Albrechts Chroniken IV. Friedrich S. Plechinger
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In einem hatte sich Cortez geirrt: Das Wetter schlug nicht um in diesem April 1137, und die Flüsse sowie die Seen waren wieder vollkommen befahrbar.
„Hol mir Ascanio!“, befahl ich Ralf de Saddeleye, und kurze Zeit später stand meine rechte Hand neben mir.
„Lass die Magdalena aufs Wasser und bereite alles vor. Ich will in zwei Tagen in See stechen. Die Männer sollen alles zusammenpacken und aufladen. Ich bin mit der aufgestellten Liste sehr zufrieden und will endlich nur weg hier und dem Frühling entgegensegeln.“
EIN NEUES ZIEL VORAUS
16. APRIL 1137
Mit großem Eifer und großer Begeisterung gingen die Männer ans Werk. Olaf genehmigte weitere fünf Nordmänner für die Reise, und so war ich glücklich darüber, wieder eine gut gestärkte und erfahrene Mannschaft einsatzbereit zu haben. Es war der Morgen des 16. April 1137, als wir Abschied nahmen von diesen wundervollen Menschen und dieser ungewöhnlichen Landschaft, die langsam ihr eigentliches Kleid zeigte, als Schnee und Eis mehr und mehr verschwanden. Im Sommer muss es hier wunderschön sein, dachte ich so nebenbei, während Olaf mir zum Abschied die Hand reichte und die Magdalena verließ, um auf eines der kleinen Boote umzusteigen.
„Anker lichten, setzt die Rah, Ruder hart Steuerbord …!“, rief Ascanio die Kommandos mit unverkennbar starkem italienischem Akzent laut heraus.
Die Magdalena krächzte laut, als das Ruder sich nach Steuerbord bewegte, als ob die alte Dame protestierend vom Winterschlaf aufwachte. Schwerfällig schob sie sich gegen die hier herrschenden Strömungen, und ich muss hier und heute ungern zugeben, während der langen Pause war ich eingerostet, was die Handhabung mancher Manöver betraf. Die Menschen an beiden Seiten des Ufers winkten uns heftig zu und manche Träne floss aus den Augen der daheim gelassenen Frauen, die nicht wussten, ob die Nordmänner an Bord jemals wieder zurückkehren würden. Doch dafür würde ich schon sorgen. Ich musste und wollte diese Reise erfolgreich hinter mich bringen, egal, wie lange es dauern würde.
17. APRIL 1137
Auf dem Deck der Magdalena verlief alles ruhig. Die Männer waren gut gelaunt und manches Lied wurde gar gesungen. Das Nordlicht, wie es Rauk nannte, verzauberte die Nacht in ihrer wolkenlosen Pracht, als ob der Allmächtige selbst uns die Tore für die Weiterfahrt öffnete. Die Kälte war nichtsdestotrotz allgegenwärtig, und wir wärmten uns mit dem heißen Kräutergebräu, das wir schon seit Ewigkeiten aus dem Heiligen Land bei uns hatten: Shahi. Getrocknet und zerrieben war dieses Kraut leicht aufzubrühen, und sein Geschmack ließ unsere Geister frohlocken. Hier und dort flog eine Sternschnuppe. Dies brachte mich wieder zurück zu der Zeit in Viermünden, als ich noch als Kind Vaters Rinder hütete. Zig von diesen Himmelspfeilen fielen damals vom Himmel, und Vater ermahnte mich, vorsichtig zu sein mit dem, was ich mir wünschte. Doch ich war damals zu klein, um mir irgendeinen Wunsch ausdenken zu können. Hätte ich damals gewusst, was mir in der Zukunft bevorstand, so hätte ich mir ein glückliches Leben mit meiner Nadine und meinem Sohn am Hofe meines Vaters gewünscht. Doch so ist das Leben. Nichts spielt sich in der Zukunft und nichts in der Vergangenheit ab.
Man kann sich wünschen, was man will. Dein Schicksal entscheidet sich innerhalb von Sekunden in deiner gegenwärtigen Situation, und es war gut so.
Die Nordmänner holten Dorsche und Lachse aus dem großen Fluss, der sich langsam, aber stetig in salziges Meer verwandelte. Allein der gefangene Dorsch war ein Zeichen dafür, dass das Wasser immer salziger wurde. Plötzlich zog sich ein Nebelvorhang über uns zu und ich machte mir Sorgen, dass wir uns in dieser Meeresenge verirren könnten. Rauk jedoch versicherte mir, dass wir uns schon bald auf dem offenen Meer befänden und sich der Nebel schnell lichten werde.
Es dauerte nicht lange, bis Rauk recht behielt, denn der Nebel verschwand und der Mond beleuchtete uns den Weg durch eine schaumige und wellige See.
„Bringt mir das Astrolabium ... SCHNELL“, rief ich Gernot entgegen. Wer konnte wissen, wie lange der Himmel wolkenlos blieb. Voraus war schon der Horizont sichtbar, denn es wurde langsam hell. Als ich das Instrument in meinen Händen hielt und ich mich mühte, so genau wie möglich zu messen, kam auch schon Ascanio mit Mappe, Feder, Tinte und Logbuch. Hastig notierte er darin die Angaben, die ich ihm zurief. Ein kurzer Blick auf die Mappe, und schon hatten wir den ungefähren Standpunkt unserer Magdalena ermittelt.
Wir waren tatsächlich auf dem richtigen Kurs und steuerten gen Westen. In Vynland würden wir dann Frischwasser und nötigenfalls unseren Fischvorrat ergänzen. Die Gefahr blieb jedoch bestehen, dass wir Eriks Mörderbande (siehe Albrechts Chroniken III) auf See oder auf Vynland begegnen würden. Dies wollte ich unter allen Umständen vermeiden. Wir jagten sie nicht. Zu diesem Zeitpunkt zumindest nicht.
Ja, ich erinnerte mich an meinen Schwur damals in Schottland, dass ich die toten Mönche rächen würde. Doch alles zu seiner Zeit. Jetzt hieß es, diese Mission erfolgreich zu beenden und viel Beute und Erfahrung zurück nach La Rochelle zu bringen trotz aller Warnungen von Eduardo Cortez. Vorsicht war geboten, denn ihm konnte ich nicht trauen. So segelten wir gedankenverloren in die nächste Ungewissheit, doch diesmal besser vorbereitet als zuvor.
Der Morgen des 20. April brach an und es wurde hell. Die Wolken ließen nicht lang auf sich warten, und in der Mittagsstunde war der Himmel vollständig grau und bedeckt. Die Wellen wurden rauer und der Wind nahm kräftig zu, sodass die Magdalena endlich zeigen konnte, aus welchem Holz sie geschnitzt war. Die Besatzung hatte alle Hände voll zu tun, und rasch bewegten wir uns vorwärts. Gott, wie sehr hatte ich dieses Leben auf See vermisst!
Kaum konnte ich innerlich meine Freude zurückhalten, und ein Lächeln der Freiheit durchzog mein inzwischen faltiges und alt gewordenes Gesicht. Die Männer sahen das und freuten sich mit. Doch schon kam Olaf und weckte mich aus meinen Träumen, als er mit seinem Finger nach vorne zeigte und wir zum ersten Mal Eisberge sichteten. Er bedeutete uns, die Fahrt zu verlangsamen, denn schnell und ohne Vorwarnung könnten wir kleinere Eisberge übersehen ... Und sollten wir einen davon rammen, wäre die Fahrt zu Ende. Ich reagierte prompt und ließ die Segel reffen. Die Magdalena verlangsamte die Fahrt, am Bug wurden Posten aufgestellt, um mich rechtzeitig warnen zu können.
Ein Blick auf die Karte und Ascanio di Sassaris Ratschlag waren der Grund, daraufhin einen südlicheren Kurs einzunehmen, ohne dabei Vynland aus den Augen zu verlieren. Zwei Tage fuhren wir in südlicher Richtung, um die Eisberge zu umsegeln. Doch dann richtete ich den Bug unseres Kahns wieder nach Norden. Die Kälte nahm wieder zu, und Eis so dick wie Stahl beschlug alles, was sich beschlagen ließ. Eiszapfen so groß wie Elfenbein bildeten sich an der Takelage und an den Masten, und auch der heiße Kräutertrunk half nicht, uns warm zu halten. So ging es weitere fünf Tage lang, bis endlich einer der Männer lauthals „Land in Sicht!“ schrie. Olaf nickte freudig und sagte nur: „Vynland, Vynland!“
Es war der 29. April 1137, als endlich der Anker der Magdalena vor der Küste dieses Landes fiel. Es wurde wärmer, und nur noch vereinzelt sahen wir hier