Münster - Was nicht im Stadtführer steht. Carsten Krystofiak

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Hexerei, dass der Gespensterglauben in Westfalen tief verwurzelt ist: Als Anfang der 90er Jahre am Guten Hirten eine Neubausiedlung entstand, sträubten sich die Anwohner mit Klauen und Zähnen gegen die Absicht der Stadtverwaltung, eine Ringstraße nach dem letzten Opfer des Hexenwahns in Münster zu benennen. Man wolle auf keinen Fall, so die Kläger, »in einer Straße wohnen, die nach einer Hexe benannt ist!« Obwohl die Stadt den Straßennamen trotz des Widerstandes durchsetzte, ist bis heute kein Fall bekannt, in dem bei den Anwohnern plötzlich die Milch sauer wurde, das Vieh verendete oder die Kinder gestorben sind.

      Etwas außerhalb von Münster ist man dem Unwesen von Geistern dagegen auf die Spur gekommen! Vor einiger Zeit bot ein »Schamane« den Mietern eines Spätbarock-Herrensitzes am Rand der Baumberge seinen Service als Geisterjäger an. Der Mann aus der Mongolei stellte sich als kompetenter Partner in Geisterjagd seit drei Generationen vor. Er befand sich auf einer »Tournee« durch Deutschland und wurde von einer deutschen »Agentin« betreut, über die man die Dienste buchen konnte. Der Schamane nahm zunächst das ganze Schloss professionell in Augenschein. Dabei erklärte er (als Tipp für Do-It-Yourself-Geisterjäger), dass es wichtig ist, von oben nach unten vorzugehen, denn das Ziel ist es, die Geister in den Boden zu treiben. Hierbei wurde der Schamane an verschiedenen Stellen fündig, z. B. entdeckte er in einem Sanitärraum (für nicht-professionelle Menschen unsichtbar) eine schwarzgekleidete, kauernde Gestalt. Nach der Expertise konnten die Mieter der betroffenen Wohnungen sich dazu entschließen, den Auftrag zur gründlichen Beseitigung der ungebetenen Mitbewohner zu erteilen – für einen angemessenen Meister-Stundenlohn. Dazu zog der Schamane zunächst seine »Arbeitskleidung« an: ein farbenprächtiges Gewand mit vielen Glöckchen und Schellen. Dann zwang er die ätherischen Untermieter durch eine wüste Radau-Zeremonie mit Gesang, Tanz und Musik zur Räumung. Die Aktion war in der Mietergemeinschaft nicht unumstritten: Einige meinten, in einem so alten Gebäude sei es plausibel, dass die Materie (sprich Mauern) auf Dauer Informationen (»Geister«) speichere und von Zeit zu Zeit »gereinigt« werden müsse. Die Skeptiker hielten den Schamanen dagegen für einen parasitären Scharlatan. Immerhin sorgte es für einen gewissen Schauer, als sich herausstellte, dass das WC mit der »knieenden schwarzen Frau« in früheren Zeiten die Schloss-Kapelle war ... »Seltsam, aber so steht es geschrieben.« (Bastei-Gespenster-Comics)

      (Erschienen 2003)

      Anmerkung:

      Wozu ein Lexikon des Aberglaubens vom Flohmarkt doch noch verwertet werden kann ... am besten finde ich die Geschichte mit der Geisterkutsche, die durch die Davert kurvt. Ich stelle sie mir in etwa so vor, wie die Kutsche im Film »Nosferatu« von 1927 oder die Wagen der Geisterbahn auf dem Send. Der Garantieschein des Geisterjägers für das Schloss Stapel ist inzwischen abgelaufen und müsste dringend mal erneuert werden.

      Ganz Abergläubische sind übrigens überzeugt, dass Münster auf keinen grünen Zweig mehr kommt, seit man aus dem heidnischen Opfergrab am Domplatz das Pferdeskelett entfernt und ins Museum gebracht hat.

      Tot am Emsstrand.

      Auf Lauheide der Bronzezeit.

      Warendorf ist heute ja nun nicht gerade eine pulsierende Metropole. Aber früher war hier richtig was los! Damit meinen wir nicht die 80er oder 70er Jahre, sondern die Bronzezeit. Vor etwa 3.000 Jahren war Warendorf total hip. Jahrtausende vor Christus war das Emsgebiet ein Verkehrszentrum – und Boomtown Warendorf mittendrin!

      Davon ist sogar noch was übrig: Das größte zusammenhängende Gräberfeld der Bronzezeit in Nordeuropa. Sozusagen ein Friedhof Lauheide der Frühzeit. Die Münsteranerin Dr. Barbara Rüschoff-Thale hat die Ausgrabungen dokumentiert und dabei erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

      Das Emsufer bei Bronzezeit-Warendorf war eine chillige Dünenlandschaft. Sogar Bernstein konnte man am Emsstrand finden, hinterlassen von den Gletschern der letzten Eiszeit. Der Klauenberg, immerhin für Westfalen stolze 70 Meter hoch, bot Schutz vor Wind. Kiefern und Birken wuchsen hier (Eichen gab’s damals nur in Süddeutschland). In der Bauernschaft Neuwarendorf, hundert Meter von der Ems, fanden die Hominiden den idealen Campingplatz.

      3.000 Jahre später, Anfang des 20. Jahrhunderts, fing man hier an, Sand für Kalksandsteine zu fördern. Dabei stießen die Arbeiter immer wieder auf Scherben, Knochen und sonstiges »Gedöns«. Lange wurde das lästige Zeugs, das im Sandsieb hängenblieb, einfach weggeschmissen. Erst nach dem II. Weltkrieg interessierten sich Archäologen für die Funde. Mitte der Siebziger finanzierte die Uni Groningen eine ausgedehnte Untersuchung des Areals. Auf einem Gebiet von 500 Metern Länge und 300 Metern Breite fand man 341 frühzeitliche Gräber mit den Resten verbrannter Leichen. Die Niederländer entwickelten ein Verfahren, um das Alter verkohlter Knochen bestimmen zu können. So wurde ermittelt, dass in Neuwarendorf vom 3. Jahrtausend bis 100 v. Chr. Tote beerdigt wurden.

      Der älteste Westfalentourist war allerdings schon vor über hunderttausend Jahren hier: Ein Neandertaler. Bis 1997 lag er sechs Meter tief im Torf, bevor ihn ein Hobbyforscher fand. Der Höhlenmensch war etwa Mitte Zwanzig, als er am Kottruper See aus den Latschen kippte. Allgemein war das Klima im Münsterland noch kälter damals, es war ja erst kurz nach der Eiszeit. Da holt man sich schon mal was weg. Befund: Geschwür am Kopf und Knochenentzündung. Bei dem Neandertaler wurden ein Faustkeil, ein Steinmesser und ein Schaber gefunden. Operation gelungen, Patient tot – wurde er Opfer steinzeitlichen Ärztepfuschs? Die Forscher meinen übrigens, der Neandertaler habe keinen Beitrag zum heutigen menschlichen Genpool geleistet. Wenn ich mir die Physiognomie von Volker Pispers ansehe, wäre ich mir da nicht so sicher ...

      Da war es in der Bronze- und frühen Eisenzeit erheblich gemütlicher. Darum wurde vor allem gerne gegrillt. Im Münsterland tummelten sich Mammuts, Wollnashörner, Moschusochsen, Wildpferde, Rentiere und Riesenhirsche, wie man an den Resten der Barbecue-Plätze ablesen kann. Mjam. Sogar Löwenknochen fand man in der Asche!

      Doch soviel Gegrilltes soll ja überhaupt nicht gesund sein. 1997 fand eine Warendorferin beim Baden im Baggersee einen jungen Mann, dem es gar nicht gut ging. Obwohl der etwa 30-jährige stattliche 1,80 m groß war, diagnostizierten ihm die Mediziner eine Schwächung des Knochenbaus durch falsche Ernährung in seiner Kindheit vor dreitausend Jahren (»Ngg, iss nicht so viele Mammut-Burger!« Das kommt davon!).

      Aus den abgeriebenen Zähnen des Neandertalers schlossen die Forscher weiter, dass er großem Stress ausgesetzt gewesen sei und oft mit den Kiefern geknirscht habe. Vielleicht war der gestresste Steinzeitmanager ja Parkplatzwächter auf dem Großfriedhof Neuwarendorf: Auf der zehn Meter breiten (!) Durchgangsstraße wurden zahlreiche Radspuren nachgewiesen, es muss also ein ziemlicher An- und Abfahrtsverkehr geherrscht haben.

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      Neulich in der Bronzezeit:

      Ngg Schmidt ärgert sich über den Warendorfer im Einbaum vor ihm.

      Kein Wunder, dass die Bestatter der Frühzeit gut zu tun hatten: Gestorben wurde immer und in jedem Alter. Unter den 341 Toten sind vom Säugling bis zum über 60jährigen Johannes Heesters der Bronzezeit alle Altersklassen vertreten. Am häufigsten erwischte es die Menschen zwischen 30 und 40 Jahren.

      Bei der Gestaltung der Grabanlagen wurde viel Wert auf Individualität gelegt (Die Friedhofsordnung wurde erst 3.000 Jahre später erfunden ...). Über 128 verschiedene Grabtypen machten die Archäologen aus, z. B. das Längsgrab mit Baumsarg in rustikaler Weide und mit schlüssellochförmiger Einhegung. Der Klassiker war allerdings das Urnengrab mit kreisrundem Holzzaun. Frauen liegen mit dem Kopf nach Osten; die Männer Richtung Westen.

      Auch bei den Grabbeigaben zählte Exklusivität. Waffen für den Herrn, Schmuck und Haushaltswaren für die Dame. Bei den Töpferwaren war Importware aus England besonders schick. Englisches Design war

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