, werden aus der Schleife befreit und bleiben wie leere Hülsen am Boden liegen.
Die Dunkelheit ist gewichen. Übrig bleibt die fast erloschene Schwade einer einst lebendigen Frau. Auch sie verloren, aus dem Körper gestoßen und in der Schleife des Todes gefangen. Ich fühle nach oben. Die Decke verschwindet in Wellen und gibt ein Licht frei, das stark und hell, aber ohne zu blenden, herableuchtet. Ich reiche ihr meine Hand, voller Angst zuckt sie zurück, doch mit beruhigenden Gedanken nähere ich mich ihr, ergreife ihre durchscheinende Hand und geleite sie zu dem Licht. Wie immer kommen sie den halben Weg herab, nehmen die Frau mit freundlichen Gesten in Empfang und heben sie in lichte Höhen. Von unten sehe ich ihre Freunde, Bekannte, Familie, die sie in die Arme schließen. Sie ist noch immer verwirrt, hin und hergerissen zwischen Unglauben und Freude.
Ich reiße mich aus der warmen Energie, nehme beide Seelenanteile der Soldaten und führe auch diese zu dem Licht. Sie werden angenommen, und können nun zurück, wenn der größere Teil derer Seelenwesen dies geschehen lässt. Debil grinsend stehe ich in einem Gewölbekeller und atme erst einmal in aller Ruhe. Erfüllt von der leuchtenden Energie anderer Welten, die mich glücklich und zufrieden macht.
Immer wieder stoße ich auf den Krieg. So viele Jahre her und dennoch so mächtig und allgegenwärtig. Verlierer alle beide, Täter wie Opfer. Und im dauernden Kreislauf des Stehlens von Energie. Es ging immer nur darum die Energie zu stehlen, oder?
Ich begebe mich nach oben und stoße