Das perfekte Wirtshaus. Jürgen Roth
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das perfekte Wirtshaus - Jürgen Roth страница 4
(E. Stoiber, 14. März 2003) und es ihm mithin nachgerade vernünftig dünkt, ergänzende drei bis sechs Runden lang den Arsch nicht mehr hochzukriegen.
Oder er schaut klappehaltend einer fingernagelgroßen grünen Raupe zu, die sich über Stunden hinweg stillvergnügt und lässig leuchtend in der Bierpfütze auf dem Holztisch wälzt.
Wege zur Wonne
Wer mit dem Wort »Bierstraße« nicht bloß eine Gasse in Osnabrück oder Chemnitz meint, die genau so heißt, und wer des weiteren unter »Bierstraße« nicht allein die sogenannte mallorquinische Sauf- und Raufmeile Calle de Miquel Pellisa in S’Arenal versteht und dabei verzückt an das degoutante Gebaren in Vorhöllen wie dem Deutschen Eck und dem Almrausch denken muß, der weiß, daß es im Bierwunderland Franken nicht nur Hunderte von kleinen und feinen Brauereien, sondern auch Bierstraßen gibt, die zum Teil sogar ins Niederbayerische und nach Thüringen ausgreifen.
Im Oberfränkischen zentriert bleibt zunächst die Fränkische Bierstraße, eine Fremdenverkehrsinitiative, die mit Brauerei- und Kirchweihbesuchen, Bierwochen und anderen Festivitäten für die Region wirbt. Der Verein Fränkische Bierstraße bietet jedoch darüber hinaus Touren an, die auch Nürnberg, das südliche Mittelfranken oder den Steigerwald einbegreifen.
Eine der Rundreisen startet in Bayreuth, wo sich neben dem Festspielhaus vor allem das Museum der Maisel’s-Brauerei und der Herzogkeller für eine Visite anbieten. Auf der B 85 Richtung Kulmbach erreichen wir dann Altdrossenfeld. Dort hält die Brauerei Schnupp ein gängiges Edelpilsener bereit, das unter beinahe allen Umständen runtergeht. Einige nordöstliche Kilometer entfernt wirft allerdings der Bierbetrieb Haberstumpf in Trebgast das dunkle Kupferkrönla in die Gaumenschale.
Von Trebgast rauschen wir östlich an Bayreuth vorbei Richtung Pegnitz, wo zweimal Bier gefaßt werden kann, um über die B 470 gestärkt in die gesegnete innere Fränkische Schweiz zu gelangen, nach Pottenstein. Ob da mehr die drei Brauereien locken oder eher der Burgberg interessiert, mag Veranlagungssache sein. Entlang des sich gen Westen hinstreckenden Wiesenttals sind im Anschluß End- und Ruhepunkte sonder Zahl anpeilbar – zumal auf dem rechter Hand gelegenen Plateau, auf dem neun hochgradig empfehlenswerte Privatbrauereien logieren.
Während sich die Aischgründer Bierstraße auf den Steigerwald konzentriert und zwischen Bad Windsheim und Uehlfeld auf zirka fünfzig Kilometern mit sieben Familienbrauereien aufwartet, die im näheren Umfeld der B 470 zu finden sind und im Rahmen von 1- bis 3-Tages-Trips inklusive Bierseminar, Brennereiexkursion und Anzapfkurs geprüft werden können, geht die Bier- und Burgenstraße, 1977 in Kulmbach als Arbeitsgemeinschaft gegründet, bei einer Gesamtlänge von 500 Kilometern in die vollen. Hier braucht es nicht nur mehrere Fahrer, hier sind obendrein diverse Rast- und Rekreationsphasen angebracht.
In Passau beginnend, schlängelt man sich auf der B 85 nordwärts und macht beispielsweise in Amberg und Sulzbach-Rosenberg Station. Ein Stopp bei Sperber-Bräu im Zentrum Sulzbach-Rosenbergs (Rosenberger Straße 14) kann nicht schaden. Die Weisheiten der Schafkopfrunden sind unerschütterlich, wie Eckhard Henscheid mehrfach überlieferte. Vorher allerdings zieht bereits das Amberger Rathaus in Bann, ein gotisches Schmuckstück, das einen drei- bis vierfachen Toast mit der legendären Falk-Weiße verdient, einem Hefeweizen, das heute und nicht minder cremig durch die örtliche Brauerei Bruckmüller hergestellt wird.
Die Route führt weiter über Pegnitz, Bayreuth und Kulmbach, dessen unterdessen monopolistischer Großbraubetrieb zugunsten der Plassenburg zu ignorieren wäre, und touchiert Gampert-Bräu in Weißenbrunn und Jahn-Bräu in Ludwigsstadt, beides akzeptable Orte der Erfrischung. Hinter der thüringischen Landesgrenze böte sich ein bierologisches Intermezzo im Bürgerlichen Brauhaus zu Saalfeld an (Pößnecker Straße 55), gleichwohl wir, das Schloß Heidecksburg und das Blankenhainer Schloß grüßend, bei Weimar einen Abstecher nach Apolda favorisieren würden. In der hiesigen Vereinsbrauerei (Am Töpfermarkt 1) darf man sich ein Gambrinus Pils oder den Glockengießer Urtyp gefallen lassen, um die Kraft der zwei Herzen fürs Finale der Bier- und Burgenstraße zu tanken: für das Kyffhäuser-Denkmal bei Bad Frankenhausen. Das Barbarossa Pilsner der Privatbrauerei Artern gibt einem dann den Rest.
Bierstraßen sollen Orientierungsangebote in einer vielfältigen Kulturlandschaft sein und die Erkundung der Bierwelt mit anderweitigen touristischen Zielen, mit Baudenkmälern, Ruinen und Naturparks, verbinden. Da herrscht der Marketinggedanke notgedrungen vor. So empfiehlt es sich, falls einem an der Entdeckung wahrer Kleinode der Braukunst und der Wirtsstubenbehaglichkeit gelegen ist, immer der Nase nach und mit der Fränkischen Brauereikarte von Stefan Mack in der Hand durch Frankens Lande zu stiefeln.
In den östlichen Haßbergen zum Beispiel, etwa zwanzig Kilometer nördlich von Bamberg, sollte der Neugierige im exquisiten Bierstützpunkt der Baunacher Brauerei Sippel, geführt von Baptist Fößel, ein paar Seidel des dunklen, streng rezenten und experimentell gehopften Vollbiers stürzen, während der Stammtisch seine Knollnasen mit Bierschnaps pflegt. Anschließend marschiert man zwei Kilometer weiter in westlicher Richtung, durch ein weiches Tal. Am Ortseingang von Appendorf steht die Brauerei Fößel-Batz, in der nicht bloß eine bittersüße Feinheit kredenzt wird, die in solcher Vollkommenheit selten aufzuspüren ist, sondern Freitag abends ein unglaubliches Tanz- und Musikspektakel stattfindet, an dem Hobbyinstrumentalisten und Walzerwütige aus der ganzen Region teilnehmen, um im schönsten Gewoge die Vermählung von Rausch und hochmodernem Entertainment zu zelebrieren.
Hat man das Remmidemmi halbwegs unbeschadet überstanden, steht am nächsten Tag einer weiteren Tour über die (noch) unbenannte Bierstraße entlang der B 4 nichts im Wege. An demselben werben mit der Brauerei Zum Goldenen Adler in Höfen, der Brauerei Fischer in Freudeneck und der Brauerei Sonnenbräu in Mürsbach kurz hintereinander drei vorbildliche Bierinstitute um die Gästegunst – Pilgerstätten, die durch die dargebotenen glitzernden Getränke nicht weniger für sich einnehmen als durch ihre seraphischen Namen.
Wenn Tresen Trauer tragen oder: Zampano der Zunge
Unlängst ließ der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Richard Weber, verbreiten, daß auf Grund des in der »Cola-Generation« manifest gewordenen Trends zum »süßen Geschmack« Bier »in Zukunft« wahrscheinlich kein bißchen besser, aber »süßer« werde. »Bier wird in Zukunft süßer und weniger hopfig«, sagte Weber, und man lasse sich das gesagt sein und auf der Zunge zergehen.
Mitte der siebziger Jahre oder etwas später, man wird sich des fraglichen Jahrhunderts noch blaß durch den letzten gauloisesschwarzen Filmriß hindurch erinnern, löste das als »herb« bezeichnete Pilsener das damals marktführende Export als Marktführer auf dem Biermarkt ab. An diesen epochalen Einschnitt müssen wir denken, wenn Weber heute sagt: »Das Schicksal von Export droht nun dem Pils, das sich vor drei Jahrzehnten zur beliebtesten Biersorte in Deutschland aufschwang.« – »Abgelöst«, so Weber weiter, »wird Pils vom Spitzenplatz voraussichtlich von Biermischgetränken oder Biersorten,