Das perfekte Wirtshaus. Jürgen Roth

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Das perfekte Wirtshaus - Jürgen Roth

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der uns da bevorsteht.« So tragen die Tresen Trauer. Doch so sehr es einem auch die Sprache verschlägt, so sehr wären klare Köpfe zu wünschen, um Einsicht in die Wahrheit der Wirklichkeit zu gewinnen.

      Schuld an diesem epochal-ordinären Umwälzungsvorgang ist weder die »Cola-Generation« noch die Generation der »puren Lust am Leben ohne Pils« (Gesundheitszeitschrift Jolie), sondern ein unauffällig am Pestalozziplatz in Frankfurt-Bornheim lebender Mann, seines Zeichens promovierter Schopenhauerianer.

      »Ich hab’s doch gesagt, ich hab’s doch schon immer gesagt, ich hab’ doch den Trend erkannt, ja vorausgedacht!« schreit der zwischen Zeitungshaufen, Weinflaschenhalden und Schallplattenstapeln hockende ehemalige Zehnkämpfer und »ausgebildete Humanist«, wie er betont, und justiert die Dieter-Hildebrandt-Brille.

      Dr. Heinrich Prömm ist kein Mann des unklaren Wortes. Er liebt die Wahrheit und die Unumwundbarkeit und köpft eine Champagnerflasche Jg. 1943 Südwest-Nigeria per Handkantenschlag. »Ich fackel’ nicht lange, das müssen Sie wissen!« brüllt er wie von sich selbst begeistert, und ein Strahl des goldgelben Saftes ergießt sich fontänengleich in den weit geöffneten Schlund, in dem es gefährlich brodelt.

      »Das war doch abzusehen«, Prömm gluckst kurz, »das hab’ ich doch gesagt, tausendmal, ich hab’ doch den Trend schon vor Jahren gesehen!« Prömms Opernbaß schwillt grummelnd an, der bärige Mann greift rasch zu einem Burgunder und rückt den grünen Wodka zurecht. »Seit Jahren hab’ ich im Spitzen Eck, da vorne«, seine rechte Pranke zeigt Richtung Norden, »die Wende propagiert, ja eingeleitet!«

      Was er damit meine, fragen wir in einer Atempause. »Das Pils wird abgeschafft! Das Pils wird abgeschafft, weil das Pils ein Scheißgetränk ist! Das ist doch klar!« Was sei klar? »Daß Männer, echte Männer, Export trinken! Männer brauchen Nahrung, Kraft, Prozente! Seit Jahren sage ich das! Und seit Jahr und Tag beweise ich im Spitzen Eck, daß das Pils weg muß!«

      Dr. Heinrich Prömm habe im Dienste der Abschaffung des Pilsbiers etliche tausend Hektoliter Export der Brauerei Binding getrunken, beteuert er. Nun sieht er sich bestätigt. Das Pils breche endlich elendig ein, die Süße komme zurück. »Kinder wollen Süßes, weil sie Kopfnahrung brauchen, weil sie denken wollen«, erläutert Dr. Prömm grölend, er wirft die Arme in die Höhe, sein Bauch bebt, »und das bestätigt sich jetzt auf höherem Menschheitsniveau, auf Männerniveau!«

      Der Zampano der Zunge kratzt mit dem kleinen Finger den letzten Tropfen Burgunder aus der Flasche. »Wahrscheinlich greifen jetzt die Frauen, schwach, wie sie sind, zum Pils. Zum ›schlanken‹ Pils. Aus Solidarität. Aber ich trinke weiter. Im Auftrag der Welt, wie ich sie mir vorstelle. Die Zeit und das Volk sind auf meiner Seite!«

      Der Volkserzieher vom Pestalozziplatz lächelt. »Alles für andere, für sich nichts, oder? Ich bin froh, daß ich jetzt die Früchte meiner Überzeugungsarbeit ernte. Süß wird die Zukunft sein. Ich würde fast von einer Generation Prömm sprechen wollen. Ja, ich spreche von einer Generation Prömm! Komme es, wie ich’s wollte!«

      Wir gehen, durstig und sprachlos.

      Goldener Grüner Baum

      Wenn man es satt hat – und man hat es oft genug satt –: dieses ubiquitäre neumoderne Interieur samt aprikosenfarbenem Feinputz, diese betonte Kühle und genormte pseudomondäne Sachlichkeit und Eleganz, dieses so offenkundig angestrengt Durchdachte und doch nur Abgekupferte all dieser sogenannten Bars und Restaurants und Chill-out-Lokalitäten – dann muß man weg, weg, raus aus der törichten Stadt, raus aufs Land, aufs Kaff, unter Leute, die sich nicht scheuen, anders zu reden, als es ihnen das Fernsehen und das Feuilleton vorplappern. Und dann findet man in der Regel doch nur wieder verhobelte Läden, stilistisch nochmals unbedarftere Adaptionen dieses gähnend öden Kollektivstils, und in denen hocken Leute, die genauso reden, wie es ihnen das Fernsehen und der Sportteil vorschreiben.

      Es gibt keine Wirtshäuser mehr, zumindest an den Peripherien der größeren Städte nicht. Wer etwa rund um Stuttgart oder Frankfurt ein normales, einfaches, einladendes Wirtshaus sucht, ist verloren und verratzt. Es ist verflucht, es ist eine Blamage, und insbesondere rund um Frankfurt ist es eine einzige Katastrophe. Im Taunus und im Vordertaunus ein halbwegs anständiges Wirtshaus zu finden ist unmöglich. Der Taunus ist verloren, ein für allemal.

      Fast. Oder noch nicht ganz. Denn in Bad Soden-Altenhain steht unweit der Kirche ein Fachwerkhaus, das Gasthaus Zum Grünen Baum. Der Grüne Baum verdient, im Rahmen der immer dringlicher gebotenen hessischen Initiative zur Rettung des Wirtshauses als leuchtendes Beispiel auserkoren zu werden – als zeitloses Vorbild des einladenden, einfachen, normalen Wirtshauses ohne deutsch-romantische Verkleisterung, Verklärung und Verkitschung.

      Ein langgezogener Raum; lobenswert lieblose Wanddekorationen, Kinderzeichnungen und Eisenlampen; Resopaltische mit Deckchen; keine Lichteffekte, keine Musik, keine Special Drinks oder Happy Hours. Am Schanktresen lagern die Stammgäste in unsortierten Hosen und kosten mit dem Wirt den neusten Brand. Die Bierbedienung ist zauberhaft zügig, die Beratung bei der Speisenwahl unaufdringlich. Der Grüne Baum ist nichts weiter als: ein Gast-, ein Wirtshaus, und das macht ihn nahezu einzigartig.

      Selten zuvor wurden aber auch Steaks gesichtet so groß, daß man mit ihnen Gäule erschlagen könnte – zu Preisen, bei denen der städtische Hip-, Hü- und Hottwirt hysterische Anfälle erlitte. »Das Steak ist Weltklasse«, strahlt der Frankfurter Koch Hans-Dieter K., »das ist eine Sünde wert. Und die Bratkartoffeln sind schon jetzt legendär.«

      Der Äppler rinnt aus der eigenen Kälterei, und Rippchen, Markklößchensuppe, Metzelsuppe, Dosenwurst und eine Schinkensülze aus eigener Schlachtung, die, versichert die fränkische Co-Verkosterin, durch ihre säuerlich-fleischkräftige Balance freudentränentreibend wirkt, werden um täglich wechselnde Spezialitäten wie frischgekochte Leiterchen oder Haspeln ergänzt.

      Weil jetzt schon alles paßt, spendiert der Wirt einen Calvados oben drauf. Ich spendiere dem Grünen Baum die Goldmedaille der Inkognitovereinigung zur Förderung des Wirtshauswesens und der Gastronomie ohne Gewese.

      Das ideale Wirtshaus

      Das Zeichnerduo Achim Greser und Heribert Lenz, u. a. tätig für die FAZ, die Titanic und den stern, mietete 1996 in Aschaffenburg das erste gemeinsame Atelier an. Seither verkehren beide mehr oder weniger regelmäßig in der zentral gelegenen Gaststätte Schlappeseppel, die 1631 auf Geheiß von Gustav Adolf von Schweden errichtet wurde und bis heute ein Juwel geblieben ist. Greser & Lenz recherchieren hier und trinken das eine oder andere Bier. Und sie schätzen das Lokal so sehr, daß sie mehrere Schlappeseppel-Bierdeckelserien gezeichnet haben.

       Mit der Wirtshauskultur geht es bundesweit bergab, oder?

      Achim Greser: Das ist eine Behauptung. Ist die gesichert durch die erfahrenen Hintergrundrecherchen, die wir dir zutrauen, oder ist das nur mal eine provokative Behauptung, um uns herauszufordern?

       Es werden ja immer mehr Lokale zu Bistros umgebaut.

      Heribert Lenz: Die Leute haben schon vor zwanzig Jahren aus ihren wunderschönen Gasthäusern Bistros gemacht.

      Greser: Und ich glaub’ auch nicht, daß man selbst als sentimentaler Anhänger einer uralten Kneipenkultur heute noch zufrieden wär’ mit einem Ausstattungszustand, der einen übern Hof aufs Plumpsklo zwingt. Von daher ist Erneuerung sicher auch notwendig.

       Du plädierst für eine Erneuerung in bezug auf die Klos?

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