Die Suche hat ein Ende. Mario Walz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Suche hat ein Ende - Mario Walz страница 7
Früher dachte ich immer, ich müsste den Menschen mit in die Höhe gestrecktem Zeigefinger die Missstände in unserer Gesellschaft und des eigenen Lebens aufzeigen. Dies geschah durch meine Kunst und meinen missionarischen Eifer. Wodurch ich die Herzen der Menschen für das Mysterium des Lebens und der notwendigen gesellschaftlichen Veränderung zu öffnen versuchte. Ich stellte aber fest, dass sich Menschen beim Betrachten von Schmerz inspirierter Kunst eher verschließen.
Sie müssen sich auch schützen, denn oftmals wird durch das Betrachten von schrecklichen Bildern das eigene Leid angerührt. Der Mensch geht in Resonanz mit dem durch die Kunst ausgedrückten Schmerz. Es gibt viele Möglichkeiten mit dieser Resonanz umzugehen. Aber in den allermeisten Fällen bleibt das Herz dabei verschlossen. Muss es ja auch, da die wenigsten Menschen den eigenen Schmerz nicht sehen wollen. Und deswegen auch die Mauer errichtet haben, die das Herz vor weiteren Verletzungen schützen soll. Wodurch allerdings auch keine Veränderung geschehen kann. Weil nicht das Herz, sondern nur der Intellekt, das Denken angesprochen wird. Und um sich zu verändern, muss man das Herz öffnen. Um die dort gefangenen Gefühle zu befreien.
In meiner Theaterzeit erkannte ich dann, wie man Menschen tatsächlich berühren kann. Als ich 300 lauthals lachende Menschen im Theatersaal sitzen sah, und die Gelöstheit in deren Gesichtern bemerkte, als sie die Show verließen, wurde mir bewusst, welche Macht und Kraft in dieser Arbeit steckt. Durch den erlebten Spaß und das daraus erfolgende Lachen sind die Herzen der Zuschauer offen und weit, die Energie ist umwerfend. Ich konnte den Unterschied in der Raumenergie vor der Show und danach fast körperlich spüren. Nicht nur, dass die Menschen sich selbst beschenken, sie geben Herzensenergie an die Umwelt weiter, ein kleines Schneeballsystem der Freude und Gelassenheit. Faszinierend. Und wenn ich im Gegensatz dazu die betroffenen, mitleidsvollen oder gar verhärteten Gesichter der vermeintlich berührten Menschen in Ausstellungen betrachte, frage ich mich, welches System ist besser geeignet, um uns selbst und unsere Welt zu heilen?
Durch humorvolles Entertainment, durch eine unterhaltsame Geschichte oder entsprechende Lieder kann ich den Zuschauern eine kleine Botschaft der Freude oder der allgemein gültigen Wahrheit einpflanzen. Dadurch erreiche ich mehr als durch erschreckende Bilder von Schmerz und Leid. Ich setze kleine Samen in die geöffneten Herzen, um eine friedlichere, offenere, und vor allem tolerantere Welt mitzugestalten. Der Samen wirkt im Herzen weiter und verändert den Menschen von innen heraus. Während Zeigefingerkunst nur den Verstand anspricht. Aber der Verstand ist nicht derjenige, der ändert. Er ist standhaft! Und wiederholt lieber das, was er kennt.
Insofern war die Theaterzeit im Kaiserhof eine vielfältige, spannende und interessante Zeit für mich. Aber auch dies ging leider vorüber. Das Theater konnte sich damals nicht mehr finanzieren. Mir blieb die Karriere als Bühnenbildner beim Fernsehen.
Das machte mir auch Freude, auch wenn der kreative Prozess dabei nur ein Bruchteil der gesamten Arbeit ausmacht. Immerhin waren auch meine logistischen und statischen Fähigkeiten gefordert. Und ich lernte die Gratwanderungen, welche die Vorgaben an den Entwurf brachten, zu beherrschen. Aber das kreative Arbeiten im Büro stellte mich nicht so zufrieden, wie das selbsthandanlegende Arbeiten mitten im Geschehen der Theaterszene.
Die Schaffensphase als Bühnenbildner hatte natürlich einige gute Seiten: Mein Honorar war um einiges gestiegen und ich arbeitete zu 90 Prozent von zu Hause aus. Wo ich meine Kinder erleben durfte, und ihnen ständig nahe war. Alles in allem in Ordnung. Eine gewisse Zeit lang.
Bis jetzt, wo ich spüre, dass eine neue Phase meines Lebens beginnt. Ein Neuanfang, der eine komplette Umstrukturierung mit sich bringt. Wohin? Ich weiß es nicht.
Ich fahre meinen neuen PC hoch. Klickklickklick und ich bin im Netz. Nachdem ich alle aufpoppenden Fenster entsorgt habe, die mich in unermüdlichem Dienst am Kunden seit Monaten daran erinnern, dass ich ein neues Virenprogramm bestellen müsste, öffne ich mein virtuelles Postamt.
Nachrichten. Ich freue mich, wenn ich Mails bekomme, muss aber feststellen, dass von zehn verschickten höchstens eine beantwortet wird. Ich liebe das Mail–Schreiben. Und aus den bereits verfassten Mails hätte ich Bücher unterschiedlichsten Niveaus machen können. Unter Massen von Spam erkenne ich die erwartete Nachricht über den neuen Job. Ich öffne den Anhang, drucke den Text aus, und surfe auf meine favorisierten Internetseiten, die ich täglich zu besuchen gewohnt bin.
Ich recherchiere gerne im Netz, wenn ich ein entsprechendes Thema, einen zu ergründenden Ansatz habe. Aber einfach so im Internet herumzugurken ist mir zu langweilig. Viele Seiten ziehen mich auch einfach runter oder verstopfen meine Synapsen mit überflüssigem Gedankenmüll mit langer Halbwertzeit. Ich beende die Verbindung, habe aber das Gefühl, noch darin verweilen zu müssen. Hypnose?
Das Blatt fällt aus dem Drucker auf den Boden. Ich hebe es auf und beginne die Anforderungen für das Bühnenbild zu lesen. Was sich am Telefon so toll angehört hatte, zeigt sich mal wieder von einer komplett anderen Seite. Nicht nur, weil der Entwurf schon gestern fertig sein müsste, weil in drei Wochen schon die erste Aufzeichnung geplant ist. Es gibt eine Kostenvoraussetzung, die überhaupt nicht realistisch ist. Nicht in der Kürze der Zeit und nicht wenn ich auch noch etwas daran verdienen will.
Ich rufe die Produktionsfirma an, um die extremen Voraussetzungen zu diskutieren, um Details zu erfahren. Auf die Frage, ob meine Entwurfsarbeit – als einer von fünf (!!!) zur Ausschreibung herangezogenen Bühnenbildnern – in gewissem Maße honoriert werden würde, höre ich nur: Das können wir uns nicht leisten. Aha, denke ich. Da wird wieder mal eine Sendung auf den Köpfen der Billigarbeiter ausgetragen. Ich kann ja verstehen, wenn die Kosten überhand nehmen, und die Produktion günstig realisiert werden muss. Aber ich weiß auch, was verdient werden kann, wenn die Sendung läuft und dass die Kosten bei rechtzeitiger Entscheidung halb so hoch sein würden. Ich kann das System einfach nicht mehr ertragen und sage kurzerhand ab. Mein Leben ist mir zu kostbar, um es mit solchen Spielen zu vermiesen. Bauchentscheidungen und Entscheidungen, die meinem Selbstwert dienen, sind immer die besten. Und letztlich hat sich immer gezeigt, dass es finanziell und arbeitstechnisch irgendwie weitergeht. Und meist eröffnen sich ganz neue Welten, neue, interessantere Jobs oder Arbeiten, für die ich keine Zeit gehabt hätte, wenn ich in dem System mitgeschwommen wäre. Und diese neuen Erfahrungen bereichern mein Leben ungemein.
Talente
Und jetzt sitze ich hier und schreibe ein Buch. Schon wieder etwas, was ich noch nie zuvor getan habe und von dem ich eigentlich dachte, dass ich es nicht kann. So ging es mir schon oft. Ich nehme neue Herausforderungen einfach an, in der Sicherheit und einem Schuss Hoffnung, dass mir schon gelingen wird, was ich da beginne.
Einmal nahm ich einen Job an, für den ich 2,50 m hohe Styroporskulpturen von Heine, Bismarck, Luther und Händel anfertigen musste. Ohne groß zu zögern, nahm ich den Auftrag an, um danach – als ich dann allein war – sofort in heftige Zweifel zu verfallen. Das zu erwartende Honorar, welches ich dringend benötigte, ging zu einem Großteil in die Anschaffung der notwendigen Werkzeuge. Zunächst überlegte ich, wie bekomme ich überhaupt vier Styroporquader von der Größe 150x150x250 in mein kleines Atelier? Glücklicherweise hatte ich vier Oberlichter mit einer entsprechenden Erhöhung des Raumes, sodass der Raum zwar dunkler wurde, aber die Quader wenigstens stehen konnten.
Als