Der Letzte macht das Licht aus. Ulrich Land

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Der Letzte macht das Licht aus - Ulrich Land Mord und Nachschlag

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Benzinkanister, Riemen und Tampen und Fender und was der Utensilien eines nordnorwegischen Leuchtturmwärters mehr waren, mochten sich ebenfalls irgendwohin auf Reisen begeben haben.

      Doch das war noch längst nicht das Schlimmste. Viel aufregender war die Frage, wie er aus dieser Nummer mit einigermaßen heiler Haut rauskommen wollte. Finn musste herzergreifend lachen, so gut man bei diesen gattungsfeindlichen Wassertemperaturen lachen konnte. Aber sein Galgenhumor mischte sich mit durchaus weniger lustigen Gedanken. Eins jedenfalls war klar, er konnte nicht einfach zur Insel von seiner Leuchtbake rüberschwimmen, sich an Land schleppen und auf Rettung warten. Immerhin war nicht grade davon auszugehen, dass innerhalb der nächsten halben Stunde, bevor er bei Minusgraden in den klatschnassen Klamotten denn doch noch den Herzstillstand nachgeholt haben würde, dass also in absehbarer Zeit ein Rettungshubschrauber über dieses völlig abgelegene und, versteht sich, unbewohnte Eiland, über diesen nun wirklich als solchen ausgewiesenen Arsch der Welt fliegen und ihn, Finn, aufgabeln würde. Mal ganz davon abgesehen, dass er, nachdem er sich vor anderthalb Stunden noch bei der Küstenwache bitterlich über die üblen Streiche der Dorfjugend von heute beklagt hatte, nicht eben eine gute Figur machen würde neben dem zerdepperten Leuchtfeuer seiner Bake. Vielleicht hätte er sich bei entsprechendem rhetorischen Einsatz damit rausreden können, er sei auf der Suche nach den Übeltätern gewesen, habe sie auf frischer Tat ertappt, sie hätten daraufhin sein Boot zum Kentern gebracht, er sei nur knapp dem Tod durch Ertrinken entgangen und so weiter und so fort ... Wie auch immer, jedenfalls würde er sich mindestens verdächtig machen. Wo die ihn doch sowieso schon auf dem Kieker hatten.

      Und das zweite, was klar war: Hier im Wasser konnte er noch weniger bleiben.

      Unter diesen unwirtlichen Umständen waren keine zehn Minuten zu überleben. Wenn's ihm aber gelingen sollte, bis zum Boot zu kommen, und wenn es ihm des weiteren gelingen sollte, das Boot wieder nach oben zu drehen, den gründlich gewässerten Außenbordmotor anzuwerfen oder zumindest die altersschwachen Riemen in die Dollen zu würgen und in einem Wahnsinnsakt mit den klatschnassen Klamotten am Leib die sechs Seemeilen durch die Kälte zurück zu paddeln, wie sollte er Marit und Petter, wie sollte er vor allem Brik klarmachen, wo er gewesen und was ihm widerfahren sei. Sich schon wieder irgendeine Geschichte ausdenken, die ihm keiner – und Brik schon gar nicht – abnehmen würde?

      ___14.

      »Fi-inn, kann ich mal deine Inbusschlüssel?« Marit hatte den Kopf über die kreuz und quer verknotete Seilwinde gebeugt, die Petter aus seinem Boot ausgebaut und mit herauf gebracht hatte. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden des Dienstraums und fuhrwerkte mit mehreren Ködernadeln, Küchenmessern und dem Stocheisen im verkorksten Seilknäuel herum und setzte nun an, der Einfachheit halber die Winde soweit zu zerlegen, dass sie das indifferente Gewirr würde herausziehen können, um die Mechanik wieder flottzubekommen.

      »Keine Ahnung, wo die Werkzeugkiste ist. Im Moment.«

      »Finn! Das gibt's doch nicht. Nicht bei dir! Du hältst doch wie kein zweiter immer deine sieben Sachen zusammen. Also sag schon! Du brauchst auch nicht selber los, das Zeugs holen, ham wir schließlich Petter für. Was, Petter?!«

      Doch plötzlich krächzte der Morseempfänger, dass einem Angst und Bange wurde. Dididit dadada dididit. Vergessen waren Seilwinde, Inbusschlüssel und heilige Werkzeugordnung.

      »Ist doch SOS. Ich bin doch nicht schwerhörig.«

      »Ja, Marit, ich sitz auch nicht auf den Ohren.«

      »Heißt das ...«

      »Ich muss sofort los. Erst schnell Meldung machen, und dann ...«

      Marit war zur Tür geflitzt und verschloss sie von innen. Mit klackerndem Nachdruck drehte sie den Schlüssel zweimal im Schloss rum, zog ihn ab und ließ ihn in das Dekolleté ihres schmuddligen Schürzenkleids schlüpfen. Dann rannte sie in die Mitte des Raumes und übertönte Finns energische Aufforderung, den Schlüssel rauszurücken.

      »Wir haben's«, krähte sie, »wir haben's geschafft! Wasserpeitschen schlagen den Fels in der Brandung windelweich, haha, überschlagen sich vor Vergnügen, haha, Kirmes, Karneval und Tausendsassawellen klatschen, platzen vor Lachen und höhlen die steten Tropfen aus!« Und was der kruden Einlassungen mehr zwischen ihren tabakvergilbten Lippen hervorsprudelten. Die Alte drückte, während sie ihr Lall-Jubilate anstimmte, die Knie, den Rücken durch, die Gicht in ihren Gelenken war mit einem Mal wie weggeblasen, das schwache Herz kräftig wie in jungen Jahren. Sie kletterte erstaunlich behände auf den Schemel, von dem Petter sich grade erhoben hatte, sprang auf den Tisch, riss sich das Band und die Spangen aus dem schlohweißen Haar, ließ es auf Brust und Rücken fallen, sang, grölte, klatschte ihr Hochzeitslied, warf die Hacken in die Höh und schob funkenstiebend mit den Holzschuhen über die Tischplatte. Drehte Kreise nach rechts, nach links. Und stellte mitten in ihrem wilden Treiben beglückt fest, dass ihre Hände, wenn sie sie mit Schwung in die Luft warf, bis zur Decke langten. Begeistert trommelte sie also mit den Händen gegen die Decke und spielte ihren Füßen zum Tanz auf.

      Der Leuchtturmwärter brüllte sie an, sie solle jetzt sofort seinen Schlüssel hergeben, er müsse schließlich raus, und zwar sofort, den Havariekandidaten helfen, damit's keine Katastrophe gebe. Aber Marits Ohren waren auf Durchzug geschaltet. Ihr eher schmächtiger Leib bebte wie der einer sizilianischen Matrone auf dem Patronatsfest der Dorfkirche, und sie schickte ihren Tanzwirbeln mit überhitzter Reißbrettstimme ein Dankgebet hinterher: »Endlich. Endlich geschafft. Dem ollen Deibel seiner Schüppe ein bisschen was auf die Sprünge geholfen. Von wegen ›save our souls‹!! Kann er sich 'n ordentliches Häufchen Elend an Land ziehn. Dabei haben die eben noch, paar Minuten vorher noch ganz fidel auf ihrem Kahn rumgestanden, ihre Seelen noch fest im Leib, haben palavert, was weiß ich, über den Höllenwind hier, das zerzauste Wasser, das paar Spritzerchen hoch an Bord schmeißt, haben unter Garantie geflucht über die zappenduster vernagelte Nacht da draußen, dass auch nicht ein Funzellichtlein sich blicken lässt oder was. Und schwupps sind sie schon verschluckt. Hihi. Hat das ganze Gefluche kein' Zweck gehabt. 'nen Sinn schon gar nicht. Und die toten Fischstäbchen im Frachtraum von ihr'm Schiff fangen's Schwimmen wieder an. Aus Wasser seid ihr, und zum Wasser kehrt ihr zurück. Hihi.«

      Finn schrie, tobte und spuckte Galle wegen des verdammten Schlüssels, während Petter wie gebannt dastand und mit silbern glänzenden Augen Marits Veitstanz verfolgte, auch wenn er sich einen sorgenvollen Blick auf die schwankenden Tischbeine nicht versagen konnte. Die vorderen beiden spreizten sich bei jedem der tausend Schritte und Schrittchen ein Stück mehr, die hinteren hingegen bogen sich nicht ohne Eleganz x-förmig durch, so dass sie sich, wenn der Wirbeltanz nur lange genug anhielte, bald gegenseitig würden abstützen können. Das Freudenfeuer in der Alten schien indes nach und nach zu erlöschen. Sie atmete stampfend wie ein Kohlenkutter, die Füße versagten ihr den ungewohnt rasanten Dienst, zu guter Letzt ließ sie sich mir nichts dir nichts von Finn einfangen. Sie bedachte beide Männer mit zwei, drei weichen Küssen und gab Finn grinsend den Schlüssel. Dann hob sie ihre Pfeife auf, die sie im Eifer des Gefechtes aus dem Mund und aus den Augen verloren hatte, gab den Tabakresten Zunder und nahm unter anhaltendem Prusten und Lachen wieder auf dem quietschenden Stuhl neben den Funkgerätschaften Platz, die vor ein paar Minuten die freudige Hiobsbotschaft von der Havarie in den eiskalten Tiefen und Untiefen des Røversfjords verkündet hatten.

      »Ruhe, jetzt mal Ruhe.«

      »Sag ja kein Sterbenswörtchen nicht.«

      »Ruhe, hab ich gesagt! Petter, du übernimmst das hier, und ich seh zu, dass ich rüber komm zu denen, und zwar schnell, dass die Leute mir nicht absaufen.«

      »Und dass du als der große Retter und Ritter der Weltmeere dastehst«, jappte Marit.

      Finn donnerte die flache Hand auf den Tisch. »Nicht so laut, verdammt noch

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