Das Eisenbett. Ana Contrera
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Pedro lernte schnell, dass er nach jeder Frage nur zwei Sekunden hatte. Wenn er bis dahin nicht redete, drehten sie an der Kurbel des Generators. Wenn er leeres Zeug redete, um Zeit zu gewinnen, auch.
Das Verhör wurde durch dieses Verfahren beschleunigt, und der Kommissar kam mit seinen Fragen schnell voran.
»Wann hast du Victor das letzte Mal gesehen?«
Pedro spürte seine Fußzehen bald nicht mehr. Wenn die Klammern am Geschlecht Strom führten, brannte es wie glühende Kohlen. Seine Oberschenkel zuckten unkontrollierbar. Im Mund spürte er einen metallischen Geschmack.
Bröckchen für Bröckchen gestand er, was er über Victor T. wusste.
Zum Glück hatte die Führung der Widerstandsgruppen darauf Wert gelegt, dass die Teilnehmer von Aktionen immer nur das Allernotwendigste erfuhren. Es war eiserne Regel, dass die Teilnehmer nicht wussten, wie die Kontaktkette jenseits der nächsten Person weiterging. Über Victor T. hinaus konnte Pedro nichts sagen, auch als die Behandlung härter wurde.
Nach zwanzig Minuten Befragung und der Beihilfe von Magneto sah sich der Kommissar bezüglich des Falles hinreichend im Bilde. Die Carabinera entfernte die Klemmen und zog dem Verdächtigen die Augenbinde vom Gesicht.
»Alles gut. Du hast es überstanden!« sagte sie tröstend. Pedro glaubte, ein spitzbübisches Lächeln in ihrem Gesicht zu erkennen.
Der Kommissar öffnete die Handschellen und bedeutete Pedro mit einer Handbewegung aufstehen. Der Wachsoldat warf er ihm seine Kleidung hin. Zitternd zog Pedro sich wieder an. Man brachte ihn nach oben in einen Warteraum.
Wieder musste er warten. Pedro erholte sich langsam. Er fragte sich, warum die Carabineros nicht weiter nach den beiden Mitstudentinnen gefragt hatten. Hatten sie sich einfach auf diesen Victor eingeschossen? Musste er nachher noch mal in den Verhörraum? Welche Folgen würde es für Victor haben, dass Pedro »gesungen« hatte. War das bereits Verrat an einem Compañero? Eigentlich, so befand er, hatte der Kommissar doch gar nicht viel Neues von ihm erfahren. Schließlich waren er und seine Leute über Viktor schon vorher umfangreich informiert gewesen.
Der stämmige Carabinero von heute mittag betrat den Raum.
»Noch mal Glück gehabt! Der Kommissar lässt dich laufen.« Er lächelte. Pedro fragte sich, ob das mit dem Glück ironisch gemeint war. Der Carabinero legte seine Hand auf Pedros Schulter.
»Nimm’s nicht persönlich, Junge. Es sind halt rauhe Zeiten. Das ist alles eine große Maschine. Und wir sind die Rädchen, die sich drehen müssen. Mach’ kein Drama draus. Ist doch alles noch glimpflich abgelaufen, oder?«
Pedro sah ihn etwas ratlos an.
Der Mann richtete sich auf und ging zur Tür.
»Ich bringe dich zum Ausgang.«
Pedro atmete auf. Draußen auf dem Flur gestikulierte der Carabinero, als wolle er das alles noch einmal rechtfertigen:
»Der Kommissar muss halt die Wahrheit herausfinden. Nimm es wie ein Mann. Geh’ nach Hause und red’ nicht mehr drüber – und sei in Zukunft vorsichtig! Du bist jetzt registriert.«
Claudia und Inés 17. Februar 1974
1 Instituto Pedagógico
Claudia Lidia Morales war Studentin im vierten Semester an der Universidad Catholica de Chile. In der Avenida Mackenna teilte sie sich ein Wohnheimzimmer mit Inés Flores Cardenas, einer Studentin aus der Fakultät für Soziologie.
Wie viele junge Menschen ihrer Zeit waren beide politisch aktiv und suchten nach einer gerechteren Zukunft für ihr Land. Schon in den Jahren von Allende hatten sie sich in den Hochschulgremien engagiert. Nach dem Militärputsch wurde die Arbeit solcher Organisationen verboten. Viele politische und religiöse Organisationen setzten jedoch die Arbeit im Untergrund fort. Ihre Anführer stellten die Aufgabe: »Widerstand, Kampf und fortgesetzte Verteidigung der Interessen des Volkes und der Arbeiter«. Tausende treuer Anhänger folgten diesem Ideal unter hohem persönlichen Einsatz.
Auch Claudia und Inés spürten, dass sie sich entscheiden mussten. Sie schlossen sich einer Jugendorganisation an, die der Partido Christiano de Chile nahestand Dort engagierten sie sich in der »Militancia«. Dieser Begriff für den Widerstand gegen die Militärregierung war Programm, denn die ständige Präsenz der Streitkräfte in den Straßen von Santiago ließ keinen Zweifel: der Junta war mit demokratischen Mitteln allein nicht beizukommen.
Claudia und Inés sahen sich als »Militante«, und beide waren unverkennbar stolz auf diese Bezeichnung. Nicht zuletzt deshalb, weil das Thema Gleichberechtigung der Frauen in Südamerika noch in den Kinderschuhen steckte. In der »Militancia« jedoch standen Frauen und Männer auf gleicher Stufe.
In den ersten Monaten nach dem Putsch konzentrierten sich die Aktivitäten in ihrer Untergrundgruppe vor allem auf das Drucken und Verteilen von Flugblättern. In den revolutionären Zirkeln wurde viel vom Aufruf zum Generalstreik geredet. Aber auch kleinere Aktionen wie betriebliche Arbeitsniederlegungen oder Sabotage in den Staatsbetrieben sollten zur Isolation der Junta beitragen.
Natürlich machte auch die Junta Propaganda. Am Tag des Putsches wurden aus Helikoptern tausende Flugblätter über der Hauptstadt abgeworfen. Auf ihnen wurde das Vorgehen von Militär und Carabineros als Selbstverteidigung gegen linke Terroristen dargestellt. Es wurde behauptet, Marxisten würden die Ermordung von Militärangehörigen planen. Die Vorwürfe bezogen sich auf einen sogenannten »Plan Z«. Es war ein Plan, der sich Jahre später als erfundener Vorwand der Junta herausstellten sollte.
In den ersten Monaten nach dem Putsch erfüllte der »Plan Z« jedoch eine wichtige Funktion: Er überzeugte chilenische Wehrpflichtige davon, dass sich im Lande ein »innerer Feind« entwickelt habe, der unmittelbar ihr persönliches Leben bedrohte. Der Selbstschutz und die ständig propagierte Notwendigkeit einer Wiederherstellung der christlich abendländischen Ordnung mussten vielen chilenischen Wehrpflichtigen und Carabineros tatsächlich als oberste Aufgabe erscheinen.
Im November 1973 wurde der Geheimdienst DINA gegründet. Erlass #521 gab ihm das Recht, während des Ausnahmezustandes Bürger ohne Anlass festzunehmen. Schon wenige Tage nach dem Militärputsch kursierten in den revolutionären Gruppen die ersten Berichte von verhafteten Guerilleros und Guerilleras. Die Führung der Untergrundorganisationen wollte dem Thema nicht zu viel Bedeutung beimessen, vielleicht in der Erwägung, dass die Verbreitung von Angst durchaus im Interesse des »Klassenfeindes« lag.
In den Mitgliederversammlungen wurden Verhaftung und Folter lieber als Bewährungsprobe im revolutionären Kampf diskutiert. Nach einer Verhaftung würde es hart werden, aber der vorbildliche Guerrillero und die der Sache verpflichtete Guerrillera hätten dann Gelegenheit, ihre Standhaftigkeit zu zeigen. Auch Claudia und Inés wurden entsprechend instruiert.
Im Probenraum einer Theatergruppe des Institutes für Lehrerbildung hatten sich am Sonntagnachmittag etwa 40 Personen eingefunden. Auf dem Podium wurde ein Flugblatt der Militärregierung hochgehalten. Ein Gruppenführer las vor:
»Sofortige Exekution von Terroristen
– Die extremistischen Marxisten planen die Ermordung von Mitgliedern der Streitkräfte und Carabineros.
– Die Streitkräfte und Carabineros haben die Verpflichtung, die Sicherheit ihrer Mitglieder und der Bürger wiederherzustellen. Aus diesem Grund werden sie nicht zögern,