Das Eisenbett. Ana Contrera
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Ein anderes Podiumsmitglied warnte:
»Die Direktive der Sicherheitsorgane lautet: »Entschlossenes Durchgreifen«. Konkret gesagt: Wir wissen, dass es an mehreren Orten im Land geheime Lager gibt, in denen Oppositionelle als »Kriegsgefangene« inhaftiert sind. Entschlossenes Durchgreifen, das heißt auch: alle Gefangenen werden gefoltert. Der Geheimdienst will die Namen und Adressen der Compañeros und Compañeras aus der Gruppe hören. Die werden dann als nächstes gejagt. Und sie wollen die Namen schnell, bevor diese Compañeros und deren Familien alarmiert sind.«
Claudia und Inés war diese Zusammenhänge nicht neu. Sie hatten sich schon darüber unterhalten, dass nach einer Verhaftung der einen innerhalb weniger Tage auch die andere verhaftet werden könnte. Die erhöhte Wahrscheinlichkeit ergab sich schon aus der Tatsache, dass beide sich ein Wohnheimzimmer teilten – und diesen Fakt bei einem Verhör zu verschweigen erschien nicht weise.
Der Diskussionsleiter rief zwei Personen auf die Bühne. Er erklärte, dass Pedro und Lucía bereits einmal verhaftet waren und dass sie jetzt den Anwesenden über ihre Erfahrungen berichten würden.
Claudia und Inés schauten gespannt nach vorn. Ein junger Mann und eine junge Frau, beide ca. Anfang 20, betraten die Bühne. Der Mann begann zu sprechen:
»Compañeros und Compañeras, wir stehen heute hier, um euch zu berichten. Wir wollen euch sagen, worauf ihr euch einstellen müsst, wenn die PACOs euch erwischen. Ihr müsst immer daran denken, unser Kampf ist gerecht und human, aber der Feind ist inhuman und ungerecht.
Der Feind wird von euch verlangen, dass ihr ›singt‹. Also dass ihr Treffpunkte mit anderen Mitgliedern eurer Organisation verraten sollt. Lucía und ich, wir haben das durch. Und wir sagen euch, es ist hart. Aber es ist möglich, der Folter zu widerstehen. Man wird brutal geschlagen, aber man widersteht dem Schmerz, wenn man dem Feind mit Widerstandskraft begegnet.«
Dann sprach die Compañera Lucía:
»Es hilft euch, wenn ihr euren Hass auf den Feind aktiviert. Eure ideologischen und politischen Überzeugungen erlauben es euch zu widerstehen. Ihr müsst einen kühlen Kopf bewahren. Dazu gehört zuvorderst der eiserne Wille, so viele Stunden wie möglich zu schweigen. Nicht ein Name, nicht eine Adresse darf über eure Lippen kommen.«
Pedro nickte:
»Später, wenn es nicht mehr anders geht, müsst ihr eine Geschichte bereit haben. Eine glaubhafte, aber unverfängliche Geschichte. Gebt sie dann stückweise her! Versucht, falsche Informationen zu geben über die Treffpunkte, um Zeit zu gewinnen! Eure Compañeros sind derweil an anderer Stelle zum richtigen Treff. Sie sehen, dass ihr nicht gekommen seid. Dann werden sie vorsichtig. Sie ahnen, dass ihr verhaftet wurdet. Sie zeigen sich dann eine Weile nicht mehr und gehen nicht zu den Orten, die euch bekannt sind.«
Lucía ergänzte:
»Es gibt auch Vergewaltigungen. Sie erzählen euch, es sei eine Ehre, weil es für die eigenen Soldaten ist, die dem Vaterland dienen. Fast alle Frauen werden in der Haft vergewaltigt. Davor darf sich eine Revolutionärin nicht fürchten, denn der Feind will, dass wir uns fürchten. Also Zähne zusammenbeißen und durch.«
Claudia beugte sich zu Inés herüber und flüsterte:
»Denen treten wir ordentlich in die Eier, dann können sie selber an dieser Ehre teilhaben!«
Inés reagierte nicht und starrte mit weit aufgerissenen Augen nach vorn.
Dort berichtete jetzt wieder Pedro:
»Für mich und meine Compañeros waren die elektrischen Schläge das Schlimmste. Sie sind so stark, dass du während der Behandlung urinierst. Und wenn du dann am Ende deiner Kräfte bist, erklären sie, dass sie dich jetzt erschießen. Dann halten sie dir die Pistole an den Kopf und drücken ab. Die Pistole ist aber nicht geladen.«
Lucía fasste zusammen:
»Man kann den Schmerz bekämpfen, wenn man seine Angst besiegt. Der Compañero Pedro und ich, wir sind standhaft geblieben. Denkt immer daran, dass es notwendig ist, die Compañeros nicht zu verraten. Denn Compañeros verraten heißt, die Revolution zu verraten.«
Das Publikum applaudierte. Der Gruppenleiter dankte den beiden. Er wies darauf hin, dass es sehr wichtig sei, auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. Erst gestern war wieder ein Compañero von einem nächtlichen Einsatz nicht zurückgekehrt. Man müsse davon ausgehen, dass er geschnappt worden sei.
»Zwei Sachen noch: Denkt an die Sperrstunde: Nachts gehört die Stadt der Militärpolizei. Wenn jemand nach 22.00 Uhr noch auf der Straße angetroffen wird, besitzt er entweder eine Genehmigung der Kommandantur, oder es warteten große Probleme auf ihn. Und noch Mal zur Erinnerung: Wenn ihr einen Auftrag ausführt, fragt nicht zu viel. Fragt nicht, wer sonst noch dran teilnimmt oder wie das alles zusammenhängt. Was ihr nicht wisst, könnt ihr im Ernstfall auch nicht verraten. Das schützt euch und die anderen Compañeros und Compañeras.«
2 Wohnheim Avenida Mackenna
Den Weg nach Hause liefen Claudia und Inés in Gedanken versunken nebeneinander. Inés dachte an die Ausführungen der Compañera Lucía, dass die Milicos alle gefangenen Frauen vergewaltigen würden. Im Geiste sah sie sich im Hinterzimmer eines Kommissariats von Soldaten umstellt. Männer packten sie an Hand- und Fußgelenken. Obwohl Inés sich nach Kräften zu wehren suchte, rissen sie ihr die Bluse vom Leib. Sie schrie nicht, denn niemand würde ihr zu Hilfe kommen. Nur ihr Keuchen und das Reißen von Stoff waren zu hören. Sie spürte Hände, die sich am Verschluss ihres BH zu schaffen machten. Die Männer knöpften auch ihre Hose auf und zogen sie ein Stück herunter. Niemand sagte ein Wort. Mit Schwung flog ihr BH auf den Schreibtisch. Ein paar obszöne Bemerkungen, dann die unvermeidlichen Grapschereien. Stück für Stück riss man ihr den Rest der Kleidung vom Leibe, bis sie schließlich nackt vor den Soldaten stand.
Schon als junges Mädchen hatte sie diese Phantasien gehabt. Im Badezimmer, wenn sie allein war, spielte sie manchmal solche Szenen. Dann stellte sie sich nackt vor den Spiegel, die Beine gespreizt, die Hände hinter den Kopf, die Brust nach vorn gestreckt, ganz so wie die Männer es verlangen würden. Wenn in Kinofilmen solche Szenen gezeigt wurden, wurde sie immer ganz still, damit niemand merkte, dass sie das erregte.
Falls ihr einmal tatsächlich so etwas passieren würde, dann würde sie es ebenso tapfer durchstehen wie diese Lucía. »Zähne zusammenbeißen und durch!«, das schien Inés eine gute Parole zu sein. Eine gute Geschichte musste sie dann noch stückweise als Geständnis von sich geben, um die Soldaten auf falsche Fährte zu locken.
Inés lief mit starrem Blick neben Claudia her. Ihr Herz klopfte. Sie nahm sich vor, heute abend das Ausziehen wieder vor dem Spiegel zu üben.
Claudia hing ganz anderen Gedanken nach. Der mutige Compañero hatte ihr gut gefallen. Sein lockiges Haar, die dunklen Augen und die angenehme Stimme, das passte in ihr männliches Suchschema. Ob der Typ mit dieser Lucía zusammen war? Claudia befragte ihr Bauchgefühl, ob sie sich mehr Nähe zu ihm vorstellen könnte. Zwischen den Schultern rieselte ein warmes Prickeln ihren Rücken hinunter. Ein verwegenes Grinsen huschte über ihr Gesicht, wie bei einem Kind, das sich unbeobachtet fühlt und die Chance nutzt, verbotenes Terrain zu betreten.
Die beiden erreichten eine rote Ampel und mussten warten.
»Wir