Albrechts Chroniken IV. Friedrich S. Plechinger
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Albrechts Chroniken IV - Friedrich S. Plechinger страница 6
Langsam und beständig ruderten meine Templer dem flachen Strand entgegen, der aus einem dicken Kieselteppich bestand. Die Steine leuchteten in allen Farben, und das Wasser gab ihnen einen wunderschönen Glanz. Wir sprangen aus den Booten und hielten die Schilde bereit für den Fall, dass wir mit einem Pfeilregen begrüßt würden. Doch nichts geschah. Die Feuerstellen loderten noch, also mussten sich die Menschen irgendwo versteckt halten. Aber warum, wenn sie in der Vergangenheit Segler der Nordmänner gesichtet hatten und sie als Händler kannten?
„Anukai!“, schrie Rauk plötzlich. „Anukai, kuet tiak wue?“, was so viel hieß wie „Anukai, wo steckt ihr?“
Sven, Enar und Thiere taten das Gleiche. Es ging eine Weile so, dann erschienen die ersten Einwohner aus dem benachbarten Wald. Langsam und vorsichtig näherten sie sich uns, und Anukai begrüßte Rauk und die Seinen, als er sie erkannte. Auf die Frage, warum sie sich versteckten, sagte das Oberhaupt dieses Stammes, sie hätten noch nie einen so großen Segler gesichtet und ihr Medizinmann hätte die Vision eines großen Seglers vor wenigen Tagen prophezeit.
Man solle sich in Acht nehmen vor Fremden. Rauk versicherte Anukai, dass unsere Absichten friedlich seien, und endlich durften wir uns gegenseitig begrüßen und nach Stammessitte umarmen. Damit mir die Kranken nicht wegstarben wie die Fliegen, wollte ich jedoch sofort einen trockenen und warmen Lagerplatz errichten. Das erlaubte Anukai, und aus Fellen und aus Zelten, die wir in La Rochelle aufgeladen hatten, errichteten wir unser Lager. Die Kranken wurden sofort versorgt und Renaldo di Varenna, der einst dem Orden der Hospitaler auf Rhodos angehört hatte und sich später entschlossen hatte, dem Orden der Templer beizutreten, verschwendete keine Zeit.
Zwei der Männer hatten Lungenentzündung und vier Mann starkes Fieber. Renaldo beteuerte mir mehrmals, dass eine Weiterreise im Moment das Todesurteil für die Männer bedeuten würde. Ich beruhigte ihn und versicherte, dass wir erst wieder in See stechen würden, wenn alle Mann gestärkt und erholt seien. Und das betraf mich ebenso. Anukai indessen war unbeeindruckt von unseren Unpässlichkeiten und zeigte mir die Gegend. Rauk übersetzte das Inuvikische.
Als ich mich überzeugt hatte, dass die Stelle sicher und die Inuvik friedlich gesinnt waren, ließ ich Ascanio und Ralf an Land kommen. Auch Eduardo Cortez durfte sich dieses Privilegs erfreuen, denn schließlich mussten wir bis auf Weiteres zusammenarbeiten. Man reichte mir als Geschenk einen bestickten Mantel aus dickem Büffelfell, und ich schenkte Anukai eines unserer Zelte, das mit dem roten Templerkreuz bestickt war. Ihm gefiel das Kreuz, doch er fragte nicht weiter nach dessen Bedeutung, wofür ich dankbar war, denn es strengte mich an, mich allein durch Gestik verständigen zu müssen.
Endlich schloss sich Ralf unserer Gruppe an, und so konnte Rauk Olafson das Inuvikische erst für Ralf und schließlich für mich übersetzen. So ging es eine halbe Ewigkeit, und wir beschenkten uns mit Fellen und Werkzeugen sowie mit Mais, Wurzeln und Knollen.
Ein Lagerfeuer wurde entzündet und Anukai sowie seine Treuesten und Ältesten saßen darum herum. Auch wir konnten uns schließlich der Gastfreundschaft nicht entziehen und setzten uns ebenfalls um dieses wärmende Feuer. Überhaupt bemerkte ich, dass sich hier der Frühling breitgemacht und der Winter sich endgültig verzogen hatte. So kam mir der Gedanke, hier für die Zukunft eine Basis zu errichten, denn die Bucht war sicher, das Klima angenehm und die Menschen waren freundlich.
Gestört wurden meine Gedanken nur durch das Lachen und Kreischen der Kinder, die um unseren Chaplain Rutherford herumsprangen. Er beschenkte sie mit Kruzifixen und mitgebrachten Rosenkränzen, die sich die Kinder um den Hals legten und das schön fanden. Anukai und der Medizinmann betrachteten die Angelegenheit mit fragendem Gesichtsausdruck, doch sie sagten nichts weiter, denn schließlich hatten die Kinder ja ihren Spaß. Die Stunden vergingen und meine Augen wurden schwer. Krieger des Stammes führten einen Tanz um das Feuer auf und jaulten und stimmten einen Gesang an, der am Anfang die Nerven plagte.
Nach längerem Hinschauen aber begriff man, dass es ein ritueller Tanz war, der die Geister der Ahnen rief, um den Stamm mit Regen, Sonne, Fruchtbarkeit und Frieden zu segnen. Schon erstaunlich, wie bescheiden die Wünsche dieser Menschen sind, stellte ich ernüchtert fest. Die geringsten Lebensvoraussetzungen reichten ihnen, um Freude zu spüren und glücklich zu sein. Kein Gold, kein Silber, keine Macht und auch keine Religion benötigten sie, denn die Natur und ihre Ahnen waren ihr Reichtum. Nach dieser Erkenntnis, die ich schon einmal gespürt hatte, damals auf der Insel des Federico Pinzon, befahl ich Chaplain, sich neben mich zu setzen.
„Admiral?“
„Mein lieber Bruder Rutherford. Setze er sich neben mich und genieße er diesen aussagekräftigen Tanz. Lasst die Kinder Kinder sein und gönnt Euch etwas Ruhe, mein Bester!“
„Aber so kann ich sie doch bekehren …!“
„Passt nur auf, dass nicht sie uns bekehren, Bruder. Sie haben ihren Gott. Erspart ihnen …!“ Ich biss mir plötzlich auf die Zunge, denn ketzerisch klangen diese Worte aus meinem Munde und ich sah, wie mich Rutherford entsetzt anstarrte. Gottlos und ungläubig muss ich ihm erschienen sein, und auch ich erschrak zunächst. Wie kam ich dazu, als hoher Beamter dieses christlichen Ordens so etwas von mir zu geben. Und doch hatten die Studien der Dokumente und Schriften, das Erlebte der letzten Jahre, die Verluste von Männern und Freunden, die schmerzliche Erkenntnis von Verrat und Betrug mir jegliche Beziehung zu unserer Glaubensrichtung geraubt. Man konnte doch nicht so blind sein, um hier nicht zu erkennen, was und wer Gott in Wirklichkeit war.
Diese Inuvik erlebten es jeden Tag und jede Nacht. Sie hatten schon immer verstanden, wer Gott ist und wer seine Engel waren. Die Natur, dieser unsagbar schöne Sternenhimmel, dieses Meer vor uns, dieser Friede war für sie Gott. Der wahre Gott. Und die Ahnen waren die Engel, zu denen sie durch ihre Riten und Gebeten sprachen und auf die sie aus irgendeinem Grunde auch immer eine Antwort erhielten, solange sie in Harmonie lebten mit allem, was sie umgab.
Wieder und wieder erschienen mir Federico Pinzons Worte im Geiste, und immer wieder wurde mir klar, wie unrecht ich doch hatte und wie blind und rückständig wir doch alle waren, wir Christen, die wir hier saßen, wir Templer in den Diensten unseres Messias, und, richtig betrachtet, auch in den Diensten unseres Feindes, des Vatikans. Der nach außen hin unser Freund war. Der Kreis der „Wenigen“ im Orden wurde immer kleiner nach dem, was mir Cortez über Hugues de Payns erzählt hatte.
Ach ja, Cortez. Wo war er nur? Dann fand ich ihn. Eng und unbequem neben den anderen sitzend und mich betrachtend, als ob er meine Gedanken lesen könne. Ein Lächeln zeugte von einer gewissen Gehässigkeit und ließ mich weiter grübeln. Ihn erschreckte nicht, was ich zu Chaplain sagte, denn er sah, dass ich erwachte. Ich erwachte aus all den Lügen und Niederträchtigkeiten eines Menschen, der nicht verstanden hatte, worum es eigentlich ging und der sich hatte verführen lassen von Plunder, Gier und Macht, woran er am Ende selbst zugrunde gehen würde. Diese Seereisen waren nötig.
Nicht die Suche nach Gold oder nach Silber war es, die mich anspornte weiter zu segeln, nein, es war die Suche nach dem wahren Gott. Ich fand ihn hier. Ich fand ihn damals auf Pinzons Insel. In Ashkelon und auf den Gipfeln der Golanhöhen. Er ist überall, nur nicht in Jerusalem. Dort fand ich ihn nicht. Dort spürte ich ihn nicht.
Wie oft wurde diese Stadt zerstört und wieder aufgebaut, nur um wieder und wieder zerstört zu werden? Gott will Jerusalem nicht, egal, wie viel Blut noch vergossen wird für Christus, Allah, Yahve oder wen auch immer. So schnell kann man alles begreifen, wenn man nur die Augen offenhält. Doch nun war ich hier. Bei den Inuvik.
Ich ließ diesen Tanz und die Wärme dieses Feuers auf mich wirken. Die Dankbarkeit dafür, dass wir der Eiseskälte entflohen waren, gab ihr Übriges dazu, mich wieder Freude spüren zu lassen. Meine Männer erschienen mir wie Engel in diesem Augenblick, denn auch sie waren dankbar, den Wahnsinn