Die Suche hat ein Ende. Mario Walz

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Die Suche hat ein Ende - Mario Walz

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Schwimmring ausgestattete Kind auf eine Rutsche gesetzt wird, um dann im Wasser unten aufgefangen zu werden.

      Auf jeden Fall glaubt das vertrauensvolle Kind das. Aber nur so lang, bis es unter Gejapse und mit viel Wasser in Auge, Nase, Mund und Ohren wieder endlich zu Luft kommt. Um verschwommen den sich vor Lachen den Kugelbauch haltenden »Schwimmlehrer« zu sehen. Bei mir hatte diese Variante des Schwimmtrainings einen umgekehrten Erfolg. Fortan lag ich auf meinem nicht gerade schmalen Bauch und beobachtete ebenfalls die aufkeimende Weiblichkeit um mich herum.

      Ein weiterer Grund, ungern schwimmen zu gehen, war meine Scham. Diesen dicken, schwabbelnden Körper in Badehose der Gemeinde zu zeigen, erforderte zu viel Mut. Sport war einfach nichts für mich.

      So kam es, dass das Einzige, was noch zum zwangsweise Geselligwerden blieb, ein Tanzkurs war. Die letzte Möglichkeit den verschlossenen Sohn gruppentauglich zu machen.

      Zufällig war dies kurz nach einer vom Arzt kontrollierten Diät und meinem erstaunlich schnellen parallelen pubertätsbedingten Wachstum. Was mich zwar nicht leichter, aber anders proportionierter machte. Diese Veränderung meines Körpers in einen normal schlanken Jüngling verlief aber nur äußerlich. Den Gedanken des Dickseins hab ich erst vor fünf Jahren loslassen können. Zeitgleich zur Einführung in die Tanzwelt wurde ich fünfzehn. Und mit dem Geschenk eines Mofas kam die oben erwähnte Erstbefreiung meinerseits.

      Kurzum: Der Tanzkurs war der volle Erfolg. Ich hatte vorher nie einen Gedanken an das Bewegen meines Körpers zur Musik in Betracht gezogen, obwohl ich natürlich intensiv die gängige Musik von damals hörte, insbesondere die der Beatles. Es gab damals ja zwei unterschiedlichen Fan–Lager: Entweder gehörte man zum Lager der Beatles oder zu dem der Rolling Stones. Ich denke, der Unterschied liegt sicher nicht nur in der Art der Musik, sondern auch und vor allem in dem, was dahinter verborgen mitschwingt.

      Betrachte ich mir die Texte der Beatles, vor allem in der späteren Schaffensphase, füllt sich mein Herz mit viel Gefühl und Liebe. Die Texte beschreiben ganz klar den Bewusstwerdungsprozess, den die meisten Menschen zu diesen Zeiten durchmachten.

      Auch die heutigen Liedertexte sind klar in ihrer Ausrichtung. Es geht bei bestimmten Gruppen nicht mehr um oberflächliche Liebesgeplänkel oder Alltäglichkeiten, sondern um das neue Definieren des Menschen als bewusstes und spirituelles Wesen. Oder die Texte beschreiben den hilfesuchenden Schrei. Die Verzweiflung auf der Suche nach dem wahren Ich, was ja letztlich auch das Ursprüngliche, das Gott–Sein beinhaltet.

      Kurzum, wir befinden uns in einer hochspirituellen Phase in der Musikgeschichte. Dabei ist es völlig unwichtig, welcher Musikrichtung die Gruppe angehört. Es ist nur wichtig, dass viele Menschen die Texte mitgrölen, denn nur so schaffen wir ein neues Feld von Gruppenbewusstsein. Ständig wiederholte Sätze und Gedanken haben die Angewohnheit sich zu realisieren. Wenn ich viele negative Gedanken in mir trage, realisieren sich diese. Bin ich mit meinen Gedanken in einer befreienden, positiven Grundstimmung, erlebe ich positive Ereignisse als meine Wirklichkeit. Und ich spreche hier nicht von oberflächlichem positiven Denken, das nur wie Tünche über der wirklichkeitsbildenden, negativen Gedankenschicht klebt. Und so kann die Musik, die wir täglich hören, zu einer großen Veränderung beitragen. Denn durch die genialen Texte vieler Bands heutzutage ist das eine nicht zu verachtende Unterstützung unserer Bewusstseinsevolution.

      Und das fing meines Erachtens eben schon mit den Beatles an, die meine absolute Lieblingsband war. Ich hörte zwar auch ABBA, aber eher wegen der beiden Mädels und die damals aktuellen Gruppen: ELO, Manfred Manns Earth Band etc. ...

      Aber das Tanzen war mir eher fremd. Und als ich das erste mal ein Mädchen zum Tanzen auffordern musste, wollte ich eher schnell im Boden versinken und den Saal schleunigst wieder verlassen. Doch dann geschah ein Wunder. Das Tanzen befreite mich irgendwie. Es löste mich auf. Ich verlor mich vollkommen in der Musik, wenn ich den Rhythmus und die Akkorde in körperliche Bewegung umsetzte. Das Tanzen brachte neue Gedanken und Gefühle in mir hervor.

      Nach den Standard–Stunden war freies Tanzen angesagt, damals ja auch recht neu – Let´s go disco.

      Ich weiß noch, wie ich zu Anfang überhaupt nicht mehr wusste, was ich denn tun sollte. War ich doch gewohnt, alles gesagt zu bekommen. Jeder Gedanke war fremdbestimmt, vorgegeben, eingepflanzt. Ich war ein mir selbst fremdes Wesen, das seinen wahres Sein vergessen hatte. Nur war mir dies nicht bewusst. Ich war eben so wie ich war: unsicher, unwissend, fremd. Und plötzlich sollte ich mich alleine bewegen, ohne vorgegebene Schritte und so. Allein entscheiden, allein handeln. Aus mir heraus!

      Ich tat es. Und löste damit eine erste Revolution in mir aus. Fortan war das Tanzen neben dem Zeichnen mein Ein und Alles. Ich denke, dass ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr so gut wie jede Woche exzessiv abtanzen war. Ich hab alles mitgenommen, alle erdenklichen Standardtänze, Rock ‘n’ Roll, Swing, Stepptanzen und schließlich bis zu meinem Pseudomilitärdienst auch Ballett.

      Als ich nach der Bundeswehr beschloss meinen absolut eigenen Weg zu gehen, bewarb ich mich auch an einer Ballettschule, doch war ich damals schon zu alt für ein Tanzstudium. Heute bin ich froh darüber. Denn der Weg, den ich gegangen bin, ist genau richtig so gewesen. Und das Tanzen blieb mir ja dennoch erhalten.

      Mein Musikgeschmack hat sich immer wieder sehr gewandelt. Ich lebte ja auch in einer extremen, schnelllebigen und faszinierenden Zeit: Punk, Wave, Ska, Funk, Soul, Rockabilly oder alternative Rock ... Aber leider wurde in den Tanzhallen, in denen ich meine Abende verbrachte, selten die Musik gespielt, die ich am liebsten hörte.

      Ich bin nicht fixiert auf eine bestimmte Musikrichtung. Aber ich muss beim Tanzen die Gefühle der Musiker spüren. Dabei ist es nicht wichtig, welcher Art diese Gefühle sind, denn ich will alle ausleben und austanzen. Und da in mir die gesamte Bandbreite aller Emotionen vorhanden ist – so, wie bei allen anderen auch –, kann ich mich völlig auf jede Musik einlassen (außer Techno). Die Gefühle, die ich durch die Musik in mir hochkommen lasse, lebe ich durch das exzessive Tanzen wieder aus. Ich befreie mich also durch das Tanzen von all den Gefühlen, die unterdrückt in mir auf Befreiung warteten. Das macht nicht nur unglaublichen Spaß, sondern hilft mir auch frei zu sein. Denn viele der menschlichen Probleme entstammen den unterdrückten Gefühlen. Wenn ich diese aktivieren und »raus« lasse, können sie nicht in mir klebend mein Denken und Handlen vergiften. In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, wie sehr sich meine Lieblingsmusik gewandelt hatte. Es gab Zeiten, da ging ich voll auf aggressive Musik ab: Ich hab meinen Körper in schnellster Ekstase dem hämmernden Beat und wutschreienden Gitarrenriffs hingegeben. Um eben diese in mir explodieren wollende Wutgefühle zu befreien. In einer anderen Zeit gehörte das verzweifelte Leiden von The Cure zu meiner Lieblingsabtanzmusik. Ein ander mal liebte ich die einfache Freude und Lebenslust von Funk oder schnellen Rockabillysongs. Durch die Musik kann ich nicht nur das Wunder meines Körpers spüren und mich völlig austoben – es hilft mir auch, meine Gefühle zu reinigen. Wundervoll!

      Das Prozedere meiner Tanzaktionen ist immer gleich. Ich beschäftige mich irgendwie, bis endlich die Zeit gekommen ist, in den Club oder die Tanzhalle zu gehen. Was ja oft erst gegen 24:00 Uhr angesagt ist. Meist bin ich einer der Ersten, die dann dort auftauchen. Ich stelle mich in eine dunklen Ecke und beobachte die Leute, falls da welche sind, hänge meinen Gedanken nach, und falle so langsam in die Musik. Die Gedanken werden immer blasser, leichter und verschwinden so nach und nach. Es existieren dann nur noch die Bilder, die meine Augen aufnehmen und das Wummern der Musik, die mein Wesen einnimmt. Gleichzeitig beginnt mein Körper zur Musik zu zucken. Einfach so, als ob er ein Eigenleben hätte. Wenn dann das richtige Musikstück kommt, ziehe ich meine Jacke aus, stelle mein Wasser in die Nähe meines Tanzplatzes und begebe mich auf die noch recht leere Tanzfläche. Meistens gehöre ich zu den Ersten oder bin überhaupt der Erste, der sich auf die bunt bestrahlte Tanzfläche wagt. Da zeigt sich eine irritierende Diskrepanz. Denn im Scheinwerferlicht zu stehen, war früher bestimmt nicht mein Fall. Zu unsicher war ich. Zu zurückhaltend. Und beim Tanzen beobachtet

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