Die Suche hat ein Ende. Mario Walz
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Aus unerfindlichen Gründen und unabhängig von der Sprache passen Musik und der zugehörige Text zu dem augenblicklich vorherrschenden Gefühl. Als 17–Jähriger begeisterte ich mich sehr für die Platte »The Hurting« von Tears for Fears. Ich konnte die Scheibe quasi auswendig mitsingen, wenn man das so nennen kann, da ich des Englischen nur rudimentär mächtig war.
Erst viele Jahre später, als ich das Englische einigermaßen gut beherrschte, erkannte ich die Worte und den Sinn, den diese Musik in sich trug. Und die in den Liedern beschriebenen Gefühle entsprachen exakt dem Gefühlsleben meiner ersten 17 Jahren. Als hätten die Jungs von Tears For Fears vorher ein Interview mit meinem Unbewussten geführt. Und es dann in Englisch übersetzt. Erstaunlich.
Und so ist es auch jeden Morgen: Ein himmlischer DJ legt den Song des Tages in mein Ohr. Heute war es Seeed: »Stop! Heute sehe ich ziemlich gut aus, mach mich schick und setz nen Hut auf ...«. Was ich dann auch mache und beschwingt in den Tag starte.
Ich steige aus dem Auto, hänge meine Jacke an die Garderobe und nehme vorher Brieftasche und Handy heraus. Die kommen in mein Büro und nachdem ich die ausgelatschten Hausschluppen angezogen hab, bewege ich mich gemütlich in die Küche, um Kaffee aus dem Kühlschrank zu holen. Dabei versuche ich, die Katze nicht zu wecken, die sich mal wieder ein besonderes Plätzchen ausgesucht hat und die bei der geringsten Bewegung Gefahr läuft, vom Stuhl herabzufallen. Sie ist ein kleiner Tollpatsch. Und dünn und hat diesen ewigen Schnupfen. Es ist ja nicht nett: Aber ich muss oft lachen, wenn sie sich wieder umständlich einen Platz erarbeitet, sich zurechtlegt und keine Minute später mit dem gesamten Kissenarrangement vom Stuhl, von der Heizung oder vom Fenstersims herabfällt. Oder dieses Timing sich genau dann auf meinem oder Petras Schoss zurechtzukuscheln, wenn wir gleich aufstehen müssen.
Die andere Katze ist da ganz anders. Pauline. Ein Tiger in Katzengestalt. Keine Ratte ist groß genug, um nicht noch von ihr angefallen und ins Haus gebracht zu werden. Manchmal leben die noch und dann herrscht Panik im Haus. Und sie ist superstolz darauf, dass sie uns ernähren kann. Sehr witzig.
Der Espresso wird in eine Chromkanne gefüllt, unten Wasser, darüber der Kaffee, nicht zu vergessen Gummidichtung und Sieb, Zusammenschrauben und auf die Herdplatte. Daneben stelle ich einen Milchtopf, der genau die richtige Hitze hat, wenn der Kaffee laut vor sich hin blubbert. Die Milch von Hand schäumen, den Espresso langsam in die Tasse zu dem Schaum fließen lassen und das Frühstück ist fast fertig.
Ich überlege, ob ich das Radio anschalten mag, um dabei die Zeitung zu lesen, oder einfach in Ruhe dasitze, um den fantastischen Ausblick zu genießen. Vor noch nicht all zu langer Zeit war es mir sehr wichtig, Nachrichten zu hören und Zeitungen zu lesen, um genau über alles Bescheid zu wissen. Aber mittlerweile kann ich ganz gut drauf verzichten.
Fernsehen
Es summt, ein Vibrieren. Zunächst wundere ich mich über das ungewohnte Geräusch, bis mir einfällt, dass ich das Anrufsignal verändert habe. Neuerdings vibriert mein Handy, bevor es mich funky daran erinnert, dass ich angerufen werde. Wenn die Musik erklingt, ist es meist schon zu spät, um dran zu gehen, da ich das Gerät erst mal finden muss. Außer Atem und mit flinken Fingern kann ich den oberen Teil des Telefons hochschieben, und ein keuchendes Hallo reinhecheln. Ein Fernsehjob.
Zunächst freue ich mich natürlich. Hauptsächlich aber wegen des zu erwartenden Honorars. Die Zeit, in der ich viel Freude am Entwerfen von Fernsehbühnen hatte, ist längst vorbei. Die Anforderungen haben sich verändert, und die Kreativität ist auf der Strecke geblieben.
Spannende Entwürfe fallen immer öfter durch das Raster der Massenverträglichkeit und für mich ist somit immer weniger Platz in der Branche. Die daraus erwachsene Unzufriedenheit und natürlich die immer wieder auftauchende Sinnfrage der Fernseharbeit führten zu dem ewigen Hin und Her, ob ich nicht doch besser als Feng–Shui–Berater mein Geld verdienen sollte. Aber bei dieser Tätigkeit fehlt mir das kreative Moment, der Spaß neue Welten, neue Objekte, Möbel oder sonstig was zu erschaffen. Aber das Problem hat sich von allein gelöst. Als ich die Kontrolle über meine beruflichen Absichten und Ziele losließ und mich dem großen Fluss und Treiben hingab, kam alles ganz anders, als ich es je hätte planen können.
Die Situationen, die sich in mein Leben ergossen, führten mich zunächst über die längst abgelegte Kunst der Kostümgestaltung wieder zurück zum Theater, wo ich immer am liebsten gearbeitet hatte. Ich musste aber einige Jahre einen anderen Weg gehen, um mir selbst klar zu werden, dass Karriere und viel Geld zu verdienen nicht das Wichtigste im Leben ist.
Hauptsache der Job macht Spaß!
Meine frühen künstlerischen Arbeiten waren eher aus Schmerz und Leid motiviert. Die Zeichnungen, Skulpturen, Malereien, Kostüme und sonstigen kreativen Auseinandersetzungen waren Ausdruck meiner gequälten Seele, die sich über die Kunst zu befreien versuchte. Was auch gelang, aber mir natürlich nicht viel Geld einbrachte. Aus dem Schmerz und dem Druck, der durch bestimmte Verletzungen – des Selbstwertes zum Beispiel – entstanden ist, kann immense kreative Kraft entstehen. Viele Künstler – ob im Musikbereich oder darstellenden Künsten – haben in der ersten Schaffensphase ihre besten Arbeiten gestaltet, realisiert, umgesetzt. Oftmals eine Bearbeitung eines auf der Seele liegenden Schmerzes. Wenn diese Arbeit beendet ist und der Schmerz aus dem Leben herausgearbeitet wurde, kommt oft ein großes Loch. Manche Künstler versuchen dann den Schmerz künstlich weiterzubeleben, um das daraus erwachsende Leid in ihre Kreativität fließen zu lassen.
Der Schmerz kann also das Benzin für den Motor intensiven künstlerischen Schaffens sein. Manchmal sind die späteren Arbeiten nicht mehr so stark, so intensiv und berührend wie die ersten aus dem Leid geborenen Auseinandersetzungen.
Natürlich gibt es auch Künstler mit anderer Motivation – ich will nicht alle über einen Kamm scheren. Dennoch ist das Prinzip oft beobachtbar. Und bei mir war es genauso. Ich versuchte mit meiner Kunst, die ich parallel zu Design, Kostüm und Bühnenarbeit erarbeitete, meinen tiefen, unaussprechlichen Schmerz auszudrücken. Bis irgendwann plötzlich die Luft aus dem Antrieb gewichen war.
Ich hätte mich dazu durchringen können, intellektuell und kopflastig arbeitend weiterzumachen. Oder noch tiefer zu graben, um weitere Verletzungen in mir zu finden, um meinen Schaffensprozess zu füttern. Aber als ich erkannte, dass es keinen Druck mehr in mir gab, den ich durch Bilder oder Skulpturen hätte verarbeiten können, ging ich in mich und fand diese verschüttete, längst vergessene Seite in mir: die lustige, humorvolle Ebene meines Wesens. Ich entschied mich diesem Pfad zu folgen und öffnete meinem künstlerischen Können neue Türen in andere Welten des Ausdrucks. Humor.
Meine Arbeiten wurden zusehends lustiger und brachten die Menschen zum Schmunzeln. Was ich dann auch bei Dekorationen und Kindersendungen einbringen konnte. Dieser Wandel in meinem Schaffen hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und brachte auch für mein normales Leben Veränderung. Ich verdiente endlich ganz gut und schließlich zog ich daraufhin auch mit Petra zusammen. Und wir gründeten unsere Familie.
Eine absolut neue Welt tat sich auf. Meine Intention lag nicht mehr darin, meinen Leidensdruck darzustellen, sondern meiner Lebensfreude in mir und in meiner Arbeit Raum zu geben. Es folgte eine sehr spaßige und überaus kreative Schaffenszeit. Mein Dasein bekam eine bis dato nicht gekannte Leichtigkeit, mein Fokus war auf Leben gerichtet.
Die spannendste Zeit für mein kreatives Arbeiten waren die fünf Jahre im Kaiserhoftheater zu Köln. Unter der Regie von Walter Bockmayer, der so hervorragend das Beste aus seinen Schauspielern herausholen kann, durfte ich