Albrechts Chroniken IV. Friedrich S. Plechinger
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„Es war ein heißer und trockener Tag, als die Menge laute Beschimpfungen von sich brüllte, manche auch Proteste der Empörung über das gefällte Urteil, und ein mit Blut verschmierter und fast totgeschlagener Mann die enge Straße hochlief und mit Peitschenhieben eines Römers immerzu vorwärtsgetrieben wurde. Ein anderer trug das Kreuz für den Geschlagenen. Ich kannte den Zimmermann namens Yeshua gut. Oft habe ich seinen Reden zugehört, und oft hinterließen seine Lehren in mir tiefe Schuldgefühle, obwohl ich mir keiner Schuld bewusst war, die schwerwiegend genug gewesen wäre, um mich als unwürdig zu bezeichnen. Und doch wurden mir dadurch, dass ich mir meinen Lebensunterhalt als Händler verdiente, insofern die Augen geöffnet, als das von ihm Gesagte so zu verstehen sei, dass Gier und Habsucht einen ebenso von dem Weg entfernen würden, der einen Menschen ausmacht: die Fähigkeit, seine Mitmenschen zu lieben und zu achten. Wie oft hatte ich einem Bettler den Rücken zugekehrt, obwohl ich täglich genug zu essen und zu trinken hatte und ich mir eine gute und warme Unterbringung leisten konnte.
Doch genug davon. Mir fiel auf, daß mir dieser Mensch, der bald auf dem Kreuz seinen letzten Atem aushauchen würde, vollkommen fremd vorkam, obwohl ich doch den Zimmermann Yeshua kannte. Ja, sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit geschlagen worden, doch irgendetwas passte nicht. Im ersten Augenblick sah er wie Yeshua aus, doch mein Bauchgefühl sagte etwas anderes. Er drehte sich ständig um, als ob er jemanden in der Menge suchte. Eine Frau eilte zu ihm mit einem nassen Tuch, um sein Gesicht zu waschen, und trotz der Drohungen des Römers ließ sie sich nicht einschüchtern.
Noch nie war ich mir so unsicher über eine Person. Auch fehlte mir dieses Gefühl, diese Eingebung, die ich jedes Mal spürte, wenn ich in seiner Nähe stand. Hier spürte ich nur ein Bedauern für jemanden, den ich nie zuvor gesehen hatte. Doch vielleicht war es nur diese Aufregung oder diese aufgebrachte Menge, die mir den Verstand raubte? …“
Diese Chronik deckte sich mit vielen der anderen, die wir damals unter den Stallungen des Salomonischen Tempel fanden.
Dann wieder welche, die von gnostischen Sekten geschrieben worden waren, denen anscheinend der Heiland selbst angehörte, wenn man deren Berichten Glauben schenkte. Uns drohte der Kopf bei den Studien zu platzen, doch am Ende kamen wir der Wahrheit immer näher. Vielleicht ist das Wort „Wahrheit“ in diesem Sinne nicht angebracht. „Ergebnis“ wäre die richtige Wortwahl. Kein Wort über den angeblichen Vater namens Josef war je zu finden.
Dann fanden wir einen runden Behälter aus gebranntem Ton. Er war einer von vielen, doch dieser fiel uns auf, weil er schwerer war als die anderen. Als wir ihn öffneten, wussten wir, warum. Die Schrift war in einem zweiten, bleiernen Behälter aufbewahrt. Richard Cornwall war nun der Mann der Stunde, denn nur er konnte die aramäische Sprache und das Hebräische in fast vollkommener Perfektion übersetzen. Manchmal fragte ich mich, wer dieser Richard Cornwall tatsächlich war, und hoffte insgeheim, dass er nicht einer der Verräter war, der dem Vatikan unterstand. Doch das war er nicht. Mit Begeisterung führte er seine Arbeiten aus und präsentierte sie uns dann mit Stolz.
Die Schrift dieser Rolle war laut Cornwalls Vermutung etwa neunzig Jahre nach der Kreuzigung geschrieben worden. Dies erkannte er an der Schreibart. Besonders fiel ihm auf, dass sie in beiden Sprachen geschrieben war, sowohl in Hebräisch als auch in Aramäisch.
Die Übersetzung lautete ungefähr so:
„Das Volk Israel wurde auserwählt, um den wahren Meister zu begleiten und ihm zu folgen und um dadurch die Welt zu erlösen. So können wir es verstehen, warum so viele der Auserwählten unter dem Volke Israels geboren wurden, die zu Propheten und zu Heiligen aufstiegen. Solomons Ruhm, Sohn des David, König Zions. Sein Ruhm leuchtete über die nie eroberten Mauern Zions, und aus diesem Grunde leuchtete ebenso das Antlitz Jehovas über diese nie eroberten Mauern Jerusalems. Ebenso erfüllten Isaiah, Samuel, Jeremiah, Ezekiel und andere die Straßen Jerusalems mit hellstem Licht allein durch ihr Erscheinen. Sie waren die Auserwählten, um den Herren zu begleiten.
Doch zum tiefsten Bedauern in der höchsten Stunde der letzten Prüfung befreite ihr Sanhedrin, der Kaifas hieß, Barabbas und sie sendeten ihren Messias, ihren versprochenen Befreier, zur Kreuzigung. Und so, da das Volk nun entschied zwischen dem wahren Messias und Jahve, wurde Verrat an ihm begangen und der wahre Prophet ans Kreuz geschlagen und Jahve wurde hochgelobt und gepriesen. Er, der den schwarzen Thron des Übels bestiegen haben und selbst ein gefallener Engel gewesen sein soll.
So ist es abgelaufen, und so wurde Verrat an dem wahren Messias durch die Auserwählten Judas selbst begangen. So versagten sie in ihrer Pflicht als das Volk Israels, und so wurde die Weisheit des Messias für immer durch die Auserwählten, die sein Wort verbreiten sollten, in die unendliche Tiefe versenkt. Ja, sie selbst entschieden sich für die Tiefe und nicht für die Erhebung. Heute noch folgen diese Verirrten dem Jahve, der der Teufel selbst ist, da sie Verrat an ihm, den sie Jeshua nannten, begingen und seine Weisheiten abschlugen, um ihn am Ende ans Kreuz zu schlagen. Wäre er nicht gekreuzigt worden, so wäre diese Welt eine andere gewesen. Erleuchtet wären die Rabbis dieser Welt und seine esoterischen und befreienden Weisheiten hätten die Welt erlöst. Da‘at wäre über die ganze Welt verbreitet und der Menschheit blieben die dunkelsten Zeiten, die noch kommen werden, erspart.
Die Auserwählten Judas hatten versagt und die Menschheit fiel und fällt weiterhin in die tiefste aller Tiefen. Denn er wurde von den Seinen verraten!“
Meister Samuel Jeuhn aus seinem Buch.
Cortez und mir blieben die Worte im Halse stecken, denn das widersprach, wie so oft, den Chroniken der anderen. In diesem Text fand man Ähnlichkeiten zur Darstellung der heutigen Bibel. Und doch, wem sollte man nun mehr Glauben schenken?
Ein Mann wurde gekreuzigt. Angeblich Jesus. Mehrmals wird das Wort Messias verwendet, sodass Jesus fast nicht mehr vorkam. Dann die Berichte aus Jerusalem, die wir damals fanden. Stattdessen wurde sein Bruder Johannes beschrieben, der für ihn ans Kreuz genagelt wurde. Doch dann wiederum die Flucht mit Maria Magdalena, wovon man nicht genau wusste, ob Jesus ihr Begleiter war oder sein Zwillingsbruder Johannes. Dann dieser Yeremias aus Naxos, der ebenso in seinen Chroniken davon berichtet, dass es sich nicht um Jesus handeln konnte, da er den Mann kannte, raubte uns den letzten Rest unseres Verstandes.
Mehr und mehr Zweifel entstanden über die wahren Hintergründe des Messias, die in früheren Varianten der Chronisten entstanden waren. Rein politische Zwecke hätte er, Jesus, verfolgt. Und nun doch eine Bibel-ähnliche Chronik oder Prophezeiung, wenn man der letzten Rolle dieses Samuel Jeuhn Glauben schenkte. Namen wie Kaifas, Barabbas, der im Hebräischen wahrscheinlich Jahve hieß, und die der Auserwählten stimmten mit denen der Bibel überein. Es half alles nichts. Man musste weiter forschen.
„Sollten wir jemals nach La Rochelle zurückkehren, Admiral, so müssen wir Gilles und Jacques aus ihren Kerkern befreien, damit mehr Licht in diese Angelegenheit kommt!“, beschwor Cortez mehrmals. Jedoch hatte ich kein Vertrauen mehr zu diesen Männern des Katharer-Bundes. Wer war am Ende das größere Übel? Der Vatikan, die Katharer oder wir, die sich „Arme Miliz des Jesus Christus des Salomonischen Tempels Jerusalems“ nannten? Hier in Island hatten wir genug Zeit verschwendet, um weitere Zweifel entstehen zu lassen. Doch aufgeben wollte ich nicht. Was ich tat, machte ich schon lange nicht mehr für den Orden, seitdem mich Cortez über alle und jeden aufgeklärt hatte. Doch wie viel war davon wahr und wie viel erlogen?
Tage und Nächte verbrachten wir in einer dunklen Ecke, um in diesen zusätzlichen Schriften, die wir den Katharern entwendet hatten, einen Sinn zu finden. Doch die Tage vergingen schnell und ich durfte meine Kräfte nicht mehr für die Studien verschwenden. Die Weiterreise stand bevor, und ich war froh um jeden Tag, der verging, denn diese ewige Dunkelheit