Albrechts Chroniken IV. Friedrich S. Plechinger

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Albrechts Chroniken IV - Friedrich S. Plechinger

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ich sie sah. Wie Cortez sie sah. Vielleicht taten sie es auch und behielten es geschickt für sich. Cortez hatte recht. Die Reliquien, die sich nun in Paris befanden, mussten zurück zu den Katharern. (Siehe Albrechts Chroniken III)

      „Auf dein Bauchgefühl musst du immer hören, mon petit!“, hörte ich Gondamer aus der Ferne rufen. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass Cortez recht hatte. Der Orden wurde verführt. Verführt von der ihm durch den Papst zugestandenen Macht. Von dem Gold und den Renditen der Schlachten im Heiligen Land. Von Königen und Fürsten, die gut für die Dienste des Ordens bezahlten. Das war kein Orden der armen Soldaten Christi mehr. Das war eine durch und durch strukturierte und fachmännisch konstruierte Organisation.

      All die Sprüche, der Vatikan sei im Grunde genommen der Feind, waren eine Finte, um von den wahren Machenschaften abzulenken. Hugues de Payns und der Papst waren Verbündete. Doch welche Rolle spielte dann Bernard de Clairvaux in diesem Spiel?

      Immer klarer erschienen mir die Fakten hier unter Gottes Dach, das so herrlich leuchtete in dieser Nacht. Er sprach zu mir. Er öffnete mir die Augen. Meine Gedanken waren seine Worte. Er warnte mich hier und heute und sagte: „Sei vorsichtig, wem Du vertraust, denn Zucker und Salz sehen gleich aus.“

      Eine Schale wurde mir gereicht und ich trank daraus. Meine Erschöpfung und meine Erkältung brachten mich schließlich zu Fall und ich konnte mich an nichts mehr erinnern, als ich am nächsten Morgen in meinem Zelt aufwachte. Ascanio di Sassari und Ralf de Saddeleye schnarchten laut und meine Knochen schmerzten. Länger wollte ich schlafen, doch Renaldo, der Medicus, betrat ohne Vorwarnung das Zelt und seine Augen verrieten nichts Gutes. Ich stand von der Pritsche auf und sah ihm in die Augen.

      „Sprich Bruder! Sprich in Gottes Namen!“

      Renaldo kämpfte mit den Worten, doch mit trauriger Stimme bestätigte er, was ich befürchtet hatte: Wir hatten den ersten Mann auf dieser Reise verloren. Die Lungenentzündung war zu viel für ihn. Er war in der vorigen Nacht gestorben. Chaplain Rutherford sei bei ihm gewesen, um ihm die letzte Ölung zu verabreichen. Ich zog sofort meine Tunika an und band mir das Schwert um die Hüfte. Dabei wurden die anderen wach und richteten sich ebenfalls auf. Ich erklärte ihnen, was vorgefallen war.

      Zur Mittagstunde dieses 7. Mai 1137 bestatteten wir unseren treuen und tapferen Bruder Roger Cambrais unter allen verfügbaren Ehren und begruben ihn in dieser Erde weit von seiner Heimat. Rutherford hielt die Andacht und wir verabschiedeten uns von ihm. Ein schnell gebautes Kreuz und sein Schwert waren das Einzige, das an ihn erinnerte. Dann plötzlich sang aus der Ferne der Medizinmann. Rauch eines Feuers stieg auf. Es war seine Art, unserem Bruder für seine endgültige Reise alles Gute zu wünschen, denn er würde zu seinen Ahnen aufsteigen und für immer Frieden finden.

       WARUM SIND WIR HIER?

      Die Tage vergingen und wir erholten uns schnell. Die Kranken waren wieder gesund, und auch der zweite Mann, der an einer Lungenentzündung gelitten hatte, erholte sich langsam, aber stetig. Die Magdalena wurde unter Ascanios strenger Obhut mit Fett behandelt, das von Robben und Wal gewonnen wurde, um gegen Holzwürmer vorzubeugen. Doch bei diesem noch kühlen Klima hatte ich meine Zweifel, ob die Behandlung nötig war. Einen Zweck erfüllte jedoch diese Maßnahme: Sie beschäftigte die Männer und sie wurden von Sehnsüchten und Langeweile abgelenkt.

      In der Bucht herrschte reges Treiben und mehr und mehr Kanuten ruderten zum Strand, um Robbenfelle, Wahlrosselfenbein und Walfleisch zum Tausch gegen Wurzeln, Mais und Knollen anzubieten. Speere und Harpunen befanden sich ebenso unter der Handelsware. Man beachtete uns kaum, als hätten wir schon immer hier gelebt. Meine Vermutung gab mir recht, denn die Nordmänner trieben hier in der Tat selbst regen Handel. Die Einheimischen kannten somit blonde und bärtige Männer aus vergangener Zeit. So erzählte es mir Ralf de Saddeleye, nachdem er mit Rauk von der Jagd zurückgekehrt war.

      Zwei erlegte Hirsche, die von jungen Inuvik getragen wurden, gab man dem Stammesältesten als Geschenk für die uns gewährte Gastfreundschaft. Er bedankte sich bei uns und lud mich und Saddeleye zu sich in das ihm von uns geschenkte Zelt. Mit reichlich Fellen hatte sich Anukai sein neues Quartier bequem und warm eingerichtet. Kurze Zeit später setzte sich auch Rauk in unsere Mitte, was uns willkommen war wegen seiner Sprachkenntnisse. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis Anukai das Wort ergriff und zu sprechen begann. Lange hörten wir ihm zu, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen, worüber er redete. Seiner Gestik nach wollte er uns ein Angebot machen. Doch ich täuschte mich sehr, als Rauk seine Worte für de Saddeleye übersetzte und dieser sie dann in unsere Sprache übertrug. Überrascht schaute ich Anukai an und musste anfangen zu lachen. Auch er begann zu lachen, denn er erkannte, dass er einen Nerv getroffen hatte. Ehrlich gesagt hatte ich nicht die richtige Antwort auf seine Frage. Zumindest nicht sofort.

      „Warum seid ihr hier?“, war die Frage kurz und bündig.

      Stille trat ein und wir zwei Oberhäupter schauten uns lange und ernst an.

      „Neugier!“, schoss es plötzlich aus mir heraus.

      Anukai bekam einen Lachanfall, er wurde immer lauter, und bald hielt er sich vor Schmerz den Bauch. Seine Augen tränten und ungläubig schüttelte er den Kopf. Mir aber war nicht zum Lachen zumute, denn insgeheim hatte ich mich des Öfteren selbst gefragt, warum ich mich und meine Männer in solche Gefahren brachte. War es wegen des Goldes? Das war eine Variante von vielen. Gold hatte ich genug zurückgeschleppt, und ja, wenn es nach der Gier der Mächtigen ginge, so müssten Tausende von Koggen und Barken diese Meere befahren.

      Doch was war es wirklich? Sehnsucht nach Abenteuer, etwas Neuem? Wir hatten bereits diese Gewässer befahren, jedoch weiter südlich. Es war der Wissensdrang, der mich trieb. Lernen wollte ich und entdecken, was andere zuvor niemals gesehen hatten. Das Materielle war nur Mittel zum Zweck. Eine Sucht war schon lange zuvor entstanden, als ich noch mit Farid zur See fuhr und wir beide über den weiten Horizont starrten und uns immer wieder fragten, was wohl auf der anderen Seite dieser Welt sei.

      Anukai richtete sein Wort an Rauk und ich sah, dass sich das Gespräch in der Form veränderte. Beide sahen mich ernst an, aber ich konnte mir kein Bild von dem machen, was sie dachten.

      Dann holte Anukai ein Ledersäckchen aus seinem Ärmel und warf es mir grob zu. Ich fing es auf, und mit seiner rechten Hand gestikulierte Anukai, ich solle den Inhalt in die Hand nehmen, und so tat ich es. Als ich meine Faust öffnete, erschrak ich mich. Solch einen Goldklumpen in dieser Größe hatte ich nicht einmal bei unserer letzten Fahrt gesehen. Anukai beobachtete mich genau, und seine Augen bohrten sich in meine Seele, als ob er alles von mir wissen wollte, um auf diesem Wege zu erfahren, ob dies der wahre Grund sei für unser Erscheinen. Gewiss, ich war beeindruckt, doch ich konnte meine Begeisterung im Zaume halten, steckte den Klumpen wieder in das Ledersäckchen hinein und warf es ihm zu. Trotz seines hohen Alters fing er es geschickt auf, seine Augen nie von mir ablassend.

      „Wir wollen Handel treiben. Felle, Elfenbein, Mais und auch Hölzer!“, sagte ich drauf. „Und sollten wir uns einigen und auch eine kleine Basis nicht weit von hier errichten, sodass alle zwei Monate zwei unserer Schiffe dort mit Waren zum Tausch anlegen können.“

      Ralf übersetzte für Rauk, was ich sagte. Doch bevor Rauk meine Worte an Anukai wiedergab, brüllte er zornig in seiner Sprache zurück. Die Stimmung im Raum schlug binnen eines Augenblicks von friedlich auf aggressiv um. De Saddeleye übersetzte mir Rauks Worte und ich verstand, dass ich nun ein Territorium betrat, das von den Isländern seit zig Jahren beherrscht und eisern im Blick behalten wurde.

      „Er sagt … und verzeiht, Admiral … ich übersetzte es nur ... was wir uns anmaßen würden, uns hier in diesen Gebieten niederlassen zu wollen, um eine Basis zu errichten und uns in den regen Handel so einzumischen, dass sie,

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