Der Letzte macht das Licht aus. Ulrich Land

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Der Letzte macht das Licht aus - Ulrich Land Mord und Nachschlag

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soll sich bei seiner Arbeit nicht stören lassen.«

      »Ja, aber ...«

      Aber da war der Kerl in Schwarz schon wieder verschwunden, so plötzlich und leise, wie er erschienen war. Huschte mit leichten, mit federleichten Schritten über die Felshöcker, schwebte um die Krüppelbirke drüben und war weg. Einfach weg.

      »Deibel noch mal«, entfuhr es Marit, »woher, zum Teufel, weiß der meinen Namen?«

      ___10.

      Der Oktobermorgen war noch jung. Bitterkalt. Das sah Finn beim ersten Blick aus dem schmalen Fenster, das vom winzigen Badezimmer des Leuchtturms Richtung Osten zeigte, rüber zu den Bergen der Insel Grovöya. Ohne dass er es merkte, bremste er seine Zahnbürste und verlor sich dem Anblick der paar wenigen Dächer zu Füßen des Leuchtturms, alle raureifweiß. Auch wie sich langsam die Tür öffnete, bekam er nicht mit. Erst als ihm plötzlich eine weiche Hand in den Schritt fuhr, schreckte er auf.

      »Brik, ich putz mir die Zähne – dir ist aber auch nichts heilig.« Der Form halber nahm er das Zähneputzen wieder auf, aber Briks Hand wollte ihre einmal eroberte komfortable Position offensichtlich nicht wieder aufgeben. Was allerdings auch ihren Mann nicht unbeeindruckt ließ. Zwischen Zahnpastaschaum und emsig fuhrwerkender Zahnbürste hindurch säuselte er: »Ja, wenn das so ist. Über so 'ne Störung ließe sich vielleicht verhandeln.«

      »Wo du dir grad die Zähne putzt, Mann, ist es nicht so viel Arbeit, an die entscheidenden Gerätschaften dranzukommen«, kicherte Brik.

      Finn gurgelte, ob er vielleicht vorher noch ausspucken dürfe.

      »Nein«, hauchte sie, »heh, siehste nicht? Der kriegt's auch so hin.«

      Jetzt war Finn endgültig nicht mehr Herr der Lage, er wand sich wie eine Kobra, spuckte Schaum und Wasser in hohem Bogen ins winzige Becken, und sein Prusten ging nahtlos in eine Art sonores Schnurren über. Aber plötzlich, als sei er aus heiterem Himmel wieder zur Besinnung gekommen, stoppte er. »Brik, ich muss endlich mal was loswerden: Ich hab keine Ahnung, wie lang das noch gut geht.«

      »Was? Wieso?« Brik hatte die Liebesverrichtungen ebenfalls abrupt unterbrochen.

      »Mein Job. Die Arbeit, mein Leuchtturm.«

      »Wissen wir doch längst.« Sie nahm den Rhythmus langsam wieder auf, aber es gelang ihr nicht, Finn mit auf die Schwingen zu heben.

      »Das ist nur noch 'ne Frage der Zeit. Dann ist das zu Ende hier. Die neuen Zeiten, wo du immer so von schwärmst, – die wollen das alles hier automatisieren, verstehst du.«

      »Aber das wissen wir, Mann, das haben sie euch doch schon während der Ausbildung unschonend beigebracht. Du wirst schon was Neues finden, heh, wenn das hier zu Ende geht.«

      »Ich will aber nicht. Ich will nichts Neues finden. Und vor allen Dingen will ich kein Kind. Nicht so. Nicht wenn ich nicht weiß, was wird.«

      »Können wir jetzt mal langsam hier weitermachen?« Brik wollte sich partout nicht aus dem Konzept bringen lassen.

      »Krähenkacke noch mal, kann man mit dir vielleicht mal ernsthaft reden?«

      »Och nee«, japste sie, »nicht schlapp machen, Finn!«

      ___11.

      Schon am frühen Nachmittag verteilten die Sterne weiße Punkte über die hohe Kuppel. Immerhin war der November schon angebrochen. Es war kälter geworden. Jetzt, wo die Tage kürzer wurden, wo man den schwarzen Wolken beim Nachlaufenspiel um die weißen Häupter der Skanden zusehen konnte und den Möwen beim Flugballett über den schneegescheckten Schären, jetzt war die Zeit weit aufgerissen. Gedanken nachzudenken, zu vergessen, zu erinnern, im Kopf die krudesten Ideen aufstehen, taumeln, aufstehen zu lassen. Dachte er. Und sah weit raus, wo rotgold-kitschig die Sonne noch einen Augenblick auf der kaltglatten See längs kullerte und offensichtlich versuchte, die Gnadenfrist so lange wie möglich rauszuzögern. Bevor sie dann doch versank. Aber schnell noch einen üppigen Lichtvorrat aussandte, der den Horizont in ein sattes Orange tauchte, bonbonfarbene Schlieren an den Himmel zauberte, ein paar violette Federwolken mit einem barocken Goldrahmen einfasste, um dann schließlich in ein erbarmungsloses Blauschwarz auszuwachsen.

      Finn spürte, wie die Kälte durch den Pullover kroch. Er steckte die Hände in die Hosentasch und wollte grade von der Galerie wieder in den Dienstraum gehen, um sich seiner Funk- und Schaltzentrale zu widmen, – als er plötzlich stockte. Er drehte bei, ging die paar Schritte zurück und baute sich wieder da auf, wo er eben das Schauspiel der Dämmerung begutachtet hatte. Da war, da fuhr doch – dabei kannte er doch nun wirklich jede Schaluppe, jeden Kahn, jeden alten Schuh, der vor seiner Küste vorbei schaukelte. Aber das, dieses Boot – da würde er seine Hand für ins Feuer legen – das hatte er hier noch nie gesehen. Finn stützte sich auf die Galeriereling, sein Oberkörper war plötzlich dermaßen schwer geworden, bleischwer. Der Kerl da unten hatte den Außenbordmotor ausgestellt und war sichtlich bemüht, lautlos die Ruder ins Abendwasser zu tauchen. Finn ließ das Boot seinem stechenden Blick nicht mehr entkommen, diesem Fernglasblick, den seine Profession mit sich brachte. Mochte der offenbar komplett schwarz gekleidete Kerl noch so sehr versuchen, in der wachsenden Dunkelheit unterzutauchen. Verdammt weit draußen, als er, wie's aussah, glaubte, außerhalb der Sicht- und erst recht außerhalb der Hörweite zu sein, warf der Typ den Motor an und zog mit Vollgas durch den engen Sund zwischen den Felshöckern im äußeren Schärengürtel davon, bis Finn ihn irgendwann endgültig aus dem Blick verlor.

      »Kerl«, krähte Marit aus dem Inneren des Leuchtturms, »wo hängste denn wieder rum? Hier ist ja alles aber so was von total verwaist! Dienst ist Dienst, und Gedankenverlieren ist Gedankenverlieren.«

      ___12.

      »Eins ist uns wenigstens noch frei. Hass – Zorn und innerlichen Gehorsam aufkündigen den widerwärtigen, ewig unbekannten Gesetzen, die über uns verhängt sind seit Endlosigkeit in namenloser schauerlicher Unfreiheit des Willens.« Hat er selber noch gesagt. Dein Meister Max Klecksmann. Also los. Mit Zorn und Lust und langen Fingern. Klauen aus diesen Klauen hier. Und soll sich keiner beschweren: Hat er selber gesagt, wie gesagt, nämlich, der Maler selbst. Bei dem einen mir verbliebnen Fuß.

      Also runter zum Kollegen vom Objektschutz, in 'n Gespräch verwickeln, vielleicht 'nen Kurzen oder zwei mit ihm heben – jau, in der Tabakdose der Zahnabdruckgummi oder -kunststoff oder was das ist, ist noch weich. Und jetzt, Gunst der Stunde, rüberlangen. Zwei Abdrücke in die Zahnknete, von rechts, von links, und schon hängt der Schlüssel wieder. Und der Kollege ist den Schnaps am wegkramen.

      Und dann noch paar Vorsichtstage noch rumkriegen hier. Und nicht auffallen, alter Gunnar, mit diesem ganzen Dings, diesem ganzen Schweiß und dem einen Fuß, dem eiskalten. Was der auf einmal auch so kalt sein muss, ist er doch sonst nicht.

      ___13.

      »Ganz schön anstrengend morgens immer, was? So allein mit mir. Das ganze Frühstück! Eine geschlagne Viertelstunde – mindestens – dich eifrig mit mir unterhalten müssen.«

      Brik hatte Frokost gemacht. Ihre große Leidenschaft, wenn sie ausnahmsweise mal rechtzeitig aus dem Bett gekommen waren. Sie trug nach Herzenslust alles zusammen fürs Frühstück, was die Küche hergab. Bis die Tischbeine sich durchbogen. Sämtliche nur erdenklichen Brotsorten, Flatbrød und Knäcke sowieso, Waffelbrot und Finnbrød. Und natürlich Lefse – niemand konnte die Saure-Sahne-Fladen wie sie zubereiten! Dann Blaubeerpfannkuchen und direkt daneben

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